Versorgung von Long-Covid-Kranken: Ein Desaster, bisher
Zu Long Covid gab es bisher nur vage Befürchtungen und einen Wildwuchs bei der Betreuung. Nun sollen Betroffene endlich besser versorgt werden.
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S eit mindestens zwei Jahren ist Long Covid als Problem erkannt, da holt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach endlich Expert*innen, Patientenvertreter*innen, Kostenträger und Behörden an einen Tisch und verkündet schnelle Maßnahmen. Eine systematische Versorgung der Betroffenen ist trotzdem nicht in Sicht. Wir wissen noch nicht einmal, wie viele es überhaupt sind.
Seit 2021 geistern Schätzungen durch die Öffentlichkeit: 6, 10 oder gar 15 Prozent der ehemaligen Coronakranken könnten von Long oder Post Covid betroffen sein. Dabei hätte man schon damals beginnen können, flächendeckend finanzierte Schwerpunkt-Hausarztpraxen für die Long-Covid-Behandlung zu etablieren. Dann wüsste man jetzt ziemlich genau, über welche Dimensionen wir hier sprechen; auch der volkswirtschaftliche Schaden ließe sich besser beziffern.
So bleiben bis heute nur vage Befürchtungen und ein mehr als zweijähriger Wildwuchs in der medizinischen Betreuung. In den Hausarztpraxen sind es meist die Patient*innen, die die Ärzt*innen mit Informationen versorgen müssen. Medikamente und Behandlungen, die helfen könnten, müssen selbst bezahlt werden – eine Einladung auch für dubiose Anbieter. Die Studien zu Therapieansätzen schleppen sich hin – dabei wissen wir spätestens seit der Corona-Impfstoffforschung, dass es auch anders geht.
Kurzum: Die Versorgung von Menschen mit Long Covid ist ein Desaster. Dass der Bundesgesundheitsminister nun mehr Geld für Versorgungsforschung, weniger Hürden für Studien, Therapierichtlinien für Ärzt*innen und die Kostenübernahme bei erfolgversprechenden Medikamenten ankündigt, ist überfällig. Die Finanzierung für eine systematische Versorgung von Betroffenen, wie sie eigentlich schon im Koalitionsvertrag versprochen war, bleibt aber ungesichert – und die Betroffenen ungezählt. Long Covid als „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, wie es Lauterbach einmal nannte – davon sind wir noch weit entfernt.
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