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Umgang mit dem KlimawandelKlimahilfe per Kredit

Deutschland muss als Industrieland Geld für Klimaschutz in armen Ländern bereitstellen. Einen beachtlichen Teil davon sollen die aber zurückzahlen.

Ruinierte Felder im Distrikt Manikganj in Bangladesch nach einer Überschwemmung im August 2020 Foto: Zuma Wire/imago

Berlin taz | Verdorrte oder überflutete Felder, von Stürmen zerstörte Häuser, hitzegeplagte Menschen: Dass die Welt sich erhitzt und das Klima verrückt spielt, trifft Orte überall auf der Welt schwer – vor allem aber die Länder, in denen es kaum Geld gibt, um sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Das sind vor allem die Länder im globalen Süden, die zwar wenig zu dem Problem beigetragen haben, nun aber besonders darunter leiden.

Deshalb leisten die reichen Industrieländer als hauptsächliche Verursacher des Klimawandels sogenannte Klimafinanzierung – Geld also, das in arme Länder fließt, damit dort Klimaschutz und -anpassung möglich werden. Jedes Jahr melden die Staaten den Vereinten Nationen, wie viel Geld sie bereitgestellt haben. Deutschland ist demnach der größte Geber: 2018 gab die Bundesregierung Zahlungen in Höhe von 6,3 Milliarden Euro an.

Eine Studie, die der taz exklusiv vorliegt und heute erscheinen soll, zeigt nun allerdings: Fast die Hälfte dieser Zahlungen, nämlich 44 Prozent, wurden als Kredite vergeben – müssen also zurückgezahlt werden.

Die Studie stammt vom dänischen Beratungsunternehmen Inka Consult, beauftragt wurde sie von europäischen Entwicklungsorganisationen und Hilfswerken. Die schließen daraus, dass Deutschland den Vereinten Nationen eigentlich eine zu große Geldsumme melde.

Verboten ist die Klimafinanzierung per Kredit nicht

„Klimafinanzierung muss öffentliches Geld sein“, sagt Sabine Minninger vom evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt. „Es geht nicht, dass das Ganze davon abhängt, was sich für die Industrieländer rechnet.“

Das zuständige Ministerium verteidigt die Praxis dagegen. „Das Bundesentwicklungsministerium setzt in seiner Zusammenarbeit grundsätzlich Finanzierungsinstrumente ein, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Partner berücksichtigen“, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Die ärmsten Länder erhielten Zuschüsse.

„Staaten mit mittlerem Einkommen werden beispielsweise auch mit zinsverbilligten Krediten gefördert.“ Laut der neuen Studie sind allerdings auch Kredite mit nahezu marktüblichen Konditionen dabei.

Auch die Au­to­r:in­nen erkennen an, dass Kredite einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Sie wollen sie nur nicht als Teil der Klimafinanzierung verstanden wissen.

„Dabei geht es doch darum, dass die Industriestaaten den Klimawandel verursacht haben und unter anderem deshalb so reich sind – aber die ärmsten Länder leiden am meisten darunter“, argumentiert Klima-Expertin Minninger. „Klimafinanzierung ist keine Frage der Mildtätigkeit, sondern eine Frage der Verantwortung der Industriestaaten.“

Dass die Bundesrepublik sich dabei mit Zahlungen schmückt, die sie wieder zurückerstattet bekommt, und das teils sogar mit Profit, sehen die Hilfswerke als Schönrechnerei.

Internationale Vereinbarungen verletzt die Praxis allerdings nicht. Das liegt daran, dass es überhaupt keine vereinbarte Definition für Klimafinanzierung gibt; festgelegt ist nur, dass sie geleistet werden muss. Ab 2020 wollten die Industrieländer jährlich 100 Milliarden US-Dollar an die Länder fließen lassen, die laut der Klimarahmenkonvention als Entwicklungsländer gelten. Ob die Summe offiziell zusammengekommen ist, ist noch nicht bekannt.

Die fehlende Definition führt auf jeden Fall dazu, dass jedes Industrieland die Zahlungen so handhabt, wie es will. Deutschland ist mit seinem Ansatz nicht allein. Laut der neuen Studie melden die meisten EU-Staaten auch Kredite als Teil ihrer Klimafinanzierung. Im europäischen Schnitt machen sie sogar 45 Prozent der Gesamtsumme aus.

Es gibt aber auch Länder, die die Sache so sehen wie die Hilfswerke. Schweden, die Niederlande und Großbritannien geben nur Geld als Klimafinanzierung an, das nicht zurückgezahlt werden muss.

Deutschland entscheidet sich leider für den einfachen Weg, nicht für den besten

Sabine Minninger, Brot für die Welt

Die Studie legt auch nahe, dass es praktische Auswirkungen auf den Klimaschutz in armen Ländern hat, ob das Geld nun als Zuschuss gezahlt wird oder als Kredit. Aus den deutschen Klimageldern fließen zum Beispiel 68 Prozent in Projekte, bei denen es um die Minderung des CO2-Ausstoßes geht. Dabei kann es etwa um den Ausbau von erneuerbaren Energien gehen. Nur 32 Prozent fließen in Projekte, die die Anpassung an den Klimawandel bezwecken.

