Versorgungsicherheit beim Strom: Die Energiewende ist Sofi-sicher
Stresstest bestanden: Während der Sonnenfinsternis brach die Photovoltaikleistung ein. Doch das Netz blieb stabil – das sind gute Aussichten für 2030.
FREIBURG taz | Die Sonnenfinsternis am Freitag hat gezeigt, dass das Stromnetz trotz Energiewende stabil ist: Die Solarstromerzeugung fiel und stieg wegen dieses Naturschauspiels dreimal so schnell, wie man es von normalen Tagen kennt. Dennoch gelang es den Netzbetreibern, das Energiesystem stabil zu halten.
Zuvor hatte es Befürchtungen gegeben, die Ausnahmesituation könne zu Stromausfällen führen, was Wissenschaftler – etwa von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin – allerdings als „Horrorszenarien“ bezeichneten. Die Übertragungsnetzbetreiber nannten die zweieinhalbstündige Verschattungsphase im Vorfeld einen „echten Stresstest“, sahen sich aber durch ihre intensive Vorbereitung gut gerüstet. Diese Einschätzung erwies sich dann auch als zutreffend.
So war der Freitagvormittag auch ein Vorgriff auf die Zukunft: „Das Stromsystem muss mit solchen Situationen in 15 Jahren regelmäßig zurechtkommen“, erklärte die Denkfabrik Agora Energiewende. Im Jahr 2030 werde die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien mitunter in einer Stunde um bis zu 14 Gigawatt steigen oder fallen – das entspricht etwa dem Gradienten, wie er am Freitag auftrat.
Die Stromnetzbetreiber konnten die Sonnenfinsternis gut bewältigen, weil sie zuvor in ausreichender Menge schnell regelbare Kraftwerke – zum Beispiel mit Gas betriebene – unter Vertrag genommen hatten. Agora-Direktor Patrick Graichen sagte: „Wenn das heutige, vergleichsweise inflexible Stromsystem die Sonnenfinsternis meistert, dann wird das Stromsystem des Jahres 2030 mit vergleichbaren Situationen spielend zurechtkommen.“ Schließlich dürfte das Stromsystem im Rahmen der Energiewende deutlicher flexibler werden, als es bislang ist.
Unterdessen zeigten die Preissignale an der europäischen Strombörse Epex anschaulich, in welchem Maße der Solarstrom inzwischen die Großhandelspreise senkt: In der Stunde zwischen 10 und 11 Uhr, zum Höhepunkt der Sonnenfinsternis, war die Kilowattstunde am Spotmarkt fast zwei Cent teurer als in der Stunde zuvor und in der Stunde danach.
Denn es gingen durch den Mondschatten deutschlandweit erhebliche Mengen an Solarstrom verloren: Um 9.45 Uhr wurden noch 13,4 Gigawatt Photovoltaik erzeugt, eine Stunde später waren es nur noch 5,3 Gigawatt. Ohne Finsternis wären es zu diesem Zeitpunkt durch den weiteren Anstieg der Sonne sogar bereits rund 18 Gigawatt gewesen. Damit hat der Mond dem Stromnetz kurzfristig die Leistung von einem Dutzend Großkraftwerken vorenthalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen