Verschwörungsguru Ganser in München: Schlimmer ist das Publikum
Der Schweizer Daniele Ganser bedient in einem Münchener Theater das alternative Milieu mit allerlei 9/11-Geraune. Der Applaus ist ihm gewiss.
Das Münchner „Linkes Bündnis gegen Antisemitismus“ hatte gewarnt: „Befürchtet wird die Verbreitung rechtsradikaler und verschwörungstheoretischer Inhalte.“ Die von Grünen- und Linken-Jugend getragene Gruppe wandte sich damit sich gegen einen Vortrag des Schweizer Historikers und Autors Daniele Ganser in München. Dieser sprach davon unbeeindruckt am Donnerstag gleich zwei Mal im Theater Leo 17 in Schwabing, das einer Waldorfschule gehört.
16.35 Uhr vor dem Haus. Kein linker Protest. Stattdessen ist Daniele Ganser da und lässt sich Selfie für Selfie für Selfie fotografieren – von Fans. Bestgelaunt besticht er schon jetzt mit ausnehmender Freundlichkeit. „Ich mag diesen Saal sehr“, sagt er. Sein Publikum ist klar der linksalternativen Szene zuzuordnen: Jung, mehrheitlich unter 30, viele Männer mit Vollbart, die Frauen tragen bunte Blusen.
„Kriegspropaganda – wie unsere Gedanken und Gefühle gesteuert werden“, lautet Gansers Vortrag, Eintritt 27 Euro. Zu Beginn projiziert er ein paar teils jahrzehntealte Fotofälschungen aus Zeitungen an die Leinwand, das sorgt für Lacher. Etwa wie einst der Kopf von Lady Diana so gedreht wurde, dass es so aussieht, als küsse sie ihren Freund Dodi Al-Fayed.
Die große Vermischung
„Wir sind als Menschen leicht zu täuschen“, sagt Ganser, während er von der einen Seite der Bühne zu anderen geht. Von „Lügenpresse“ spricht er nicht, da ist er zu clever. Aber er stellt mal rasch die Süddeutsche Zeitung in eine Reihe mit der Internetseite „KenFM“, die rechtspopulistische Verschwörungstheoretiker protegiert. Oder er ruft auf, mal Spiegel Online mit dem russischen Propagandasender „Russia Today“ zu vergleichen. Wahr? Falsch? Wer will es wissen?
In dieses produzierte Unbehagen stößt er die Hauptthese seines Vortrages: Es geht um „WTC7“. Wer sich da nicht so auskennt: Das ist das dritte Hochhaus des World Trade Centers, das infolge der Terroranschläge vom 11. September 2001 mit Verzögerung einstürzte.
Brand oder Sprengung? Die Frage elektrisiert plötzlich den Saal. Nach offizieller Version wurden viele Teile der durch die Flugzeuge getroffenen Gebäude nebenan in WTC7 geschleudert, es brannte aus. Ganser aber meint: Es muss von innen gesprengt worden sein, nur so ließe sich erklären, dass es innerhalb weniger Sekunden pfeilgerade einstürzte. Das Video mit dieser Szene zeigt er immer und immer wieder.
Nun rattern die Gedanken, Daniele Ganser selbst zieht keine Schlussfolgerungen. Im Internet sind sie leicht zu finden: Die USA hätten das Gebäude selbst gesprengt, etwa weil dort geheime Staatsbedienstete untergebracht gewesen seien. Und wer? Jene, die die Anschläge auf die beiden bekannten Türme organisiert hätten. Die Amis waren es also selbst, nicht Al-Qaida, lautet die These, die verbreitet werden soll.
Gegen das „Merkel-Regime“
Auf taz-Anfrage teilt das Waldorf-Theater Leo 17 mit, dass es lediglich Vermieter sei. Ganser habe sich per Unterschrift bekannt, „keine rechtsextremen, rassistischen, antisemitischen oder antidemokratischen Inhalte“ zu verbreiten.
Das hat er, der vom Hochschul-Wissenschaftsbetrieb ausgeschlossen ist, auch nicht getan. Er lobt aber Internetseiten, die krudeste Verschwörungstheorien verbreiten und wo gegen das „Merkel-Regime“ gehetzt wird. Auf Youtube ist ein Video von 2014 zu sehen, in dem Ganser 80 Minuten lang mit dem von ganz links nach ganz rechts geschwenkten Jürgen Elsässer und mit Karl-Heinz Hoffmann diskutiert, dem Gründer der rechtsradikalen einstigen „Wehrsportgruppe Hoffmann“.
Verstörender als der Fall Ganser ist sein Publikum, 800 Leute insgesamt. Sie applaudieren stehend, als er am Ende „Liebe, Wahrheit, Mut“ beschwört. Am U-Bahn-Eingang unterhalten sich dann zwei junge Männer. „Ein Super-Typ. „Eine supergeile Aura.“ Sie beschließen, etwas trinken zu gehen.
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