Verschärfte Fuchsjagd in Niedersachsen: Nachtsicht statt Nachtruhe

Niedersachsen will seinen Jä­ge­r:innen den Einsatz von Nachtzielgeräten erlauben. Gegner sprechen von einer „Vernichtungsstrategie“.

Tier­schüt­ze­r:in­nen protestieren gegen die Fuchsjagd am Rande des Bundesjägertages in Wolfsburg Foto: dpa

HANNOVER taz | Bislang war die Sache klar: In der Nacht hatte die Tierwelt Ruhe. „Büchsenlicht“ hieß das. Wer jagen wollte, ging in der morgendlichen und abendlichen Dämmerung raus. Dazwischen ging es auch gar nicht, denn mit bloßem Auge sieht man nichts und Nachtzieltechnik war verboten. Im Prinzip ist das immer noch so. Das Bundesjagdgesetz verbietet Nachtzielgeräte und definiert Nacht als „die Zeit von eineinhalb Stunden nach Sonnenuntergang bis eineinhalb Stunden vor Sonnenaufgang“. Niedersachsen will das jetzt aufweichen, durch eine Novelle seines Jagdgesetzes.

Federführend ist das Agrarministerium von Barbara Otte-Kinast (CDU). Paragraf 24 soll Nachtzieloptiken erlauben, auch gegen „Raubwild“. Dazu gehören Marderhund, Nutria und Fuchs. Passiert die Novelle den niedersächsischen Landtag, schlägt auch für sie in Wald und Feld die Stunde der Restlichtverstärker und Wärmebildtechnik. Gegen Wildschweine, gemästet durch unsere Maismonokulturen, wird sie schon eingesetzt, als Ausnahme.

Das Aktionsbündnis Fuchs sieht die Novelle als „Geschenk an die Jägerschaft“ – in Niedersachsen sind im Herbst Landtagswahlen. Belange des Tier- und Naturschutzes würden „mit Füßen getreten“. Tagaktiven Tierarten fehle so die Nachtruhe. Die Novelle wirke, als habe „die Jagdlobby den Politikern den Gesetzestext ins Buch diktiert“. Peter Höffken, Fachleiter bei der Tierrechtsorganisation Peta Deutschland, sieht das ähnlich: „Die Jagdlobby ist stark“, sagt er der taz. „Auch im niedersächsischen Landtag.“

„Alles weg, was Zähne und Krallen hat“

Dort sitzt auch Helmut Dammann-Tamke. Er ist Vizevorsitzender der CDU-Fraktion. Zugleich ist er der Präsident der Landesjägerschaft. In einem offenen Brief, unter anderem an Otte-Kinast, fordern der Wildtierschutzverband und die Bürgerinitiative Pro Fuchs Deutschland die Aussetzung der Novelle – und ein Verbot der Fuchsjagd. In der Jagdsaison 2020/2021 fielen ihr in Niedersachsen fast 61.000 Tiere zum Opfer. Dabei ist der Fuchs gar kein Problem, außer für die Jäger – als Konkurrenz.

Nachtzieltechnik auch gegen Füchse? „Das ist echt übel!“, sagt Johann Beuke von Pro Fuchs, der selbst Jäger ist und trotzdem kritisch: „Offenbar soll alles weg, was Zähne und Krallen hat.“ Dass Jä­ge­r:in­nen sich als Natur- und Artenschützer verkaufen, widert ihn an. „Klar, manchmal pflanzen sie ein Biotop. Aber warum tun sie das? Wenn die Pflanzen ein bisschen größer sind, wird das Areal umstellt. Und was rausläuft oder rausfliegt, wird unter Feuer genommen.“ Beuke spricht von „Vernichtungsstrategien“. Hart sei das, kaum ertragbar.

Das Aktionsbündnis Fuchs nennt die geplante Gesetzesänderung ein „Geschenk an die Jägerschaft“

Aber ein bisschen Schonfrist haben Niedersachsens Tiere noch. Zum 1. April, dem Beginn des neuen Jagdjahres, wird die Novelle nicht in Kraft treten. Es bestehe „noch nicht in allen Punkten Einigkeit“, sagt die grüne Landtagsabgeordnete Miriam Staudte, Vizefraktionsvorsitzende und Sprecherin für Agrarpolitik. Das Gesetz werde „mit einiger Bestimmtheit ins Mai-Plenum kommen“. Je mehr Zeit ins Land geht, desto leichter hat es die Landtagspetition von Wildtierschutzverband und Pro Fuchs. Sie will Nachbesserungen an der Novelle. Käme die wirklich am 1. April: Für viele Lebewesen wäre sie kein Scherz.

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