Verkehrspolitik Berlin: Die Spur der Steine
21 Findlinge in der Bergmannstraße in Kreuzberg sorgen für Zündstoff. Baukammer kritisiert die Verkehrspolitik des grünen Baustadtrats Schmidt.
Ratlos den Kopf schüttelnd, stehen zwei Anwohnerinnen des Bergmannkiezes vor den Steinen. Ist das ein weiteres Manöver des grünen Baustadtrats Florian Schmidt, der den Kiez schon mit grünen Punkten auf der Fahrbahn und Parklets beglückt hat? Die Maßnahmen, die dazu dienen sollen, aus der Bergmannstraße eine verkehrsberuhigte Begegnungszone zu machen, sind in der Anwohnerschaft bekanntlich höchst umstritten. Und jetzt sind da auch noch diese Steine.
Genau gesagt handelt es sich um 21 Findlinge aus der Eiszeit mit einem Gesamtgewicht von 25 Tonnen. „Kreuzbergrocks“ nennt Schmidt die Dinger, die das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg für rund 2.000 Euro einer Kiesgrube in Mecklenburg-Vorpommern abgekauft hat. Seit letztem Mittwoch liegen sie in dem Abschnitt der Bergmannstraße, in den die Friesenstraße mündet. Der Teil der Straße ist wegen des Umbaus der Friesenstraße ohnehin gesperrt. Nur Fußgänger und Radfahrer sind erlaubt. Aber wie das nun mal so ist: Autofahrer sahen in der Sackgasse vor der Markthalle einen Freifahrtschein zum Parken.
Seit die Findlinge dort liegen, ist das nicht mehr möglich. Eine richtig gute Aktion sei das mit den „Rolling Stones“, sagt ein Mann, der sich als Stammkunde der Markthalle bezeichnet. Er habe mehrfach beobachtet, dass Baumaschinen wegen der parkenden Autos nicht hätten durchkommen können. Eine junge Frau, die Brötchen kauend an den Steinen vorbeiläuft, freut sich über die neue Sitzgelegenheit. Ob die Kolosse da jetzt immer liegen bleiben, wie die Berliner Baukammer glaubt? Er könne sich das nicht vorstellen, sagt der Mann. „Das wäre dann doch ein echter Schildbürgerstreich.“
Die Baukammer, eine Vereinigung von Ingenieuren, hat in einer Pressemitteilung erklärt, die Findlinge würden die Verkehrsteilnehmer gefährden. Der Geschäftsführer Peter Traichel zeigte sich am Mittwoch gegenüber der taz überzeugt davon, dass es dem grünen Baustadtrat darum gehe, den Individualverkehr in der Bergmannstraße dauerhaft „auszugrenzen“.
„Typisch Berlin“, kommentiert der Stammkunde der Markthalle die Kritik der Baukammer. Seine Freunde, die sich um einen Tisch in dem Cafe vor der Markthalle gruppieren, nicken. „An den Steinen verletzen – das ja Blödsinn“, lacht einer. „Vielleicht wenn du 2,2 Promille intus hast. Aber dann kann ich mich auch an dem Tisch hier verletzten.“
Sobald die Friesenstraße wieder offen sei, kämen die Steine wieder weg, sagte Baustadt Schmidt am Mittwoch auf Nachfrage der taz. Laut Plan solle das am 31. Juli der Fall sein.
Folgt man den Kreideaufschriften auf der Straße, wird auch das wiederum nicht unbedingt allen gefallen. „Oh Stein, ick liebe dir“, ist da auf den Asphalt gekrakelt. Und einer der Findlinge wurde bereits zum „Stein der Weisen“ erklärt.
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