piwik no script img

Verkehrsclub über einheitliches Ticket„Das E-Ticket allein reicht nicht“

Verkehrsminister Alexander Dobrindt plant ein bundesweit einheitliches E-Ticket für den ÖPNV. Philipp Kosok erklärt, was davon zu halten ist.

Ende des Tarifdschungels durch ein bundesweites E-Ticket? Foto: reuters
Interview von Daniel Böldt

taz.am wochenende: Herr Kosok, das bundesweite E-Ticket soll kommen. Überfällig oder Luftnummer?

Philipp Kosok: An sich ist das E-Ticket ja nicht neu. Viele Verkehrsunternehmen arbeiten bereits seit längerem an solchen Lösungen. Eine bundesweite Einführung ist zu begrüßen, etwa um den Tarifdschungel in Deutschland durchsichtiger zu machen. Derzeit gibt es über hundert verschiedene Verkehrs- und Tarifverbunde in Deutschland.

Im Interview: Philipp Kosok

29, ist Referent für Verkehrspolitik beim ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland (VCD)

Wird der ÖPNV dadurch attraktiver?

Das E-Ticket erhöht vor allem den Komfort für diejenigen, die bereits Bus und Bahn fahren. Das ist sinnvoll, aber nicht die alleinige Lösung. Wir müssen in den kommenden Jahren einen deutlichen Teil des Autoverkehrs in den ÖPNV verlagern. Das geht nur mit neuen Strecken und Angeboten. Das E-Ticket ist in dieser Hinsicht eher eine Zusatzmaßnahme.

Gibt es Erfahrungen aus anderen Ländern?

Dass es ein einheitliches E-Ticket in einem ganzen Land gibt, ist mir persönlich nicht bekannt.

Und in den Bundesländern?

In den meisten Verkehrsverbunden gibt es heute schon ein E-Ticket. Beispielsweise kann ich mit der App der Leipziger Verkehrsbetriebe meinen Fahrschein für die Straßenbahn kaufen, aber auch ein Mietfahrrad oder Carsharing-Auto ausleihen. Wer in Münster in den Bus steigt, muss nur seine Chipkarte an den Sensor im Türbereich halten und bekommt am Ende des Tages automatisch den für ihn günstigsten Ticketpreis abgerechnet.

Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?

Der Fahrgast muss wissen, welche Daten er durch die Nutzung des E-Tickets preisgibt. Es sollten nicht mehr Daten erhoben werden als notwendig. Die Entwicklung der dazu notwendigen System sollte in den Händen der Verkehrsbetriebe liegen. Dazu muss an die Menschen gedacht werden, die ein E-Ticket, aus welchen Gründen auch immer, nicht nutzen wollen oder können. Dass man 2019 beim Busfahrer keinen Papierfahrschein mehr ziehen kann, halte ich für illusorisch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • > Dass es ein einheitliches E-Ticket in einem ganzen Land gibt, ist mir persönlich nicht bekannt.

     

    Sonderlich weit muss man dafür allerdings nicht gucken: In Dänemark gibt es die sogenannte "Rejsekort", die gilt im ganzen Land in allen Bussen und Bahnen.

  • Ich find's supi, wie mit einer Bezahlcard für dies und einer Bezahlcard für das und einer Bezahlcardard für jenes immer mehr Services bequem zusammengelegt werden. Ganz toll wäre es, wenn nach einer Übergangsphase mit Handys voller Bezahlappdingens und Portemonnaies voller Bezahlcarddingens ein Bezahldings herauskommen würde, das universell für alle Sachen, Services und Gelegenheiten genutzt werden könnte. Man könnte es "Hypersupercardapp Paydings 3000" nennen.

     

    Oder "Geldschein."

    • @kami:

      Geldscheine vernichten Arbeitsplätze in der Bezahldingensindustrie, das kann man nicht verantworten.

      • @Ivande Ramos:

        Auch wieder wahr. Dafür hat das Hypersupercardapp Paydings 3000 a.k.a. Geldschein den flachsten Flachbildschirm und besten Datenschutz aller Bezahldingens und ist jahrelang ohne Steckdose einsetzbar!

  • Ach ja, da sieht man wieder, was für eine Rolle der VCD spielt - nämlich gar keine. Wenn der Herr Kosok die OV-Chipcard nicht kennt, dann frage ich mich, was der eigentlich bei diesem merkwürdigen Verein will?

