Verhandlungen um Karstadt: Ein Euro für 83 Kaufhäuser
17.000 Mitarbeiter dürfen weiterzittern: Eigentümer Berggruen will angeblich sein Abenteuer mit Karstadt beenden. Ein österreichischer Investor soll übernehmen.
DÜSSELDORF rtr/taz | Am Montag trat urplötzlich die frisch installierte Chefin Eva-Lotta Sjöstedt zurück, am Freitag sorgte eine Meldung über Verkaufsgespräche erneut für Verunsicherung bei den rund 17.000 Mitarbeitern von Karstadt. Eigentümer Nicolas Berggruen verhandele mit der österreichischen Finanzgruppe Signa des Unternehmers Rene Benko über einen Verkauf der Warenhaus-Kette, berichtete die Bild.
Angeblich gibt es eine Option, die Berggruen Immobilieninvestor Benko sowie dem Diamantenhändler Beny Steinmetz eingeräumt habe, sagten Insider zu Reuters. Sie können demnach für einen Euro 75,1 Prozent der kriselnden Karstadt-Stammgesellschaft übernehmen, die die derzeit noch 83 klassischen Warenhäuser betreibt.
Sollte es dazu kommen, wäre Karstadt fast gänzlich in der Hand des Österreichers. Er hat bereits im vergangenen Herbst die Mehrheit am Geschäft von Karstadt Sports und drei Luxuswarenhäusern in Berlin, Hamburg und München erworben hat. Zudem gehören Benko zahlreiche Karstadt-Immobilien. Ob und wann er die Option zieht, blieb zunächst unklar. Stellungnahmen zum Deal gab es zunächst keine.
Das klassische Warenhausgeschäft ist in Zeiten des Internethandels in der Krise. Karstadt schreibt deshalb seit Jahren rote Zahlen und hatte 2009 Insolvenzantrag gestellt. Berggruen erwarb den Warenhauskonzern 2010 für den symbolischen Preis von einem Euro. Seither versucht der defizitäre Kaufhof-Konkurrent, wieder auf Kurs zu kommen.
Ikea-Managerin geht nach nicht mal 5 Monaten
Zuletzt wurde die frühere Ikea-Managerin Sjöstedt für das verbliebene Warenhausgeschäft geholt. Die Hoffnungsträgerin hatte erste Vorschläge für die Neuaufstellung ausgearbeitet. Doch am Montag warf sie nur knapp fünf Monate nach ihrem Amtsantritt das Handtuch. Ihr fehle die Unterstützung Berggruens für ihre Strategie und Investitionspläne, die Voraussetzungen für eine Sanierung seien nicht mehr gegeben, begründete die Schwedin ihren Rücktritt. Laut Bild steht die Aufgabe Sjöstedts im Zusammenhang mit den Verhandlungen zwischen Berggruen und Benko.
Die Verunsicherung im Unternehmen sei groß, sagte Gesamtbetriebsratschef Hellmut Patzelt. Informationen seitens der Eigentümer gebe es nicht. „Ich will wissen, was sind die Hintergründe des Rücktritts von Frau Sjöstedt und was kommt auf uns zu“, sagte Patzelt, der zugleich auch stellvertretender Aufsichtsratschef ist. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Antworten zu bekommen. Ich muss wissen, was das für die Mitarbeiter heißt.“ Er erwarte, dass die Arbeitsplatzsicherheit im Vordergrund stehe.
Ungeachtet aller Spekulationen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens ist das Geschäft Insidern zufolge zunächst gesichert. Branchenkreisen zufolge konnten die Verhandlungen mit den Warenkreditversicherern erfolgreich abgeschlossen werden. Verabredungsgemäß fließen zudem in den nächsten Wochen weitere Mittel von Benko, wie eine mit Karstadt vertraute Person zu Reuters sagte.
„Diese Tranche spielt eine entscheidende Rolle und sichert das Weihnachtsgeschäft ab“, sagte der Insider. „Karstadt ist ein Sanierungsfall, aber nicht pleite.“ Allerdings ist sich Handelsexperte Roeb sicher: „Wenn Karstadt keine finanzielle Unterstützung für die Sanierung von den Eigentümern erhält, ist die Zukunft sehr ungewiss.“
Dass sich kurzfristig ein neuer Vorstand finden lasse, bezweifelte der Insider. Möglicherweise werde auf der Aufsichtsratssitzung Ende Juli darüber entschieden, einen neuen Sanierungsexperten zu verpflichten.
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