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Verlag schmeißt Till Lindemann rausGrober Vertrauensbruch

Nach den schweren Missbrauchsvorwürfen gegen Till Lindemann reagiert nun sein Verlag. Er beendet die Kooperation mit dem Rammstein-Sänger.

Till Lindemann bei einem Auftritt von Rammstein im Dezember Foto: Ismael Rosas/picture alliance

Der Verlag Kiepenheuer & Witsch schmeißt Till Lindemann nach den bekannt gewordenen Missbrauchsvorwürfen aus dem Programm. Das Statement, das der Kölner Verlag, in dem unter anderem die „Gesammelten Gedichte“ des Rammstein-Sängers erschienen sind, am Freitagnachmittag verschickt hat, ist bemerkenswert.

„Mit Erschütterung haben wir in den letzten Tagen öffentlich gewordene Vorwürfe gegen Till Lindemann verfolgt. Unser Mitgefühl und unser Respekt gilt den betroffenen Frauen“, schreibt in einer Pressemitteilung die Verlegerin von Kiepenheuer & Witsch, Kerstin Gleba.

Weiter heißt es: „Im Zuge der aktuellen Berichterstattung haben wir Kenntnis erlangt von einem Porno-Video, in dem Till Lindemann sexuelle Gewalt gegen Frauen zelebriert und in dem das 2013 im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienene Buch ‚In stillen Nächten‘ eine Rolle spielt. Wir werten dies als groben Vertrauensbruch und als rücksichtslosen Akt gegenüber den von uns als Verlag vertretenen Werten.“

Helge Malchow, der Vorgänger von Kerstin Gleba, hatte Lindemann vor einigen Jahren noch gegen den Vorwurf der Verherrlichung sexueller Gewalt verteidigt und auf die Trennung von Autor und lyrischem Ich aufmerksam gemacht.

In der Pressemitteilung von Kerstin Gleba heißt es nun aber: „Wir verteidigen aus voller Überzeugung die Freiheit der Kunst. Durch die Frauen demütigenden Handlungen Till Lindemanns im besagten Porno und die gezielte Verwendung unseres Buches im pornographischen Kontext wird die von uns so eisern verteidigte Trennung zwischen dem „lyrischen Ich“ und dem Autor/Künstler aber vom Autor selbst verhöhnt.

Aus unserer Sicht überschreitet Till Lindemann für uns unverrückbare Grenzen im Umgang mit Frauen. Wir haben uns daher entschieden, die Zusammenarbeit mit Till Lindemann mit sofortiger Wirkung zu beenden, da unser Vertrauensverhältnis zum Autor unheilbar zerrüttet ist.“

Frauen gezielt rekrutiert

Hintergrund dieses Schrittes sind schwere Vorwürfe gegen den Autor und Frontmann der Band Rammstein, den mehrere Frauen erheben. Gegenüber dem NDR und der Süddeutschen Zeitung beschreiben sie, wie zahlreiche junge Frauen offenbar gezielt rekrutiert wurden, um mit dem Rammstein-Sänger Sex zu haben. Zwei Frauen berichten zudem von sexuellen Handlungen, denen sie nicht zugestimmt hätten.

Die Recherchen von NDR und SZ beschreiben ausführlich ein System: Mehr als ein Dutzend Frauen berichtet in Gesprächen mit den Re­por­te­r*in­nen davon, wie sie von mehreren Menschen aus dem Umfeld von Lindemann gezielt angesprochen worden seien, häufig über Instagram oder direkt auf den Konzerten, um zu speziell für Lindemann organisierten After-Show-Partys zu kommen.