     

    Die OV-Chipcard ist das niederländische Überwachungsinstrument für die Erstellung von Beweglichkeitsprofilen der Bürger. Niederländer sind anscheinend schon lange nicht mehr besetzt worden, anders kann man sich diese Stupidität gegenüber dem neoliberalen Überwachungsstaat nicht erklären. Die OV-Chipcard wird einmal erworben und die entstehenden Fahrtkosten werden vom Girokonto angebucht. Das bedeutet, dass man bei Fahrtantritt und bei dem Ausstieg aus dem Bus ein- und auschecken muss. Die Bahnhöfe sind mit Toren verrammelt, damit ja kein Schwarzfahrer ohne Chipcard den Bahnhof betreten kann. Wenn man umsteigt und dabei den Anbieter wechselt, also von der NS zu Arriva, dann muss auf dem Bahnsteig ausgecheckt und bei Betreten des neuen Zuges eingescheckt werden.

     

    Es gibt auch die anonyme Chipcard. Sie ist teurer, denn Freiheit hat ihren Preis. Da sieht man dass die regierende VVD mit der FDP gleichzusetzen ist. Denn die Privatisierung des Grundgesetzes ist ein alter FDP-Traum. Die anonyme Chipcard bietet auch weniger Service. Die Datensicherheit ist grandios. Die Daten werden in 2 Datenbanken getrennt gesammelt. Einmal die Bank- und Personendaten und in der anderen die Reisedaten. Nur die Polizei darf ungehindert beide Datenbanken zusammenführen. Ein Eldorado für die "Bürger, die nichts zu verbergen haben".

     

    Genau das hat aber Dobrindt und seine Marionettenregierung vor. Denen ist der ÖPNV doch absolut kotgleich. Aber endlich den Bürger auch hier lückenlos zu überwachen, das ist der Traum dieser Oligarchen.

  • Jetzt nach Berlin wird man massiv alles versuchen, um Gefährder besser zu beobachten.

  • Das es anonym geht, sieht man sehr gut in ausländischen Metropolen, bspw. in HKG. Die Octopus Card kann man in jeder U-Bahn-Station ohne Angabe eines Namens erwerben und an Automaten mit Bargeld aufladen.

    • @Ivande Ramos:

      Das ist immer noch der bestmögluche Ansatz, wenn man diese Art E-Ticket will. Wenn das Aufladen mit anonymem Bargeld (das ja abgeschafft werden soll) klappt, dann dürfte "nur" ein Bewegungsprofil des zunächst unbekannten Kartennutzers drin sein. In dem Moment, wo immer dieselbe Person dieselbe Octopus Card nutzt, läßt sich das Bewegungsprofil immer wahrscheinlicher mit der Person verknüpfen. RFID bei Perso und bei E-Ticket und die beide immer wieder zusammen ausgelesen, das ist schon eine sehr gute Verknüpfung. Und wenn das Bargeld mal endlich abgeschafft ist (oder dem Kunden zu unkomfortabel ist), und die Karte am Automaten oder per Abbuchung vom Konto der Person aufgeladen wird, ist es vorbei mit der Anonymität. Da ist eine Monatskarte mit Pauschalbetrag besser. Nur hier schreien wieder die Gerechtigkeitsfanatiker, weil da Vielfahrer gegenüber Wenignutzern massiv bessergestellt wären. Meine Meinung wäre ja kostenloser (= kommunal steuerfinanzierter) ÖP(N)V für alle, aber das scheint als ursozialistisch und damit undurchführbar zu gelten. Es gibt seriöse Rechnungen, DASS es machbar wäre.

      • @Da Hias:

        Man kann aber auch seine Prepaidkarte regelmäßig austauschen, entweder direkt beim Betreiber oder im Freundes- und Bekanntenkreis. Besser wäre es natürlich, bei jedem Aufladevorgang eine neue, zufällig ausgewählte, Karte zu erhalten. Was einem aber schlussendlich auch nichts bringt, weil überall Kameras hängen (es ist zum Verzweifeln).

         

        ÖPNV darf nichts kosten, da stimme ich mit ihnen überein. Es ist auch machbar, wenn man im Gegenzug die individuelle Automobilität verteuert. Keine kostenfreien Parkplätze an öffentlichen Straßen, dazu eine saftig teure Plakette, um überhaupt in der Stadt fahren zu dürfen. Tempo 30 innerhalb geschlossener Ortschaften, Schrittgeschwindigkeit in Wohngebieten, knackige Bußgelder für Temposünder und Falschparker.

         

        Blöd nur, dass Autofahrer auch Wähler sind.