Verhandlungen im Schanzenviertel: Zukunft im Hinterhof

Die Besitzer des Schanzenhofes in Hamburg hatten das 3001 Kino zwei Mal abgemahnt. Nach Protesten wollen sie nun den Vertrag verlängern.

Doch noch Hoffnung? Immobilienbesitzer Schommartz bietet dem 3001 Kino einen neuen Vertrag. Foto: dpa

HAMBURG taz | Zufrieden sind die Mieter im ehemaligen alternativen Schanzenhof nicht – egal, ob Neu- oder Altmieter. Seit die Harvestehuder HWS Immobilien GmbH der Gebrüder Maximilian und Moritz Schommartz mit der Umstrukturierung des Areals zwischen Bartels- und Schanzenstraße begonnen hat, ist Unruhe im Hamburger Schanzenviertel ausgebrochen: Demos, Polizeieinsätze, Strafanzeigen, Hausverbote, Videoüberwachung, Gewalt- und Kündigungsdrohungen, so die Bilanz seit Beginn des Jahres.

Die Gentrifizierungsgegner aus dem Viertel wollen weiter protestieren, obwohl das neue Hotel längst eröffnet und die früheren Mieter gekündigt wurden (siehe Kasten). Doch noch steht der Erhalt des Programmkinos 3001 auf der Kippe. Um Druck zu machen, sollen die neuen Mieter am Freitag „nicht zur Ruhe kommen“, heißt es auf einem Flugblatt. Die Demon­stranten rufen erneut zum „Krach Protest“ auf.

Dass es HWS-Inhaber Maximilian Schommartz ernst meint, das einstige SPD-Vorzeigeprojekt rigoros dem Immobilienmarkt anzupassen, daraus hat er keinen Hehl gemacht. Die Verdrängung des Bio-Restaurants und Hotels „Schanzenstern“, die Kündigung des Boxclubs „Epeios“ oder der „Kultur­etage“ sind die Folgen.

Doch nach monatelangen Protesten zeichnet sich im Konflikt um das 3001 Kino vielleicht eine Wende ab. Denn Schommartz gibt sich kompromissbereit. Er bietet dem Kino, das bereits zwei Abmahnungen zur fristlosen Kündigung erhalten hat, plötzlich eine Vertragsverlängerung an. „Das 3001 Kino soll langfristig über 2021 hinaus erhalten bleiben. Auch eine Weiternutzung von Werbeflächen sichern wir hiermit zu“, sagte Schommartz der taz. Eine E-Mail mit diesen Zusicherungen sei dem Kino bereits zugesandt worden. „Gerne stehen wir den Kino-Gesellschaftern für ein Gespräch zur Verfügung“, sagt Schommartz.

Vor mehr als 25 Jahren kaufte die SPD-regierte Stadt das Areal der ehemaligen Montblanc-Füllfederhalter-Fabrik zwischen Schanzen- und Bartelsstraße, um dort in als Vorzeigeprojekt behutsamer Stadtentwicklung alternative Firmen anzusiedeln.

2006 warf der damalige CDU-Senat die Immobilie für drei Millionen Euro auf den freien Immobilienmarkt, um die Stadtkasse zu füllen.

2013 kauften die Gebrüder Maximilian und Moritz Schommartz das Objekt für 8,5 Millionen Euro und kündigten an, die Mieten von 8,50 Euro auf „ortsübliche“ 14 Euro anzuheben.

Gekündigt wurden die Mietverträge in der „Kulturetage“ und der Drogenhilfeeinrichtung „Palette“, die allerdings übergangsweise noch im Schanzenhof verblieben ist. Der Boxclub „Epeios“ hat Anfang des Jahres geschlossen. Noch laufende Verträge haben die Volkshochschule und das Programmkino 3001 bis 2021.

Über eine Verlängerung ihres Pachtvertrages für das Bio-Restaurant und Hotel verhandelten die „Schanzenstern“-Betreiber eineinhalb Jahre mit den Brüdern Schommartz. Diesen zufolge scheiterten die Verhandlungen an einem Renovierungszuschuss in Höhe von 150.000 Euro, für den der Schanzenstern keine Bankbürgschaft vorlegen konnte.

