Verhandlungen zur Ukraine-Krise in Berlin: Steinmeier bleibt optimistisch
Bisher sind alle Gespräche für einen Waffenstillstand in der Ostukraine ergebnislos verlaufen. Der deutsche Außenminister ist weiterhin um eine Lösung bemüht.
BERLIN/MOSKAU dpa/ap | Fünf Stunden saßen die Außenminister aus der Ukraine, Russland, Deutschland und Frankreich in der Villa Borsig am Tegeler See zusammen. Erst im Kaminzimmer, dann beim Essen, berieten sie über mögliche Wege zu einem Waffenstillstand in der Ostukraine. Die Berater mussten die ganze Zeit draußen bleiben – damit auch mal ein offenes Wort möglich ist. Für die Zusammenfassung der Marathon-Sitzung benötigte Gastgeber Frank-Walter Steinmeier anschließend ganze zwei Minuten und vierunddreißig Sekunden.
Der entscheidende Satz des deutschen Außenministers: „Aber ich glaube und ich hoffe, dass wir in einzelnen Punkten Fortschritte erreicht haben.“ Viel mehr als kleine Fortschritte waren von der neuen Vermittlungsinitiative Steinmeiers auch nicht zu erwarten. Am Montag blieb allerdings unklar, ob es überhaupt Fortschritte gegeben hat. Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin bestreitet das. „Um Fortschritte zu erzielen, muss man sich wohl noch viele Male für fünf Stunden treffen“, twitterte er.
Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow vermittelte nicht den Eindruck, als hätten sich die Positionen in Sachen Waffenstillstand angenähert. „Die ukrainischen Kollegen rücken von ihren Bedingungen leider nicht ab“, sagte er. Kiew stellt drei Bedingungen für eine Feuerpause: Effektive Grenzkontrollen, damit keine Waffen an die prorussischen Separatisten geliefert werden können; Überwachung der Waffenruhe durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE); Freilassung aller Gefangenen durch die Aufständischen.
Steinmeier hatte schon vor dem Treffen versucht, die Erwartungen möglichst weit herunterzuschrauben. „Wir sind weit weg vom Ende der Spannungen“, sagte er zum Auftakt der Sitzung. Zu oft ist der Optimismus des SPD-Politikers enttäuscht worden. Inzwischen hat er sich ihn ganz abgewöhnt – zumindest was diese Krise angeht. Den neuen Vermittlungsversuch leitete Steinmeier mit einem Spaziergang durch den Garten der Villa Borsig entlang des Seeufers ein.
„Können wir hier vielleicht baden?“
Zu den Nachrichten aus Donezk und Lugansk über anhaltende Gefechte, Flugzeugabschüsse und Dutzende Tote passte das nicht so ganz. Besonders zynisch wirkte die gute Laune Lawrows, der Steinmeier als erstes fragte: „Können wir hier vielleicht baden?“ Steinmeier fand darauf eine Antwort, die auch als Motto für seine Initiative taugt. „If we can, we can“ – „Wir können, wenn wir es können“, sagte er in Abwandlung eines berühmten Zitats von US-Präsident Barack Obama („Yes we can“).
Mit anderen Worten: Wenn wir nur wollten, könnten wir uns endlich mal zusammenraufen und etwas zustande bringen. Die Chance besteht weiterhin. Die vier Außenminister wollen nun mit ihren Staats- und Regierungschefs klären, ob sie eine Basis für weitere Gespräche sehen. Die Entscheidung soll am Dienstag fallen. Eine Fortsetzung der Gespräche wäre für Steinmeier schon ein Erfolg.
Für ihn geht es im Moment vor allem darum, eine weitere Eskalation der Lage zu verhindern. „Die gegenwärtige Situation ist beunruhigend und sie ist schlimm, aber wir dürfen nicht verkennen, es kann noch schlimmer werden“, sagte er am Montag N24. „Und genau das müssen wir verhüten, auch mit solchen Gesprächen und hoffentlich mit genügend Einsicht und Vernunft bei den Konfliktparteien.“
„Viele Menschen wurden getötet“
Die Ukraine hat währenddessen prorussischen Rebellen den Beschuss eines Flüchtlingskonvois vorgeworfen. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Andrej Lyssenko, sagte am Montag: „Viele Menschen wurden getötet, darunter Frauen und Kinder.“ Die Aufständischen hätten zwischen den Orten Switliwka und Chraschtschuwate die vor schweren Kämpfen fliehenden Zivilisten mit Raketen und Mörsern beschossen.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagte derweil, dass der vor der Grenze wartende Hilfskonvoi voraussichtlich bald ins ukrainische Nachbarland fahren werde. Die zwei Orte Switliwka und Chraschtschuwate liegen an einer Straße, die von Lugansk nach Russland führt. Diese Straße würden vermutlich auch die mehr als 250 Fahrzeuge der russischen Hilfsmission benutzen, sollte die Ukraine ihnen den Grenzübertritt gestatten. Lawrow sagte am Montag in Berlin, alle Fragen dazu seien geklärt.
Er erklärte, es sei eine Vereinbarung mit dem Land und dem Internationalen Roten Kreuz getroffen worden, das den Konvoi begleiten soll. Ob sich Lawrow dabei auf Sicherheitsgarantien bezog, die das Rote Kreuz von allen Parteien fordert, war zunächst unklar. Eine Sprecherin des Roten Kreuzes in der Region, in der die russischen Lastwagen geparkt sind, hatte zuvor am Montag gesagt, dass man noch immer auf die Sicherheitsgarantien warte. Die Hilfsorganisation will diesbezüglich auch Zusicherungen von den prorussischen Separatisten in der Ostukraine.
EU-Geld für Einnahmeausfälle
Die EU-Kommission will derweil Obst- und Gemüsebauern helfen, die infolge russischer Importverbote wegen des Ukraine-Konflikts Einnahmeausfälle hinnehmen müssen. Dafür stünden 125 Millionen Euro zur Verfügung, teilte sie am Montag in Brüssel mit.
Russland hatte als Reaktion auf Sanktionen wegen der Krise Einfuhrverbote für Lebensmittel aus der EU verhängt. Die Maßnahme mitten in der Erntezeit führt zu einem Überangebot von Tomaten, Karotten, Paprika, Äpfeln und Birnen, das in der EU die Preise drückt. Die EU-Kommission will nun Produzenten kompensieren, die ihre Früchte gar nicht erst ernten oder verschenken. Russland ist ein wichtiger Exportmarkt für Obst und Gemüse aus der EU.
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