piwik no script img

VerkehrspolitikGeisel fährt ab

Der Noch-Stadtentwicklungssenator von der SPD kündigt 20 Prozent mehr Busse und Bahnen an. Ohne Auto gehe es aber nicht, gibt er den Grünen mit auf den Weg.

Mahnt seinen Nachfolger, den Autoverkehr nicht zu vergessen: Noch-Verkehrssenator Geisel (SPD) Foto: dpa

Es war wie ein Vermächtnis und zugleich eine klare Ansage an die Grünen, die in den nächsten fünf Jahren sein Ressort besetzen werden: 20 Prozent mehr Busse und Bahnen kündigte Noch-Stadtentwicklungs- und Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD) am Dienstag an – um fast im gleichen Atemzug von einer wichtigen Rolle des Autoverkehrs zu sprechen. „Die alleinige Konzentration auf den öffentlichen Nahverkehr geht nicht“, sagte Geisel bei seinem möglicherweise letzten Auftritt vor Journalisten in dieser Funktion. Grüne und auch Linkspartei hatten in den Verhandlungen vor allem mehr Raum und Gewicht für Bus und Bahn sowie Radfahrer und Fußgänger gefordert.

Offiziell will Geisel seiner Nachfolgerin oder seinem Nachfolger – die Grünen wollen die Frage am Donnerstagabend bei einem kleinen Parteitag beantworten – keine unerbetenen Ratschläge geben. Er betone die Bedeutung des Autoverkehrs nur, „weil ich ja auch Zeitungsleser bin und es dort nur noch um öffentlichen Nahverkehr geht“, sagte der SPD-Mann. Er hatte dabei neben privaten Pkw-Fahrten auch den Wirtschaftsverkehr vor Augen, also Fahrten von Lieferanten, Handwerkern oder anderen Dienstleitern.

Anlass für Geisels Ankündigungen war eine Aktualisierung des Stadtentwicklungsplans Verkehr, in dem quasi die Leitlinien der Verkehrspolitik des Landes stehen. Gegenüber der im Frühjahr 2011 noch vom rot-roten Senat beschlossenen Fassung waren vor allem die Zahlen beim Verkehrsaufkommen nach oben zu korrigieren, weil Berlin entgegen damaligen Erwartungen seither jährlich um rund 40.000 Einwohner gewachsen ist.

Zwar ist dieser Anstieg nach Geisels Zahlen im Wesentlichen bei Bus- und Bahnnutzern, Radfahrern und Fußgängern zu merken. Im Vergleich zu den anderen Fortbewegungsmöglichkeiten habe sich darum der Anteil der Autofahrten am Gesamtverkehr von 33 auf 30 Prozent verringert. Absolut betrachtet ist aber auch die Zahl der Autos stark angestiegen: Über 42.000 mehr als 2011 sind es nach Senatsangaben.

Das Land lässt laut Geisel ohnehin schon neue Fahrzeuge kaufen. „Doch wir brauchen nicht nur neue, sondern auch mehr Fahrzeuge“, ist er überzeugt. Und die sollen größer sein und mehr Leute befördern können. Denn trotz dichterer Taktzeiten, also beispielsweise einen Bus nicht bloß alle zehn, sondern alle fünf Minuten fahren zu lassen, „ist der öffentliche Nahverkehr in der Rush-hour voll“. Geisel geht davon aus, dass das im künftigen Vertrag mit der BVG geregelt wird – der aktuelle läuft 2020 aus.

Zu seiner künftigen Rolle als Innensenator mochte sich Geisel nicht äußern, das gebiete der Respekt vor dem SPD-Landesparteitag. Der soll am 5. Dezember dem rot-rot-grünen Koalitionsvertrag und dem künftigen SPD-Senatspersonal noch zustimmen, bevor das Abgeordnetenhaus Michael Müller am 8. Dezember erneut zum Regierungschef wählt und Müller dann seine Senatorinnen und Senatoren ernennt. „Ich mache meine Arbeit“, sagte Geisel auf die Frage zu seiner Gefühlslage zwischen zwei Ressorts.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Hmm, seit 2011 ist Berlin also um jährlich 40.000 Einwohner gewachsen. Insgesamt also um ca. 200.000.

    40.000 davon haben ein Auto neu zugelassen. 160.000 nicht. Ok, Kinder ziehen wir noch ab.

  • das ist einem berliner schon klar, dass die zustaendigen verkehrspolitiker immer nur in ihrer eigenen parallelunversumsblase leben. aber wenn der zeitungslesende autofahrende noch-verkehrssenator geisel gern nochmal zum ausdruck bringen moechte, dass er angst hat, man koennte als verkehrsteilnehmer in berlin den autoverkehr glatt vergessen: hut ab vor so viel schwachsinn! kleiner tipp herr geisel: fahren sie einfach mal mit dem rad durch berlin, ganz egal wo, dann wird ihnen bewusst werden, dass man bis heute den autoverkehr alles andere als vergessen sondern immer nur und ausmahmslos an genau diesen und naemlich auch an nichts anderes gedacht hat. es wird hoechste zeit, dass sie abgeloest werden, von einer person, die sich mit urbanistik und verkehr auskennt und nicht nur seine entscheidungen mittels morgendlicher zeitungsvibes trifft sondern sich zum beispiel auf einfache daten des statistischen bundesamtes stuetzt. gehts noch, spd!