Verspätungen und Ausfälle: Brandanschlag legt Bahn lahm
Ein Kabelbrand am Ostkreuz sorgt für Chaos bei der S-Bahn und dem Mutterkonzern Deutsche Bahn. Angeblich Linksautonome bekennen sich.
Ein Brandanschlag hat am Montagvormittag auf den Bahnhöfen im östlichen Stadtgebiet für Chaos gesorgt. Betroffen waren der Regional- und der Fernverkehr sowie die S-Bahn. Gegen 3.00 Uhr am Morgen hatten die Täter eine Kabelbrücke am S-Bahnhof Ostkreuz in Brand gesteckt. Zehntausende Menschen warteten stundenlang und meist vergeblich auf ihre Bahnen, drängten sich in Ersatzverkehrsbusse und kamen zu spät zur Arbeit. Zu dem Anschlag bekannte sich am Nachmittag eine angeblich linksautonome Gruppierung im Internet. Die Züge wurden nach dem Anschlag nicht mehr mit ausreichend Fahrstrom versorgt, die Sicherheits- und Informationstechnik setzte aus. Die Polizei meldete gegen Abend, von der Authentizität des Schreibens auszugehen.
Der Brand hatte auch einen zentralen Kommunikationsknotenpunkt der Deutschen Bahn (DB) getroffen und über mehrere Stunden deren Onlinedienste lahmgelegt. "Über das Internet sind derzeit keine Ticketbuchungen und Reservierungen möglich sowie keine aktuellen Fahrplanauskünfte verfügbar", hieß es in einer Mitteilung der Bahn. Einige Internetplattformen waren gar nicht erreichbar.
Vom Kabelbrand waren auch Berliner Kunden des Mobilfunkanbieters Vodafone betroffen, die über mehrere Stunden keinen Empfang hatten. "Es wurden wichtige Kabelverbindungen zu einer Basisstation zerstört", sagte ein Unternehmenssprecher. Die Zahl der Betroffenen liege im fünfstelligen Bereich.
Die Internetangebote der Bahn funktionierten bereits am am Mittag wieder, der Bahnverkehr wird hingegen noch mehrere Tage beeinträchtigt sein. "Die Stromversorgung macht uns weiterhin zu schaffen. Die Arbeiten sind in vollem Gang", sagte ein Bahnsprecher zur taz.
Die Polizei teilte am Nachmittag mit, sie habe Spuren einer brennbaren Flüssigkeit am Tatort gefunden und gehe von vorsätzlicher Brandstiftung aus. Wenig später tauchte das Bekennerschreiben im Netz auf. Darin wird der Sabotageakt mit der Atompolitik und dem Waffenhandel Deutschlands begründet: "Nach all den Katastrophen haben wir die Schnauze voll. Über den sofortigen Ausstieg aus der Atomtechnologie gibt es nichts mehr zu verhandeln", heißt es in dem mit "Das Grollen des Eyjafjallajökull" unterzeichneten Schreiben.
Der Anschlag "trifft nicht nur unser Unternehmen, sondern ist vor allem eine Zumutung für hunderttausende unserer Kunden", sagte der für die DB-Konzernsicherheit verantwortliche Gerd Brecht.
Bereits im November hatte es einen ähnlichen Anschlag auf eine Kabeltrasse der S-Bahn gegeben, damals in Neukölln. "Letztes Jahr gab es dieselben Probleme, nur scheint dieses Mal das Ausmaß größer zu sein", sagte Jens Wieseke, stellvertretender Vorsitzender des Berliner Fahrgastverbandes IGEB, zur taz. "Dass der Ersatzverkehr nie ausreichen kann, wenn ein zentraler Knotenpunkt getroffen wird, ist klar, aber wenn nicht mal mehr der DB-Server nach einem Brand erreichbar ist, stellt sich schon die Frage, wie die Bahn auf solche Situationen vorbereitet ist."
Der Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB), Hans-Werner Frans, übte ebenfalls scharfe Kritik am Verhalten der Bahn: "Es zeigt sich heute leider wieder einmal, dass weder die S-Bahn Berlin noch die Deutsche Bahn AG ausreichend auf Großstörungen vorbereitet sind." Zehntausende Fahrgäste seien am Montag im Informationschaos steckengeblieben.
Informationen zum S-Bahn-Verkehr gibt es unter http://s-bahn-berlin.de/bauinformationen/betriebslage.htm
Informationen zu Störungen im Regionalverkehr gibt es unter http://www.bahn.de/blitz/view/berlin/uebersicht.shtml
Das mutmaßliche Bekennerschreiben wurde auf einer Unterseite der Internetplattform indymedia veröffentlicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mehr Zugverkehr wagen
Holt endlich den Fernverkehr ins Deutschlandticket!
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Jette Nietzard gibt sich kämpferisch
„Die Grüne Jugend wird auf die Barrikaden gehen“