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Vermeintliche Studie an der Uni HamburgYoutube-Videos als Quelle

Ein Physikprofessor der Uni Hamburg hat eine fragwürdige These zum Ursprung des Coronavirus veröffentlicht. Nun steht auch die Uni in der Kritik.

Fragwürdige „Studie“ beworben: Die Exzellenzuni Hamburg Foto: Bodo Marks/dpa

Hamburg taz | Die Erkenntnis, die der Hamburger Physikprofessor Roland Wiesendanger mit seiner am Donnerstag veröffentlichten 104-seitigen „Studie“ gewonnen haben will, klingt bahnbrechend. Er sei sich sicher, wo die Ursache der Coronapandemie zu finden ist: Es sei ein Labor-Unfall in der chinesischen Stadt Wuhan gewesen.

Dafür sprächen Hunderte Hinweise, die er zusammenrecherchiert habe. Allein: Wiesendangers Theorie fußt auf fragwürdigen Quellen, von Beweisen keine Spur. Die Uni Hamburg, die die Veröffentlichung in großen Worten anpries, steht nun in der Kritik.

Wiesendanger habe sich das vergangene Jahr über mit der weltweit intensiv geführten Frage auseinandergesetzt, wo der Ursprung des Virus liege, heißt es in der Mitteilung der Uni. Zuletzt hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO genau diese Frage zu ergründen versucht. Derzufolge sei es sehr unwahrscheinlich, dass das Virus im Labor entstand.

Abschließend lasse sich dies allerdings weiterhin nicht sagen, da die chinesische Regierung nicht alle notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt habe.

Fragwürdige Quellen

Wiesendanger ist anderer Meinung. „Die Studie basiert auf einem interdisziplinären wissenschaftlichen Ansatz“, schreibt der Autor. Das bedeute, die Studie fuße „nicht auf einer ausschließlich fachspezifischen Sichtweise“. Wiesendanger habe eine umfangreiche Recherche unter Nutzung aller denkbaren Informationsquellen angestellt.

Welche Quellen er konkret nutzte, lässt sich in seinen Literaturnachweisen sehen: So taucht dort etwa die Zeitschrift Epoch Times auf, die als Propagandablatt antikommunistischer Exilchinesen gilt. Hinter der Epoch Times steht Falun Gong, eine Glaubensgemeinschaft, die in China als Sekte verboten ist und dessen deutscher Ableger politisch zwischen der rechten Jungen Freiheit und dem Hetzportal PI-News zu verorten ist.

Weitere Quellen sind, neben wissenschaftlichen Arbeiten, auch Youtube-Videos und Artikel des Magazins Focus.

John Ziebuhr, Virologe und Direktor des Instituts für Medizinische Virologie an der Gießener Justus-Liebig-Universität, wundert sich über das Papier. „Es gibt bislang noch keine Beweise, welches Szenario den Tatsachen entspricht“, sagt Ziebuhr. Weltweit würden For­sche­r:in­nen dazu noch im Dunklen tappen.

Uni bewirbt „Studie“ offensiv

Veröffentlicht wurde das Dokument auf der Plattform Researchgate, auf der Nut­ze­r:in­nen Artikel hochladen können – eine in der Wissenschaft übliche vorherige Begutachtung der Artikel – das sogenannte Peer-Review-Verfahren – wird dort nicht vor der Veröffentlichung verlangt.

Aufmerksamkeit hätte das Thesenpapier wohl nicht erreicht, hätte nicht die Pressestelle der Uni Hamburg in einer Mitteilung auf dessen Existenz verwiesen. Eine „breit angelegte Diskussion“ sei Ziel der Papiers. Gleichwohl, so heißt es in der Mitteilung, liefere das Papier keine „hochwissenschaftlichen Beweise, wohl aber zahlreiche und schwerwiegende Indizien“, die Wiesendangers These bestätigen würden. Viele Medien, vom NDR über das Hamburger Abendblatt bis zur Bild-Zeitung, nahmen die Nachricht schnell und großflächig auf.

Die Kritik an der Uni ist nun groß: Die Veröffentlichung spiele Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ke­r*in­nen in die Hände und schüre anti-asiatischen Rassismus, beklagt der Asta der Uni. Die Arbeit entspreche nicht den wissenschaftlichen Standards.

Der Studierendendachverband FZS (Freier Zusammenschluss von Student:innen­schaften) fordert die Uni auf, sich zu distanzieren. „Es ist ein Skandal, dass an der Uni Hamburg ein Professor unwissenschaftliche Pfuscherei dieser Art nicht nur veröffentlicht, sondern dabei auch noch von der Universität unterstützt wird“, sagt Vorstandsmitglied Jonathan Dreusch. „Das zeigt auch, wie nichtssagend der Status ‚Exzellenzuniversität‘ ist.“

Uni reagiert schmallippig

Die Uni reagiert bislang schmallippig. „Die Hochschulleitung und die Pressestelle der Universität Hamburg üben keine Zensur zu Forschungsgegenständen und -ergebnissen ihrer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus.“

Für die taz war Wiesendanger am Freitag nicht zu erreichen. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur verteidigte er seine Publikation. Unklar ist noch, welche Rolle Uni-Präsident Dieter Lenzen beim Entstehen des Thesenpapiers spielt.

Wiesendanger hatte dem ZDF gesagt, die Veröffentlichung sei zusammen mit Lenzen geplant worden. „Wir haben sehr umfangreich über die Szenarien gesprochen, welche Reaktionen es auf die Veröffentlichung geben wird“, sagte Wiesendanger. Dazu äußerte sich die Uni auf Nachfrage nicht.

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6 Kommentare

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  • Verarschen kann ich mich selber Herr Wiesendanger!