Nachfolger des Schanzenstern ist seit Juli der Hotelier Stephan Behrmann mit seinem „Pyjama Hotel Schanzenhof“, der bereits ein „Pyjama-Park Hostel“ auf der Reeperbahn sowie das „Fritz Pyjama Hotel“ in der Schanzenstraße betreibt. Das Restaurant betreibt Behrmanns ehemalige Mitarbeiterin Jill Bittner als neapolitanische Pizzeria.

Die 3001-Betreiber stehen der Ankündigung skeptisch gegenüber und verweisen auf die Erfahrung ihrer früheren Nachbarn vom Schanzenstern. Diese hatten eineinhalb Jahre lang mit der HWS über einen neuen Pachtvertrag verhandelt. Schommartz hatte jedoch parallel auf den Hotelier Stephan Behrmann und sein „Pyjama Hostel“-Unternehmen gesetzt.

„Wenn Schommartz uns das Angebot schriftlich auf Papier mit einer Unterschrift gibt, sind wir zu einem Gespräch bereit“, sagt, Jens Meyer, einer von vier 3001-Gesellschaftern. Die besagte Mail sei von einer HWS-Mitarbeiterin abgesendet worden. „Die Angestellten wechseln bei Schommartz ja dauernd“, sagt Meyer.

„Feindliche Übernahme“

Im Konflikt um den Schanzenhof gilt zudem der Hotelier Behrmann als Buhmann. Kritiker werfen ihm die „feindliche Übernahme“ des Schanzenstern vor. Daran ändert auch nichts, dass Behrmann es als „schweren Fehler“ bezeichnet hat, sich von Schommartz ausspielen zu lassen. Er hatte dem Schanzenstern zuletzt sogar eine Kooperation angeboten – bis hin zu dem Punkt des Erhaltes, indem er selbst nur noch als Zwischenvermieter aufgetreten wäre. Dies war vom Schanzenstern abgelehnt worden.

Daher stehen Behrmanns „Pyjama Hotel Schanzenhof“ und die zugehörige „Jill Pizzeria“ seit einem Monat unter Polizeischutz: Im Eingangsbereichs hat Behrmann eine Videokamera installieren lassen und bei Bedarf setzt er auch Security-Leute aus dem Kiez-Türsteher-Milieu ein. Das hätte bei der Eröffnung der Pizzeria Jill fast zur Eskalation geführt.

Als die Stadtteil-Aktivistin Claudia Falke zufällig in die nicht öffentlich angekündigte Eröffnungs-Fete im Hof des Schanzenhofs platzte, war sofort die Polizei zur Stelle. Falke soll anschließend von Behrmanns Security bedroht worden sein. „Jetzt haben wir ja deine Daten, dann kommen wir zu dir nach Hause und du kriegst da eins auf die Fresse“, habe man ihr angedroht, sagt Falke. Die Wachleute hätten angegeben, die Personalien von der Polizei vor Ort bekommen zu haben.

Vom Wohlwollen abhängig

Auch die Drogenhilfeeinrichtung „Palette“, die im Konflikt mit Schommartz schnell das Weite suchen wollte, ist derzeit von seinem Wohlwollen abhängig. Denn die neuen Räume der Einrichtung in der Armandastraße sind nicht bezugsfertig, weil das türkische Cafe, dem wegen Mietrückständen gekündigt wurde, nicht auszieht. „Alles, was bei Gericht landet, dauert lange“, sagt Geschäftsführerin Anke Mohnert angesichts der Räumungsklage.

Schommartz duldet die Palette zwar per Mietvertrag mit monatlicher Kündigungsfrist, dennoch ist die Einrichtung leicht unter Druck zu setzen. Etwa als Schommartz der Palette-Betriebsrätin Ulrike Winkelmann wegen einer angeblich ans Haus gesprühten Parole Hausverbot für den Schanzenhof erteilte. Die Palette-Geschäftsführung setzte dieses Hausverbot um, um nicht gekündigt zu werden.

Inzwischen musste die Drogenberatungsstelle vor dem Arbeitsgericht die Maßnahme insoweit korrigieren, dass Winkelmann als Betriebsrätin die Räume im Schanzenhof aufsuchen, aber vorerst nicht an ihren Arbeitsplatz zurückkehren darf. „Wenn uns jemand Räume vermittelt, die wir bezahlen können, ist die Angelegenheit sofort erledigt“ sagt Palette-Geschäftsführerin Mohnert.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.