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„Vernunftkraft“-Chef im MinisteriumKeine Auskunft zum Windgegner

Arbeitet Deutschlands oberster Anti-Windkraft-Lobbyist jetzt auch im Wirtschaftsministerium zum Thema Wind? Der Verdacht drängt sich auf.

Vernunftkraft-Mitglieder protestieren vorm Wirtschaftsministerium – in dem ihr Vorsitzender arbeitet Foto: dpa

Berlin taz | Zur Windenergie hat Nikolai Ziegler eine klare Meinung. Windräder in Deutschland sind für ihn „ökologischer Irrsinn“ und ein „zerstörerischer Rückschritt“, verkündete er schon 2014 in einem Vortrag. Der weitere Ausbau der Windenergie müsse darum sofort gestoppt werden. Für dieses Ziel kämpft der 44-jährige Volkswirt inzwischen als 1. Vorsitzender der bundesweiten Anti-Windkraft-Initiative „Vernunftkraft“.

Dass Deutschland seine Klimaziele ohne den weiteren Ausbau der Windkraft nicht erreichen kann, stört Ziegler nicht. Denn der von ihm geleitete Verein bestreitet nicht nur, dass die deutsche Energiewende irgendeinen Einfluss aufs Klima hat. Er ist auch nicht überzeugt davon, dass der menschengemachte Klimawandel überhaupt existiert. Es gebe auch „Papiere von sehr renommierten Leuten“, erklärte Ziegler kürzlich in einem Interview im ARD-Magazin Monitor, „die das alles sehr kritisch sehen“.

Als „Vernunftkraft“-Vorsitzender und Windkraft-Bekämpfer ist Ziegler in seiner Freizeit tätig. Seine Arbeitszeit verbringt er im Bundeswirtschaftsministerium. Das ist zwar für Energiewende und Windkraftausbau zuständig, aber direkte Berührungspunkte zwischen Hobby und Job gab es in der Vergangenheit nicht: Ziegler arbeitet im Ministerium in der Abteilung „Digital- und Innova­tions­politik“, die mit Energiepolitik nichts zu tun hat.

Doch letzten Sommer soll sich das geändert haben. Nach taz-Informationen hat Ziegler im Ministerium zeitweise den persönlichen Referenten des parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Bareiß (CDU) vertreten – und der betreut unter anderem die Abteilung „Energiepolitik – Strom und Netze“ und hat darum regelmäßig mit dem Thema Windkraft zu tun.

Die Pressestelle des Ministeriums wollte Zieglers neue Aufgabe auf Anfrage weder bestätigen noch dementieren. „Zu konkreten Personalien oder Personalangelegenheiten gibt das BMWi keine Auskunft“, hieß es lediglich. Zudem seien ehrenamtliche Tätigkeiten von Mitarbeiter*innen außerhalb der Arbeitszeit „nicht anzeige- oder genehmigungspflichtig“.

Staatssekretär Bareiß hat der taz am Dienstag am Rand einer Veranstaltung aber bestätigt, dass Ziegler vertretungsweise in seinem Büro tätig war. Über Umfang, Dauer und genaue Tätigkeit machte er keine Angaben. Auf Twitter erklärte er mit Bezug auf die taz-Anfrage anschließend im Ministerium arbeiteten über 2000 Menschen, und für diese gelte: „Jeder hat seine Meinung und ist als Beamter loyal.“

Ziegler selbst dementierte auf taz-Anfrage per Mail seine Teilnahme an zwei konkreten Terminen – am Windgipfel des Ministeriums Anfang September und an einer Sitzung der sogenannten AG Akzeptanz habe er nicht teilgenommen, schrieb er. Die allgemeinere Frage, ob er für das Ministerium Sitzungen mit dem Thema Windenergie besucht habe, beantwortete er anschließend aber nicht, sondern erklärte dazu auf einmal: „Sie fragen nach regierungsinternen Vorgängen, zu denen ich keine Angaben machen darf und möchte.“

Freude über Gesetzentwurf des Ministeriums

Dass Ziegler aktiv Einfluss auf Entscheidungen im Ministerium genommen hat, folgt aus der Tatsache, dass er im Büro des dafür mit­verantwortlichen Staatssekretärs gearbeitet hat, natürlich nicht zwangsläufig. Klar ist aber, dass ihm die jüngsten Vorschläge aus dem Ministerium gefallen. Denn Gesetzentwurf seines Arbeitgebers wird der geplante 1000-Meter-Abstand von Windrädern zu Wohnhäusern so restriktiv ausgelegt, dass auch ein vom Ministerium selbst beauftragtes Gutachten zu dem Schluss kommt, dass ein weiterer Ausbau der Windenergie damit stark eingeschränkt würde.

Und während sich dagegen breiter Protest regt – von Umweltverbänden und dem Bundesverband der Deutschen Industrie über die SPD bis hin zu einzelnen CDU-Abgeordneten – lobt der von Ziegler geleitete „Vernunftkraft“-Verein den Entwurf als „Schritt in die richtige Richtung“ – und freut sich über die absehbaren Konsequenzen: „Sofern diese Maßnahme den Windkraftausbau verlangsamt“, heißt es in einer Stellungnahme, „wäre dies eine sehr gute Nachricht“.

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6 Kommentare

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  • 7G
    75064 (Profil gelöscht)

    Nun erscheint der eigentlich unlogische Widerstand des Wirtschaftsministeriums gegenüber der Windkraft in einem völlig neuen Licht. Bei der Onshore-Windkraft haben diese Herrschaften sich schon durchgesetzt; bei der Offshore-Windkraft sind die Gegner allerdings mächtiger.

    • @75064 (Profil gelöscht):

      In der Tat sehr unlogisch, aber warum macht das kaum Schlagzeilen?

      Noch etwas seltsames,



      TAZ: „Am Samstag wollen Aktivist*innen das Braunkohlerevier (Lausitz)) blockieren. Für ihre Sicherheit kooperieren sie mit antifaschistischen Gruppen.“

      Seltsam:



      Wenn aber (um ihre Immobilienwerte) Besorgte-Bürger-Initiativen (teils von der AfD unterstützt) die Verlegung von Stromtrassen und den Bau von Windkraftanlagen blockieren (Immer mehr Windparks landen vor Gericht – weil Ministerien und Behörden fanatischen Windkraftgegnern besondere Klagerechte einräumen), dann demonstrieren diese grünen Aktivist*innen und Antifa an diesen Brennpunkten nicht.

  • Es ist doch allemal besser, einen die Windkraft kritisch betrachtenden Beamten im Ministerium sitzen zu haben, als einen Windkraft-Fan. Letzterer würde vermutlich nur Fördermillionen unter die Mühlenbetreiber streuen, und sich dafür einsetzen, daß der Mindestabstand zu Behausungen von Menschen reduziert wird.

    • @Der Erwin:

      Auch wenn es Ihnen vielleicht nicht gefällt, mit Windmühlen malte man früher (u.a.) Getreide, die Technik hat sich inzwischen überholt und Förderung gibt es da höchstens noch für museale Restbestände, und das ist auch gut so. Mit Windkraftanlagen erzeugt man heute sehr erfolgreich elektrische Energie, dazu noch extrem preisgünstig. Die aktuelle Regierung macht sich jetzt daran dies zu torpedieren, sie hat ja auch schon erfolgreich die deutsche Solarbranche zerstört, dabei auch um die 100000 Arbeitsplätze ohne Not geopfert. Es ist wirklich traurig zu sehen, daß es Leute wie Sie gibt, die dem auch noch Applaus spenden.

      • @SuedWind:

        Selbstverständlich haben Schutzgüter Priorität vor Privilegien. Das Privileg zum Geld drucken mit einer im Sinne von Klimaschutz kontraproduktiven Parallelstruktur ist z. B. dem Schutz menschlicher Gesundheit unterzuordnen. Und da sind Abstände eine (unzulässig) nicht abschließend geklärte medizinische Frage und nicht politische Verhandlungsmasse, so als gälten elementare Rechte für einzelne Betroffene nicht, und so, als ließe sich der Anspruch auf sie an einer Anzahl von Häusern festmachen. Auch meinen Applaus, obgleich die Erkenntnis, dass verfassungswidrige Regelungen in Gesetzen nicht ewig funktionieren, eher bescheiden ist.

      • @SuedWind:

        Ich spende niemandem Applaus - aber ich freue mich über kritische Beamten, die Steuergelder zusammenhalten. Ein vernünftiger Mindestabstand zu menschlichen Behausungen versteht sich ja wohl von selbst, oder sollen die Menschen unter den Schatten- und Schallemissionen der Windmühlen leiden?



        Und die Solarbranche starb an Lohnniveau und Energiepreisen in Deutschland.