  • Hi Günter,

    ich hab jetzt zwar nicht irgendeine Sekte gegoogelt, aber mal im Ernst, Deine Ansichten sind hier leider zu voreingenommen. Das mit "kommunistischer Diktatur" abzutun ist einfach, aber generell falsch. Denn eine Diktatur hat nix mit Kommunismus, noch mit Demokratie noch Oligarchie, etc. zu tun.



    Lass mal das Gedankenspiel anders zu: in einem amerikanischen Labor geht ein Virus flöten. Ich persönlich gehe davon aus, dass auch dort versucht worden wäre, den Image-Verlust zu meiden und erstmal das ganze selbst in die Hand zu nehmen oder es irgendeiner terroristischen Organisation in die Schuhe zu schieben, gerade wenn die Regierung daran beteiligt wäre. Das soll jetzt bitte nicht als USA-Hass, etc. interpretiert werden, aber zu solchen Vermutungen gibt es leider einfach zuviele Beispiele die die Zuverlässigkeit deren Informationen in Frage stellt!



    Evtl. fühlen sich die beteiligten Menschen dort aber freier etwas dazu zu sagen und es käme trotz Verschleierung schneller ans Licht.

    Um deine Frage zu beantworten: bei den kleinsten Anzeichen, dass jemand im Viertel Corona haben könnte, wurde das gesamt Viertel unter Hausarrest gestellt. Das weiß ich aus zweiter Hand von jemandem dessen Angehörige in China leben.

    Hier und für viele (anscheinend) nicht verständlich, gerade in den skandinavischen Ländern, setzt man hier eher auf die Mitwirkung und das Verständnis (die Bildung?) der Bürger.

    Und ganz, ganz wichtig: einen Beweis für einen Laborvirus gibt es NICHT!

    So eine, in Endeffekt "an den Haaren herbeigezogene" Schlussfolgerung auch nur zu veröffentlichen stellt den Bildungsgrad unserer Wissenschaftler und die Wissenschaft als solches in Frage, nicht das Thema!



    Ab morgen rechnen wir also 1+1=1, das kann man sich halt einfacher merken ;-)

    In diesem Sinne!



    Einen schönen Sonntag wünsch ich Dir!

  • Wenn man Falun Gong googelt..bekommt man erst mal einen gewaltigen Schreck..



    Das Problem ist aber tiefer gelegen. Von einer kommunistische Diktatur kann man halt nicht erwarten, besonders transparent mit den Fakten des Virusausbruchs umzugehen. In der Eindämmung der Pandemie ist man dort jedoch viel erfolgreicher gewesen als hier......warum wohl...?

    • @Günter:

      soso, mal kann man den Fakten einer Diktatur nicht trauen, dann aber plötzlich doch – wenn man die eigene Regierung kritisieren will….



      "Ich bieg mir die Sachen, wie sie mir gefallen "

    • @Günter:

      Was könnte denn eine plausible Antwort auf Ihre Frage sein? Weil die Chinesen das Virus selbst hergestellt haben und deshalb immun dagegen sind? Das würde voraussetzen, dass es gelungen wäre, eine Corona Variante so zu manipulieren, dass sie ganz spezifische epidemiologische Eigenschaften hat und bestimmte Bevölkerungen stärker befällt als andere. Ausserdem müsste man weiter davon ausgehen, dass auch die Symptome und der Krankheitsverlauf den Wünschen der HerstellerInnen entsprechen. All das sind in vielerlei Hinsicht unplausible Annahme und nur, weil man auch die absurdesten Szenarien nie ganz ausschliessen kann, muss man sich doch nicht ernsthaft damit auseinandersetzen.



      Viel naheliegender ist die Erklärung, dass die Umsetzung staatlich verordneter Maßnahmen zur Eindämmung eines Ansteckungsrisikos in einem totalitär regierten Staat effektiver ist als in einem Land mit einer freiheitlich demokratischen Grundordnung.

      • @Marco Del Barba:

        Ihr letzter Absatz beschreibt das Problem recht gut. Jedoch, schauen wir auf das Chaos bei uns.



        Als die erste Welle losbrach hatte die Gesundheitsministerin von Niedersachsen noch Zweifel geäußert ob Masken überhaupt helfen würden. Grund: Es gab keine Masken! In 2013 hatte das Robert Koch-Institut ein Szenario entwickelt, in dem etwa die Bevorratung von Atemschutzmasken gefordert wurde. Anstatt zuzugeben, dass die Politik die Ergebnisse ihrer eigenen Pandemie - Übung verpennt hat, sich bei den Menschen zu entschuldigen, wird erst Mal das Tragen von Masken zerredet. Als dann die Masken(hilfs)lieferungen aus dem Schwellenland China bei uns eintrafen gab es eine Maskenpflicht. Freilich ausgenommen Schulkinder unter 14. Heute sehe ich im Fernsehen die ersten Bilder von geöffneten Schulen..5.-Klässler, alle mit Masken.



        Schauen Sie hier: hier:www.rbb24.de/polit...hutz-szenario.html



        Zitat:



        „Die damaligen Erkenntnisse fanden auch Eingang in den Nationalen Pandemieplan [gmkonline.de](Stand 2.März 2017). Darin formuliert das RKI "Planungshilfen" für Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime: "Bevorratungen" von Atemschutzmasken und anderen Hygieneschutzartikeln werden ebenso angeregt wie Managementkonzepte "für rasche Beschaffung im Ernstfall".



        Zitat Ende



        Meine Mutter 90, ist immer noch nicht geimpft (Kassenpatientin). Die Eltern eines Kollegen sind geimpft (Privatpatienten).



        Was das Impfen angeht, schauen wir nach Israel. Oder in die UK, wo bereits 25% der Leute geimpft sind.