Versprochene Klima-Hilfsgelder: Oxfam und Co in Sorge
Deutschland hatte für 2022 eine Rekordsumme an Klimahilfe für arme Länder gemeldet. Die Prognosen fallen aber doch deutlich dahinter zurück.
Industrieländer sind zur Zahlung solcher Hilfsgelder an den globalen Süden verpflichtet, unter anderem, um ihrer Verantwortung für die Klimakrise gerecht zu werden. Die Mittel fließen zum Beispiel in den Aufbau erneuerbarer Energiesysteme, um CO2-Emissionen zu vermeiden, oder in die Anpassung an die Folgen der Klimakrise.
Im vergangenen Jahr habe Deutschland insgesamt 6,3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, um Klimaschutz und Klimaanpassung in armen Ländern zu finanzieren, das hatte das Bundesentwicklungsministerium von Svenja Schulze (SPD) kürzlich mitgeteilt. Damit habe man drei Jahre früher erreicht, was man auf internationaler Bühne versprochen habe. Noch Angela Merkel hatte als Bundeskanzlerin vor zwei Jahren angekündigt, ab 2025 werde Deutschland jährlich 6 Milliarden Euro zahlen.
Er sei zuversichtlich, dass dieses Niveau gehalten wird, hatte Staatssekretär Jochen Flasbarth im August gesagt. Aus den Antworten der Bundesregierung geht nun aber hervor: Die Koalition plant bisher keine ähnlich hohen Zahlungen. Stattdessen rechnet sie für 2023 mit einem „gesicherten Betrag“ von circa 5,1 Milliarden Euro und für 2024 mit rund 5,3 Milliarden Euro.
Ausrutscher nach oben
Die Entwicklungshilfe ist besorgt. „Man kann befürchten, dass 2022 ein glücklicher Ausrutscher nach oben gewesen sein könnte“, sagte Jan Kowalzig von Oxfam der taz. Er findet suspekt, dass die Bundesregierung von 2023 bis 2024 eine Steigerung erwarte, obwohl die Haushaltsmittel für das Entwicklungsministerium insgesamt sinken sollen. Aus dessen Budget stammten im vergangenen Jahr rund sechs Siebtel der Klimafinanzierung – der Löwenanteil.
Das Entwicklungsministerium hält dagegen. „Wir sind zuversichtlich, dass wir auch in den kommenden Jahren die 6 Milliarden Euro trotz des kleineren Haushalts erreichen können“, sagte eine Sprecherin der taz. Die Prognose basiere auf Durchschnittswerten der vergangenen drei Jahre, „die naturgemäß eine politische Dynamik für Klimaschutz und -anpassung nicht abbilden“. Auch in Vorjahren habe die Prognose unter dem Erreichten gelegen.
Das habe mit einer inhaltlichen Verlagerung der Entwicklungszusammenarbeit zu tun. „In immer mehr Bereichen denken wir Klima inzwischen mit bei der Gestaltung der Projekte: vom klimaresilienten Schulbau bis zur beruflichen Bildung, die verstärkt auf Energiewende-Berufe setzt“, so die Sprecherin. „Letztlich kommt es darauf an, alle Finanzflüsse weltweit klimakompatibel zu gestalten.“ Das heißt: Projekte, die sonst als Entwicklungszusammenarbeit gezählt hätten, haben mittlerweile einen Bezug zur Klimakrise – und Deutschland kann sie sich als Klimafinanzierung anrechnen.
Alter Wein
Entwicklungshilfeorganisationen befürchten, dass hinter Erfolgsmeldungen zur Klimafinanzierung zu oft Geld steckt, das ohnehin in arme Länder geflossen wäre – dass es also teilweise nicht um reale Steigerungen geht. „Das Entwicklungsministerium versucht, mit dem kleinen Etat gut zu wirtschaften. Dagegen ist nichts zu sagen“, sagte Sabine Minninger vom Hilfswerk Brot für die Welt der taz. „Es geht aber nicht, dass die Bundesregierung so kaschiert, dass sie insgesamt alten Wein durch neue Schläuche laufen lässt.“
Cornelia Möhring, entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, spricht von „Zahlenrumgetrickse“. „Die Bundesregierung muss ehrliche Transparenz bei der internationalen Klimafinanzierung herstellen“, sagte sie der taz. Die Regierung solle dem Bundestag künftig jährlich einen Bericht zur internationalen Klimafinanzierung vorlegen.
Victor Perli, der für die Linksfraktion im Haushaltsausschuss des Bundestags sitzt, kritisiert zudem die Etatkürzungen im Entwicklungsministerium. „Die Ampelparteien müssen die geplante Kürzung von über 600 Millionen Euro beim Entwicklungsministerium zurücknehmen“, forderte er gegenüber der taz. „Hochnotpeinlich“ fände Perli es, wenn das 6-Milliarden-Euro-Versprechen gebrochen würde. „Das würde auch andere Länder zu Kürzungen ermuntern, Leidtragende wären die armen Menschen im globalen Süden.“ Zugleich dürfe die Klimafinanzierung nicht auf Kosten anderer Programme gegen den Hunger in der Welt gehen.
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