Vor wenigen Tagen hatte Shelby Lynn behauptet, am Rande eines Rammstein-Konzertes in Vilnius unter Drogen gesetzt worden zu sein. Auf Social Media entgegnete die Band darauf: „Zu den im Netz kursierenden Vorwürfen zu Vilnius können wir ausschließen, dass sich, was behauptet wird, in unserem Umfeld zugetragen hat. Uns sind keine behördlichen Ermittlungen dazu bekannt.“

Auf Social Media gibt es seit Tagen eine massive Kampagne, die die Band gegen die Vorwürfe verteidigt. NDR und SZ liegt ein Screenshot vor, der zeigt, dass die Kampagne aus dem Umfeld von Lindemann mitgesteuert wird.

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7 Kommentare

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  • Ja, ja, was man unter dem Deckmäntelchen Lyrik und Satire so alles fassen kann, und merkt, dass das alles ernst gemeint war, wenn es zu spät ist.



    Jetzt wird mir klar, dass Herr Lindemann, mit seinen 60 Jahren, ein Beuteschema für unter Anfang 20-jährigen Mädchen hat, wahrscheinlich um das Machtgefälle auch noch durch ein Reife-Gefälle zu erweitern, und um den harten frauenverachtenden Porno und Frauenmissbrauch als Lyrik deklarieren zu können.



    Er trägt mit seinen 60 Jahren die volle Verantwortung für seine systematisierte Vorgehensweise, mit Unreife kann er sich nicht herausreden.



    Daher ist ein Frauen und Mädchenbashing nicht angebracht.

    Warum kann ich eigentlich unzensiert dieses Video aufrufen, da fehlt doch der Jugendschutz?!? Und den so sozialisieren Mädchen dann die Schuld zu geben ist schon ein Klopper.

  • Irgendwie kam mir Rammstein schon immer unheimlich vor...wenn Rammstein von Gewalt und sexistischen Phantasien singt, glaube ich dem durchgeknallten Sänger ebendiese Verwirklichung der Phantasien aufs Wort, das war das, was mich bei dieser Band immer auf Abstand gehalten hat, wenn dagegen der Sänger einer anderen Band aus Köpenick "welche auch schon mal beim Grab Prix Vorausscheid mitmachen durfte"ins Mikrofon grölt "Ding inne Schbauze" oder " ich will nur....", mache ich mir vor Lachen in die Hose, bei Rammstein würde mir das Lachen im Hals stecken bleiben....

  • Das ist nur die Spitze eines Eisberges. Ich hoffe, dass hart durchgegriffen wird. Künstler dürfen keinen Freibrief für solche Dinge haben.

  • Hat jemand noch eine Ausgabe des Maleus Maleficarum? *frage für einen Freund*

  • Wir werden sehen, was bei den Ermittlungen rauskommt. Das Lied, um dessen Video es hier offenbar geht (und das Video selbst) stammen allerdings von 2020. Es wundert mich also ein wenig, dass hier jetzt von einem Vertrauensbruch geschrieben wird - und nicht 2020. Ich finde, der Verlag hätte entweder abwarten sollen, was bei den Ermittlungen herauskommt (wenn diese der Grund sind) - oder die Zusammenarbeit kurz nach Release des Videos 2020 aufkündigen sollen (also 2020, wenn dies der Grund ist). So wirkt es ein wenig, als würde man etwas altes herauskamen, um sich aufgrund von etwas zu distanzieren, das mit diesem Alten eigentlich relativ wenig zu tun hat.

    • @Agarack:

      Wann löste Gleba Malchow ab?

  • Triggerwarnung: Whiteknighting/Sympathiebekundung

    User Tyramizou hat Recht gehabt mit Lindemann! Und auch von mir ein herzliches Mitleid an alle betroffenen Frauen!

    (Triggerwarnung Ende)

    Wollte ja im letzten Thread zu Lindemann kommentieren, aber die Funktion wurde schon deaktiviert.

    Und an Till, tut mir echt leid, aber das hat nicht nur mich, sondern viele andere Fans mal so richtig enttäuscht. Dieser Schritt war nun notwendig. Niemand soll aufgrund seiner Popularität sexuelle Macht an andere Menschen ausüben dürfen. Die Indizien liegen klar auf der Hand und der Verlag hat darauf reagiert.