Verschiedene Pläne in EU-Ländern: Tankrabatt bleibt strittig
Die Benzin- und Dieselpreise steigen in ganz Europa. Die einzelnen Staaten möchten dem Problem unterschiedlich begegnen.
Es gehe um „schnelle, gezielte und befristete Hilfe“, sagte Lindner in Brüssel. Die sei mit dem Tankrabatt möglich. Andere Vorschläge wie eine Senkung der Mehrwertsteuer hätten kaum Aussicht auf Erfolg, sagte Lindner nach einem zweitägigen Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen. Dies habe auch Finanzminister Bruno Le Maire im Namen des französischen EU-Vorsitzes bestätigt.
In Frankreich wird die Lage mit der Ölkrise 1974 verglichen. Die französische Regierung hatte am Wochenende eine „Remise“ von 15 Cent pro Liter Benzin angekündigt. Diese Stützungsmaßnahme soll am 1. April beginnen und vier Monate dauern. „Wer mit 60 Litern volltankt, spart 9 Euro“, erklärte Premierminister Jean Castex.
Lindner hat nun ganz ähnliche Pläne. Ein „fixer Krisenrabatt“ könnte 30 oder 40 Cent betragen, hatte er am Montagabend im ZDF gesagt. Er könnte schnell und unbürokratisch gewährt werden und würde auch nicht mit den strikten EU-Regeln zur Besteuerung in Konflikt geraten. Allerdings ließ der deutsche Minister offen, ab wann er den „Krisenrabatt“ oder andere Hilfen gewähren will.
Die EU legt sich nicht fest
Auch die EU legte sich nicht fest. Die Finanzminister billigten zwar einen neuen CO2-Grenzausgleich, der dem Schutz der europäischen Industrie vor klimaschädlichen Importen dient. Doch Beschlüsse zu Finanzhilfen für die europäische Wirtschaft lassen auf sich warten.
Keine Luxusgüter mehr
Die Europäische Union hat weitere Sanktionen gegen Russland beschlossen. Diese richten sich vor allem gegen Personen und Organisationen, die in den Krieg gegen die Ukraine verwickelt sind. Das Paket umfasst eine Ausfuhrsperre für Luxusgüter nach Russland, Einfuhrbeschränkungen für bestimmte Produkte der russischen Eisen- und Stahlindustrie sowie ein umfassendes Verbot neuer Investitionen in den russischen Energiesektor.
Zugang zu EU-Finanzmarkt
Der russische Staat sowie russische Unternehmen dürfen zudem nicht mehr von europäischen Ratingagenturen bewertet werden. Ziel der Maßnahme ist es, Russlands Zugang zum EU-Finanzmarkt noch weiter einzuschränken. (dpa)
Das liegt daran, dass die EU-Kommission zögert – und die 27 Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Vorstellungen haben. Während Deutschland nun Frankreich nacheifern und einen Benzinrabatt einführen könnte, fordert Österreich eine Senkung der Steuern auf Benzin und Diesel. Belgien beschloss am Montag ein Maßnahmenpaket, das jedem Haushalt Einsparungen von 300 Euro im Jahr sichern soll – unter anderem durch eine niedrigere Mehrwertsteuer auf Gas. Die belgische Regelung sieht auch einen Nachlass auf Benzin und Diesel von 17,5 Cent pro Liter vor.
Ein einheitlicher, EU-weit abgestimmter Kurs ist nicht in Sicht. Dabei leiden Unternehmen und Bürger nicht nur unter den Folgen der russischen Invasion in der Ukraine, sondern auch an Nebenwirkungen der westlichen Sanktionen.
Wichtige Lieferketten betroffen
Diese „Zweitrundeneffekte“ träfen nicht nur Benzin, Öl und Gas, so Lindner, sondern auch wichtige Lieferketten für die Industrie. Deshalb stehe er einem Energieembargo weiter skeptisch gegenüber. Man müsse nicht nur die Wirkung auf Russland bedenken, sondern ebenfalls die Auswirkungen auf Deutschland. Man müsse abwägen, wie lange man dies durchhalten könne.
Ob Lindners Vorschlag Realität wird, ist unterdessen weiter offen. Denn nachdem am Montag bereits die Grünen deutliche Kritik daran geäußert haben, ging am Dienstag auch die SPD auf Distanz zum Alleingang des Finanzministers. „Ich hätte mir gewünscht, dass der Bundesfinanzminister mit uns gemeinsam in Koalition und Regierung einen abgestimmten Vorschlag auf die Strecke bringt“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Die Koalition werde nun gemeinsam ein sozial ausgewogenes Paket schnüren. Vor einer möglichen Entlastung beim Benzin müsse geklärt werden, ob es sich bei den aktuellen Kraftstoffpreisen nicht um eine Marktmanipulation handele, sagte Mützenich.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz reagierte sehr zurückhaltend auf Lindners Vorstoß. Auf die Frage, was er davon halte, erklärte Scholz lediglich, notwendig seien Maßnahmen, die die Bürger*innen entlasten und sicherstellen, „dass unsere Wirtschaft gut durch diese schwierige Zeit kommt“.
Mitarbeit: Malte Kreutzfeldt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr