Verhaftungen in der Ukraine: Nationalstaat gegen Nationalisten
Vor den Stichwahlen am 15. November will die ukrainische Regierung das politische Terrain bereinigen. Mit drastischen Mitteln.
Die ukrainische Staatsanwaltschaft wirft Korban, Vorstandsmitglied der nationalistischen Partei Ukrop, die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Entführungen, Schmuggel, Veruntreuung von Spendengeldern und Mord vor.
Mit den veruntreuten Geldern, so eine Sprecherin des Inlandsgeheimdienstes SBU, habe man den Aufbau einer Privatarmee finanziert. Bei einer Verurteilung drohen Korban bis zu 15 Jahren Haft. Ebenfalls am Samstagvormittag hatten die ukrainischen Behörden weitere Partei- und Wahlkampfbüros der Partei Ukrop in Dnipropetrowsk und anderswo durchsuchen lassen.
Dabei habe man, so die Generalstaatsanwaltschaft, im zentralen Parteibüro von Ukrop eine Million Dollar, Kalaschnikow-Gewehre und eine Anlage zum Abhören des Mobilfunknetzes sichergestellt.
Sofort nach Bekanntwerden der Verhaftung des Nationalisten solidarisierten sich Korbans Weggefährten mit diesem. Einem Demonstrationsaufruf folgten noch am gleichen Abend über tausend Bewohner von Dnipropetrowsk.
Zeitpunkt der Festnahme überlegt gewählt
In einem nächsten Schritt planen mehrere Gruppen aus dem „patriotischen“ Spektrum, darunter auch der Rechte Sektor, eine Großdemonstration in Kiew. „Wir bereiten uns vor und reinigen schon die Waffen“ zitiert der Wochenspiegel den Chef des Rechten Sektors, Dmitrij Jarosch.
Auch die Radikale Partei, die „Selbsthilfe“ und die Timoschenko-Partei „Vaterland“ haben Unterstützung für Korban signalisiert. Ganz überraschend scheint die Verhaftung Korbans nicht gekommen zu sein. „Offensichtlich ist man in der Regierung über die unerwartet hohen Ergebnisse der Rechten bei den jüngsten Kommunalwahlen beunruhigt“, mutmaßt der Politologe Wadim Karasew gegenüber der Agentur Unian.
Mit der Verhaftung des Führers der Ukrop-Partei wolle man den Einfluss der sehr starken rechten und patriotischen Bewegung eindämmen. Bisher hatten es die Behörden gescheut, Korban zu verhaften, war er doch ein enger Weggefährte des früheren Gouverneurs Kolomojskyi. Offensichtlich habe es eine Vereinbarung zwischen dem Oligarchen und den Behörden gegeben, Korban nicht zu behelligen. Dann habe Korban aber in Kiew kandidiert. Deswegen sei erst jetzt der Zeitpunkt für dessen Verhaftung gekommen, so die Einschätzung des Politologen Wladimir Fesenko.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt