Vermisstes Tauchboot „Titan“: Suche nach Überlebenden geht weiter
Die Zeit, um die Menschen lebend aus dem verschwundenen Tauchboot zu retten, läuft ab. Klopfzeichen geben Anlass zur Hoffnung.
Die „Titan“ war mit fünf Menschen an Bord auf dem Weg zum Wrack des berühmten Luxusdampfers „Titanic“. Das Tauchboot wird seit Sonntagvormittag (Ortszeit) vermisst. Etwa eine Stunde und 45 Minuten nach Beginn des Tauchgangs riss der Kontakt zum Mutterschiff „Polar Prince“ ab.
Experten warnten aber vor Optimismus. Die Geräusche seien zwar eine „wirklich gute Nachricht“, sagte Mike Welham, Spezialist für Marineeinsätze und Autor, dem britischen Sender Sky News. Doch es benötige Zeit, um Spezialausrüstung und geschulte Kräfte für eine Tiefenrettung an den Einsatzort zu bringen. Die genaue Lokalisierung sei zudem ungemein schwierig: Das sei, „als würde jemand ein 50-Pence-Stück auf ein Fußballfeld legen und versuchen, es zu finden“. Das „Titanic“-Wrack liegt in rund 3.800 Metern Tiefe.
An Bord des Tauchboots „Titan“ befindet sich unter anderem der französische Forscher Paul-Henri Nargeolet (77), der als einer der bekanntesten Experten für das Wrack des 1912 gesunkenen Luxusliners gilt und daher den Spitznamen „Monsieur Titanic“ trägt. Weitere Insassen sind der erfahrene britische Abenteurer Hamish Harding (58) sowie der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman. Wie das Oberbayerische Volksblatt berichtete, stammt Dawoods Ehefrau aus Deutschland. Der fünfte Vermisste ist laut Betreiberfirma Oceangate der Unternehmenschef Stockton Rush (61), der als Kapitän des Bootes fungiert habe.
Sauerstoff für 96 Stunden
Die Zeit drängt: Schätzungen der Behörden zufolge dürfte der Sauerstoff nur noch bis Donnerstagmittag (MESZ) reichen. Nach Angaben des Betreibers Oceangate Expeditions hat die 6,70 Meter kleine „Titan“ ausreichend Sauerstoff, um fünf Menschen für 96 Stunden zu versorgen. In der Nähe der „Titanic“ etwa 684 Kilometer südlich der kanadischen Insel Neufundland sind die Bedingungen äußerst schwierig. Es herrscht pechschwarze Dunkelheit, und der Wasserdruck ist groß. Der pensionierte britische Konteradmiral Chris Parry sagte dem Sender LBC: „Ich fürchte, die Chancen sind verschwindend gering.“
Wie es in dem US-Memo weiter hieß, war das Klopfen auch Stunden nach dem Einsatz zusätzlicher Sonargeräte noch immer zu hören. Aus dem Dokument ging jedoch nicht hervor, wann genau und wie lange das Geräusch zu vernehmen war. Ein Update vom Dienstagabend berichtete CNN zufolge von weiteren Geräuschen, die aber nicht mehr als „Klopfen“ beschrieben wurden. Die Laute deuteten aber darauf hin, dass es weiter Hoffnung auf Überlebende gebe. Die US-Küstenwache teilte mit, Tauchroboter seien in das Gebiet entsandt worden, um den Ursprung zu erforschen – zunächst aber ohne Erfolg.
Sogenannte Sonobojen sind ein wichtiges Hilfsmittel bei der Suche unter Wasser. Die Geräte werden von einem Flugzeug abgeworfen und sinken auf die erforderliche Tiefe. Ein Oberflächenschwimmer mit einem Funksender sichert die Kommunikation zwischen Sonar und Flugzeug. Die Sonargeräte senden Schallenergie aus – als „Ping“ bezeichnet – und warten dann auf das zurückkehrende Echo eines Unterwasserobjekts. Sobald das Gerät das Echo auffängt, überträgt es die Informationen zurück zur Oberflächenboje und dann weiter zum Flugzeug. Vom Militär werden Sonobojen zum Abhören eingesetzt – beispielsweise von Geräuschen feindlicher U-Boote.
In Medien kamen zunehmend Zweifel an der Sicherheit der „Titan“ auf. „Wir befürchten, dass der aktuelle experimentelle Ansatz von Oceangate zu negativen Ergebnissen führen könnte (von geringfügig bis katastrophal)“, zitierte die New York Times aus einem Schreiben von Führungskräften der Tauchbootindustrie, das auf 2018 datiert war. Oceangate-Chef Rush wurde in dem Brief aufgerufen, die „Titan“ unabhängig testen zu lassen. Die BBC berichtete unter Berufung auf US-Gerichtsdokumente, ein Oceangate-Mitarbeiter habe 2018 vor potenziellen Sicherheitsproblemen gewarnt. Mängel im Karbonrumpf des Boots könnten ohne strengere Tests unentdeckt bleiben, hieß es da.
Boot wird von außen verschlossen
Das passt zum Eindruck von CBS-Reporter David Pogue, der die Fahrt im vergangenen Jahr mitgemacht hatte. Er sagte der BBC, das Gefährt habe auf ihn einen improvisierten Eindruck gemacht. „Man steuert dieses U-Boot mit einem Xbox-Gamecontroller“, sagte Pogue. Ein Teil des Ballasts bestehe aus Baurohren. Falls das Boot eingeklemmt werde oder Leck schlage, „gibt es kein Backup, keine Rettungskapsel“, sagte er. Selbst wenn das Gefährt an der Oberfläche treiben sollte, kann die Besatzung Berichten zufolge nicht aus eigener Kraft aussteigen. Das Boot wird vor dem Tauchgang von außen zugeschraubt. Das heißt, dass ein Team an der Oberfläche die Luke öffnen muss.
Am Mittwoch waren weitere Schiffe auf dem Weg in das Suchgebiet, das mit rund 26.000 Quadratkilometern größer ist als Mecklenburg-Vorpommern. Darunter war die kanadische „HMCS Glace Bay“, die eine Dekompressionskammer und medizinisches Personal an Bord hat. Verunglückte Taucher müssen nach der Rettung möglichst schnell in eine solche Kammer, um bleibende Schäden zu verhindern.
Die US-Navy schickte das Tiefseebergungssystem „Fadoss“ nach Neufundland. Die Marine beschreibt es als „tragbares Schiffshebesystem, das eine zuverlässige Tiefseehebekapazität von bis zu 27 Tonnen für die Bergung großer, sperriger und schwerer versunkener Objekte wie Flugzeuge oder kleine Schiffe bietet.“ Es kann mit seiner Winde und Seil auf Schiffen installiert werden.
Oceangate bietet zahlungskräftigen Kunden eine abenteuerliche Reise – die Kosten für die insgesamt achttägige Expedition liegen bei 250.000 US-Dollar (229.000 Euro) pro Person.
Die „Titanic“ war 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von Southampton nach New York im Nordatlantik gesunken. Mehr als 1.500 der 2.200 Menschen an Bord starben. Die in zwei große Teile zerbrochenen Überreste des berühmten Luxusdampfers wurden 1985 entdeckt.
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