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Verleger über Nature Writing„Wir sehen nur, was wir wissen“

Nature Writing möchte die Sicht der Menschen auf Natur bereichern. Verleger Klaas Jarchow hat ein Festival organisiert, das sich dem Genre widmet.

Die Spree bei Dissen in Brandenburg: Betonelemente im Flussbett verwirbeln das Wasser. Dadurch steigt die Sauerstoffsättigung an Foto: dpa | Frank Hammerschmidt
Interview von Frauke Hamann

taz: Nature Writing, was genau fassen Sie darunter?

Klaas Jarchow: Der Mensch hat sich von Anbeginn mit der Natur beschäftigt. Wir stellen vor, wie aktuell über Natur gedacht und geschrieben wird. Nature Writing ist ein Genre, das Literatur, Sachbuch und Wissenschafts­texte einschließt.

taz: Wie entstand die Idee eines Nature Writing Festivals?

Jarchow: Wir haben das Nature Writing zum Themenfokus gemacht, um der aufgewühlten, kriegerischen Gegenwart etwas entgegen zu setzen. Kürzlich ist Uwe Radas „Spree“ in den „Essays on Nature and Landscape“ in meinem KJM Verlag erschienen, ein Text über die Spree als literarische und politische Landschaft. Rada ist ebenso Gast des Festivals wie Mona Harry, die mit ihrem „Liebesgedicht an den Norden“ Furore gemacht hat. Auch Katharina Hagena mit ihren „Flusslinien“. Birgit Lutz stellt ihr Spitzbergen vor und Jan Philipp Reemtsma die Heide-Gedanken Arno Schmidts.

Bild: Dennis Williamson/KJM
Im Interview: Klaas Jarchow

1956 in Hamburg geboren, ist Verleger, Autor sowie Gründer des KJM Buchverlags. 2023 hat er die Buchreihe „European Essays on Nature and Landscape“ ins Leben gerufen.

taz: Literatur ist Welterschließung, sie braucht die Natur. Ein so vielfältiges Programm mit Autoren aus Deutschland, Schweden, Österreich, Belarus, Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz zu realisieren, werden Sie vom Verleger zum Festival-Macher?

Jarchow: Da ist viel zu organisieren, aber als Segler bin ich alle erdenklichen Wetter gewohnt – und noch immer wieder in den Hafen eingelaufen.

taz: „Stell deinen Blickwinkel neu ein“, ­slamt Mona Harry. Die Natur ist ein Raum der Imagination, der Sehnsucht, doch sie ist stark gefährdet durch uns Menschen?

Jarchow: Deshalb bin ich überzeugt: Wir müssen naturtüchtig werden! Wir müssen unser Bewusstsein, unsere Wahrnehmung schulen und verändern. Die Natur wird ohnehin überleben. Aber was aus uns wird, ist offen.

taz: Kann Literatur über Natur denn unser Verhalten gegenüber der Natur verändern?

Jarchow: Wir sehen nur, was wir wissen. Erst dann nehmen wir es wirklich wahr. Wenn Thomas Kunadt in „Hügelland“ seine sächsische Heimat am Saum des letzten Eismeeres erkundet, betrachte ich durch ihn diese Landschaft mit anderen Augen.

Das Festival

Nature Writing Festival, 17. bis 21. Juni, Hamburg. Hauptveranstaltungsort sind die Bücherhallen am Hühnerposten. Der Eintritt zu den meisten Veranstaltungen ist frei, um Anmeldung wird gebeten.

taz: Faszination und Furcht, beides gehört zur Natur. Dürren, Waldbrände und Flutkatastrophen – wie bedrohlich ist die Natur?

Jarchow: Die Ringvorlesung „Von Schönheit und Schrecken“ zu Landschaften und Ökologie zielt auf diese Frage – ein Angebot der Uni Hamburg und Teil des Festivals. Auch das Thema Wildnis zieht sich durch unser Programm: die Gefahren, die von Flüssen und Gewässern ausgehen, die Gewalt der See.

taz: Der passionierte Vogel-Beobachter Jonathan Franzen hat über Nature Writing gesagt, um die Menschen für die Erhaltung der Welt zu begeistern, dürfe es nicht nur um Natur gehen.

Jarchow: Franzen hat Recht! Wir wollten ihn übrigens einladen, aber er hatte keine Zeit (lacht). Am schönsten wäre es, wenn das Festival-Publikum bereit wäre, die gewohnten Pfade zu verlassen und sich für neue Naturerfahrungen öffnete. Zum Ausklang tritt Kymat (Sven Meyer) auf, der die elektrische Energie von Pflanzen abnimmt und in Töne verwandelt. Darauf bin ich selber gespannt.

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