Laut Paris-Abkommen sind diese beiden Ziele gleich wichtig. Der Klimawandel zeigt schließlich in jedem Fall Folgen. Sicherheit bietet auch eine Welt nicht, in der die Menschheit die Erhitzung bei 1,5 Grad stoppt – das ambitionierte Nebenziel des Paris-Abkommens, dessen Erreichen bereits fast unmöglich erscheint. Für diesen Fall sind zum Beispiel deutlich mehr und teilweise stärkere Fluten, Hitzewellen und Dürren zu erwarten. Die Anpassung daran zu vernachlässigen gefährdet Leben.

Für solche Projekte gibt es allerdings oft keinen Kredit, weil die Rückzahlung zu unsicher oder unmöglich ist. Der EU-Schnitt ist hier etwas besser als die deutsche Bilanz. Immerhin 36 Prozent der Gelder fließen in Anpassung. Bei den Geldern, die nicht zurückgezahlt werden müssen, ist die Verteilung zwischen CO2-Reduktion und Anpassung ungefähr gleichmäßig. „Das Ungleichgewicht kommt durch die Kredite“, schlussfolgert Minninger.

Vorbild Schweden

Unabhängig davon, ob die Klimagelder als Kredit oder Zuschuss gezahlt werden, ist noch etwas ungeklärt: Wie unterscheidet man sie von der anderweitig versprochenen Entwicklungshilfe? Die hat schließlich auch oft einen Klimabezug. Werden etwa im Rahmen der Entwicklungshilfe Projekte gefördert, die es Land­wir­t:in­nen ermöglichen, besser mit Dürren umzugehen, hat das immerhin mit dem Klimawandel zu tun.

Problematisch wäre es aber, wenn der eine Zweck dem anderen Geld klaut. Dann hätte das Versprechen zur Klimafinanzierung schließlich gar nicht die gewünschte Wirkung, dass insgesamt mehr Geld fließt.

Auch hier sind die internationalen Absprachen schwammig. Die Klimafinanzierung solle „neu und zusätzlich“ sein, heißt es im Beschluss der Weltklimakonferenz, die 2010 im mexikanischen Cancún abgehalten wurde.

Schweden gilt hier wieder als Vorbild. Im Jahr 2018 hat das skandinavische Land 1,1 Prozent seines Bruttonationaleinkommens (BNE) an Entwicklungshilfeprojekte gezahlt, vereinbart sind 0,7 Prozent. Darüber hinaus weist es noch Zahlungen als Klimafinanzierung aus. Diese entsprachen der neuen Studie nach weiteren 0,12 Prozent des BNE. Das Geld ist also ziemlich eindeutig „neu und zusätzlich“.

Deutschland macht das anders. Teilweise muss es das auch. Die Bundesrepublik erreicht die vereinbarte Quote an Entwicklungshilfe nämlich überhaupt nicht. Statt 0,7 Prozent machten deutsche Entwicklungshilfezahlungen 2018 nur 0,61 Prozent des BNE aus. Wird jetzt Geld für Klimaprojekte gegeben, muss die Bundesrepublik also entscheiden: Wozu zählt das nun?

Portugal, wo die Lage ähnlich ist, weist klimarelevante Entwicklungshilfe und Klimafinanzierung gesondert aus. Deutschland hingegen verspricht lediglich, dass es nichts meldet, was schon Teil eines früheren offiziellen Berichts war.

„Auch hier entscheidet sich Deutschland leider für den einfachsten Weg, nicht für den besten“, meint Minninger. „Wenn man in Deutschland die schwedische Rechenformel anwenden würde, so würde die deutsche Klimafinanzierung gar nicht mehr existieren.“ Die deutschen Klimagelder ohne Kredite entsprechen laut der neuen Studie 0,1 Prozent des BNE. Rechnet man das auf die gemeldete Entwicklungshilfe drauf, ist gerade mal die dort vereinbarte Marke erreicht.

Das Entwicklungsministerium hält eine stärkere Trennung der zwei Bereiche nicht für ratsam. „Klimaschutz und Entwicklung gehören eng zusammen: Eine moderne, nachhaltige Landwirtschaft ist gleichermaßen eine wichtige Entwicklungsaufgabe und zentral für den Klimaschutz“, hieß es auf Anfrage.

In einem sind sich Bundesregierung und Hilfswerke immerhin einig: Sie wünschen sich einheitliche internationale Regelungen, um den Dschungel der Klimafinanzierung besser durchschaubar zu machen.

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2 Kommentare

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  • 100 Milliarden jährlich hat der Krieg in Afghanistan gekostet. Das Geld ist im globalen Süden wahrscheinlich besser und nachhaltiger investiert.



    Regenwälder schützen, 30 Prozent der Natur sowieso unter Schutz stellen, Aufforstung, Leistungen zum Erhalt der Biodiversität. Aufbau eines nachhaltigen erneuerbare Energieensystems, allgemeine und kostenfreie Schulbildung, Verbesserung des Zugangs zum Hochschulsystem, Bildungskooperationen und noch hunderte weitere Projekte küssen sich damit realisieren.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Paule :

      Teilweise haben sie Recht.



      Allerdings hätten die Taliban jeden Baum abgefackelt, den man gepflanzt hätte und die Hochschule sowieso.



      Und das man die Afghanen bei ihrem Kampf gegen diese Barbaren unterstützen muss, ist für mich auch klar.



      Mehr Geld für den Süden okay, aber nur, wenn die Veränderungen dort von den Menschen dort gewollt und initiiert werden.