Version 3: Sexkiller - die Praktiken, die Spielzeuge
Sie reagieren sich ab. Knien sich rein. Arbeiten sich aus. Aus Sexnot. Das ergab eine neue Studie. Die Details, die Auswege.
Tausende Männer und Frauen sitzen nächtelang vorm Computer, fressen Akten, misten die Buchhaltung ihres Tischtennisvereins aus. Weil ihr Sexualleben unerfüllt ist.
Wer seine Lust nicht auslebt, stürzt sich in Job oder Ehrenamt, fanden jetzt Sexforscher heraus (Uni Göttingen). 32.000 Männer und Frauen beichteten, wie oft sie Sex mit der Partnerin oder dem Partner haben. In der Gruppe, die es pro Woche einmal oder keinmal macht, sagte ein Drittel: Ja, wir müssen uns mit anderen Aktivitäten ablenken! Was tun sie? Die wichtigsten Sexkiller - und die Sexpraktiken, die Sexspielzeuge.
Power Point: Mit der Präsentationssoftware lässt sich beweisen, dass man seine Kraft nicht nur im Bett einsetzen kann. Schrifttypen aussuchen. Pfeilbilder von links nach rechts wandern lassen. Grafiken mit Musik unterlegen. Vidoes einbauen. Farben noch mal bearbeiten. Danach zur Entspannung: Fehler in Wikipedia ausmerzen. Zwischendurch noch mal die persönliche Homepage checken. Offlinetipp: Alte Dateien prüfen, ob sie gelöscht werden können. Entlastet die Festplatte.
Black & Decker: Sie bauen sich was Schönes für zu Hause. Arbeitsplatte für die Küche. Hochbett fürs Kinderzimmer. Werkzeugbank für die Garage. Sie nehmen sich die exakt arbeitende Pendelhubstichsäge mit Laser, polieren mit dem Multischleifer nach und befestigen mit der Kartuschenheißklebepistole. Härtere Fälle besorgt der 18-Volt-Akku-Schlagbohrschrauber. Geiles Equipment.
Handy-Headset: Sie machen sich selbständig. Sie sind 24 Stunden mobil erreichbar, am ergonomischsten funktioniert das per Handy-Headset. Aufträge reinholen, Nachbesserungswünsche von Kunden entgegennehmen, unbezahlten Rechnungen hinterhertelefonieren. Wenn niemand anruft, diskutieren Sie mit Gleichgesinnten das Unternehmenskonzept. Oder mit Partner bzw. Partnerin. Sexgedanken? Hören Sie lieber mal die Mailbox ab.
Beckmann im Bett: Ein Schlafzimmer ohne Sex muss ein Schlafzimmer mit Fernseher sein. Also schließen Sie Ihr Bett an die Welt an. Sie sehen, wie Witta Pohl mit einem Bischof redet. Wie Niki Lauda auf seinen Sohn Mathias stolz ist. Montag, eine Stunde vor Mitternacht. Sie schalten das Erste an: Beckmann stellt Peter Scholl-Latour eine Frage. Auf dem Tisch vor dem 81-Jährigen leuchtet ein Globus, an dem Beckmann beim Reden dreht und dreht. Scholl-Latour lächelt, holt zur nächsten Analyse aus. Sie denken: So habe ich die Welt eigentlich noch nie gesehen. Der schlafende Mensch neben ihnen nimmt keine Notiz.
Eine Ursprungs-Meldung - drei darauf aufbauende Texte. Die taz wollte wissen, welche Herangehensweise ihre Leserinnen und Leser haben möchten - und zwar beim Thema Sex. Die kritisch-kommentierende Version? Den spielerisch-schrägen Weg? Oder die nüchterne wissenschaftsjournalistische Variante? Für die Sonderausgabe der tageszeitung am Wochende 15./16. September 2007 zur "Zeitung der Zukunft" machte taz.de die Probe aufs Exempel. Sie hatten zwei Tage lang die Wahl.
Das Ergebnis:
1007 Leserinnen und Leser haben abgestimmt.
43 Prozent (431) stimmten für die Version 2, die kritisch kommentierende Version,
41 Prozent (416) stimmten für die Version 1, also die nüchterne wissenschaftsjournalistische Variante,
16 Prozent (160) schließlich für die spielerisch-schräge Version 3.
Aber die Forscher warnen auch: Durch zu viel Ersatz bleibt am Ende gar keine Zeit mehr zum Sex. Ein Teufelskreis.
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