Verhandlungen der Großen Koalition: Morgen, morgen, nur nicht heute
Die Koalition will den Streit um mehrere Sachfragen erst im Herbst beilegen. Das Thema Flüchtlinge wurde beim Treffen von CDU, CSU und SPD gar nicht angesprochen.
An anderer Stelle in Koalitionskreisen hieß es, es habe ein Dreiergespräch in guter Atmosphäre gegeben. „Wir haben den Fahrplan für alle im Herbst anstehenden Entscheidungen vereinbart.“ Auch sei ein Treffen der Partei- und Fraktionschefs für Anfang Oktober verabredet worden. Ein Gespräch zwischen Merkel und Seehofer sei konstruktiv gewesen. Dort sei es auch um die Flüchtlingspolitik gegangen, allerdings ohne Annäherung bei der Obergrenze.
Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) zeigte sich zuversichtlich, dass sich CDU und CSU am Ende auch über die Flüchtlingspolitik einig werden. Es sei das gute Recht der CSU, jetzt ihre eigenen Positionen zunächst festzulegen, sagte er in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ am Sonntag. Es gebe aber auch viele Aufgaben jenseits der Flüchtlingskrise. Die Wähler beider Parteien erwarteten eine Einigung. „Deshalb bin ich sehr optimistisch, dass wir uns in den nächsten Wochen nicht nur annähern werden, sondern auch gemeinsam bei allen wichtigen Fragen agieren.“ Er setze darauf, dass sich das Thema der von der CSU geforderten Obergrenze durch die stark gesunkene Zahl an neuen Flüchtlingen „möglicherweise von selbst erledigen wird“.
Der CSU-Vorstand hatte am Samstag einen Forderungskatalog in der Flüchtlingspolitik aufgestellt. Darin sind neben einer Obergrenze von 200.000 auch ein „Rückführungskonzept“, ein Burka-Verbot und eine zügige Abschiebung krimineller Migranten enthalten. In einem Einwanderungs-Begrenzungs-Gesetz will die CSU Immigranten aus dem „christlich-abendländischen“ Kulturkreis Vorrang einräumen. Wörtlich heißt es: „Nicht wir haben uns nach den Zuwanderern zu richten, sondern umgekehrt: Wer zu uns kommt, hat sich nach uns zu richten!“ Eine Visaliberalisierung für die Türkei sowie einen EU-Beitritt des Landes lehnt die Partei ab.
Streit um die Obergrenze
Seehofer hatte erklärt, eine Obergrenze von 200.000 sei Voraussetzung für Sicherheit, Finanzierbarkeit und Integration. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, wenn der 200.001. Flüchtling aus einem sicheren Drittstaat komme, „dann hat er keinen Anspruch, aufgenommen zu werden“. Das müsste dann auch niemand prüfen.
Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wies dagegen die Forderung der CSU erneut zurück. „Wir haben in Verfassung gar nicht die Möglichkeit, eine Obergrenze festzulegen“, sagte sie im „Bericht aus Berlin“. Sie widersprach zudem der Darstellung, die Grünen blockierten die schnellere Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern aus Nordafrika. Ihre Partei hätte ein Alternativmodell zur Einstufung Algeriens, Marokkos und Tunesiens als sichere Herkunftsländern vorgelegt und sei bereit, mit SPD und Union darüber zu verhandeln.
Der Bundesrat blockiert die von Union und SPD im Bundestag beschlossene Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsländer um die drei Staaten. Die Zahl von Asylbewerbern aus den Balkan-Staaten waren rapide gesunken, nachdem diese Länder als sichere Herkunftsstaaten eingestuft worden waren.
Ein Jahr vor der Bundestagswahl liegen die Koalitionspartner auch in anderen Politikfeldern über Kreuz. Die Bild am Sonntag zitierte aus einem Brief Gabriels an Merkel und Seehofer, in dem es den Angaben zufolge hieß: „Wir müssen den Beweis antreten, dass die Koalition den Willen und die Kraft aufbringt, den Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft zu festigen.“ Gabriel stelle dort einen Sechs-Punkte-Katalog auf, den die Koalition abarbeiten müsse: Ein Gesetz über Lohngerechtigkeit, Einigung bei der Erbschaftsteuer, Angleichung der Ost-Renten, Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, Beschluss der Lebensleistungsrente und eine Mietrechtsreform.
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