Verleihung des Deutschen Filmpreises: Dollar, Werte und Ich-Schwächen
Nur wenige Lichtblicke gab es bei der Gala zum Deutschen Filmpreis. Der Preisregen für Edgar Reitz' Epos „Die andere Heimat“ war so einer.
Monika Grütters hat eine Schwäche für Mark Twain. Die kurze Rede, die die Staatsministerin für Kultur am Freitag hielt, bevor im Berliner Tempodrom die deutschen Filmpreise überreicht werden sollten, mündete in ein leicht verfremdetes Zitat des US-amerikanischen Schriftstellers: „Kultur ist das, was übrig bleibt, wenn der letzte Dollar ausgegeben ist.“
Grütters (CDU) benutzte das Zitat schon im Januar in einer Rede zu ihren kulturpolitischen Zielsetzungen und lieferte damals ihre Deutung mit: Kultur sei ein „Wert an sich“. Im Tempodrom klang der Satz missverständlicher – so als ob man all seine Dollars auch auf dieses und jenes verwenden könnte, bevor man sie der Kultur zukommen ließe. Wenn überhaupt.
Bernd Neumann (CDU), Grütters’ Vorgänger im Amt des Kulturstaatsministers, war bekannt für seine Vorliebe für den Film und dessen Förderung. Deswegen war er ein gern gesehener Gast bei Veranstaltungen wie der von der Deutschen Filmakademie ausgerichteten Filmpreisverleihung, und im Februar wurde er zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Filmförderanstalt (FFA) gewählt. Zwischen Grütters und der Branche muss das Vertrauen erst noch wachsen.
Iris Berben, die Präsidentin der Filmakademie, betonte in ihrer Ansprache, die Filmschaffenden hielten nichts davon, den Etat des Deutschen Filmförderfonds (DFFF) von 70 auf 60 Millionen Euro zu kürzen, wie es der Bundeshaushalt vorsieht. Was Berben nicht erwähnte, war, dass dieser Etat erst im Jahr 2013 aufgestockt worden war. Die Kürzung bedeutet eine Rückkehr zum Fördervolumen von 2012. Grütters ging im Detail nicht auf den Vorwurf ein, sie suchte Zuflucht in diplomatischen Nullsätzen: Die Verleihung der mit 3 Millionen Euro dotierten Filmpreise sei doch „eine schöne Kulturförderung“.
Lobbyismus und Floskeln
Lobbyismus und Floskeln, offensiv ausgestelltes Selbstbewusstsein bei gleichzeitiger Anspruchshaltung, eingebettet in eine Gala, bei der der Moderator Jan Josef Liefers noch den schlechtesten Witz vom Teleprompter ablas: Wollte man zuspitzen, dies wäre das Resümee des Freitagabends.
Grotesk, wie etwa Heike Makatsch und zwei Schauspielerkollegen die Preise für bestes Szenen-, bestes Kostüm- und bestes Maskenbild überreichten, indem sie diese Gewerke in einer langwierigen Performance schlechtredeten. Sicher, die geballte Missgunst war ironisch gemeint. Aber man fragt sich doch, warum es den Filmakademie-Mitgliedern so schwerfällt, sich selbst zu feiern. Und man fragt sich auch, warum einer der wagemutigsten Spielfilme des letzten Jahres, Philip Grönings „Die Frau des Polizisten“, erst gar nicht für die Endauswahl nominiert war.
Dietl hielt eine listige Dankesrede
Lichtblicke waren selten. Helmut Dietl, der den Ehrenpreis bekam, hielt eine listige Dankesrede. Der Produzent Roman Paul, ausgezeichnet mit dem Bernd-Eichinger-Preis, ignorierte souverän die Begrenzung der Redezeit und gedachte des kürzlich an Malaria verstorbenen Dokumentarfilmers Michael Glawogger. Was die wesentlichen Preise anbelangt, so zeigten die 1.600 Mitglieder der Filmakademie einen Rest an Wertschätzung für den Autorenfilm, indem sie Edgar Reitz’ „Die andere Heimat“ prämierten.
Der vierstündige, von wenigen Farbtupfern abgesehen schwarz-weiße Film erzählt von Menschen im Hunsrück, die im 19. Jahrhundert davon träumen, ihr Glück in Brasilien zu suchen. Er gewann in den Kategorien Drehbuch, Regie und bester Spielfilm. Gert Heidenreich, Reitz’ Koautor, nutzte seine Dankesrede, um daran zu erinnern, dass „Die andere Heimat“ auch eine Aufforderung berge: „Es liegt an uns, diejenigen, die heute ihre Heimat verlassen müssen, zu begrüßen.“
Bora Dagtekins Publikumsliebling „Fack ju, Göhte“ ging, obwohl viermal in den regulären Kategorien nominiert, leer aus; er erhielt nur den Preis „für den besucherstärksten Film“. Sieben Millionen Zuschauer haben Dagtekins Film bisher gesehen, in dem so etwas wie eine versöhnlerische Gegenrede zu Sarrazins Tiraden steckt. Auffällig war, wie gern der Moderator Liefers und die, die die Preise überreichten, den Filmtitel aussprachen, ganz so, als wollten sie sich partout von einem als übermächtig imaginierten bildungsbürgerlichen Kanon lossagen. Zugleich wurde Liefers nicht müde, beflissen Monika Grütters’ Professorentitel zu betonen. Ein Schelm, wer darin ein Nebeneinander von Größenwahn und Ich-Schwäche entdeckt.
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