Verschwörungstheoretiker Xavier Naidoo: Der Hütchenspieler
Xavier Naidoo ist Träger des „Goldenen Aluhuts“. Der ehrt erstmals die skurrilsten Verschwörungstheorien und Pseudowissenschaften.
Umstritten war er ja schon immer. In den frühen nuller Jahren konnte man sich als Kerl so einiges versauen, wenn man ihn aus dem Autoradio jammern ließ. Zeilen wie „Jede deiner Bewegungen sind [sic!] erstrebenswert / Und jede Stunde mit dir ist so lebenswert“ waren jemandem offenbar Anlass genug, auf StudiVZ eine Gruppe namens „Wir sparen auf ein Haifischbecken für Xavier Naidoo“ zu gründen. Den Sänger selbst hat das wohl sehr frustriert. Er wollte endlich wieder Liebe, Anerkennung, Jubel.
Wie sonst lässt sich erklären, dass Naidoo, 44, Echo-“Newcomer National“ von 1999, mittlerweile statt vor Mädchen mit Arschgeweih eher vor selbigem der Demokratie auftritt? Als sich rechtsextreme Reichsbürger, Chemtrail-Paniker und andere Verschwörungstheoretiker letztes Jahr am Tag der Deutschen Einheit vor dem Reichstagsgebäude versammelten, um ihre Überzeugung zu äußern, dass es die Bundesrepublik Deutschland rechtlich gar nicht gebe, da sprach auch Naidoo. Zum Beispiel über den 11. September, mit dem alles angefangen habe, und wer die offizielle Version der Ereignisse glaube, „der hat den Schleier vor den Augen, ganz einfach“. Auch der Berliner NPD-Chef lauschte interessiert.
Für solche Abstrusitäten bekommt Xavier Naidoo, der als Gastdozent an der renommierten Popakademie Mannheim lehrte, nun endlich Anerkennung: Er ist Träger des „Goldenen Aluhuts“. Der ehrt in diesem Jahr erstmals die skurrilsten Verschwörungstheorien und Pseudowissenschaften. Dazu zählt zum Beispiel „Heilarbeit mit der Lichtenergie der Einhörner“, angeboten von einer gewissen Wrage GmbH, die damit in der Kategorie Esoterik gewinnt.
Neben Naidoo, ausgezeichnet in der Kategorie „Rechtsesoterik Reichsbürger & BRD-GmbH“, gewinnt auch der Kopp-Verlag – erste Adresse, wenn man Bücher namens „Böse Gutmenschen“, „Lügenpresse“ oder „Die Asyl-Industrie“ sucht. Wer lieber grundsolide Ratgeber über Krebsheilung mit Vitaminen und Titeln wie „Penis Power“ (Autor: „Weltklasse-Urologe“ Dr. Dudley Danoff) mag, wird dort ebenfalls fündig.
Ob Naidoo sich über diese Gesellschaft freut? Die Aufregung über seine Reichsbürger-Kontakte findet er jedenfalls ungerecht. Er sei zufällig vorbeigeradelt, spontan aufs Podium gestiegen – und habe doch nur „in Liebe“ auf die Leute zugehen wollen, sagte er über den Auftritt im Regierungsviertel. Guter Trick, den ihm allerdings kaum jemand abnahm – ein regelrechter Hütchenspieler sozusagen.
Der Preis wird am Freitagabend in Berlin von den Mitstreitern eines verschwörungstheoriekritischen Blogs verliehen. Auch die Preisträger dürfen reden– wenn sie denn kommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“