Verhältnis zu Russland: Armenien geht auf Distanz

Armenien fühlt sich von Russland im Konflikt mit Aserbaidschan im Stich gelassen. Die Absetzbewegungen werden stärker – was den Kreml erzürnt.

Nikol Paschinjan im Gespräch mit Wladimir Putin

Wladimir Putin (rechts) und der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan im November Foto: Sputink/ap

Drohen und erpressen gehört zum Instrumentarium russischer Außenpolitik. Gerade hat Moskau die Stationierung taktischer Atomwaffen in Belarus avisiert, jetzt ist mal wieder Armenien dran. Sollte sich Jerewan „erdreisten“, das Römische Statut zu ratifizieren, und sich damit der Rechtsprechung des Haager Interna­tio­nalen Strafgerichtshofes (ICC) unterstellen, werde das ernsthafte Konsequenzen haben, ist aus dem russischen Außenministerium zu vernehmen.

Die martialische Rhetorik kommt nicht von ungefähr: Nach der Ausstellung des Haftbefehls gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine müsste Armenien den Kremlchef, so er sich in der Südkaukasusrepublik blicken ließe, festsetzen.

Das Szenario ist so abwegig nicht. Das bilaterale Verhältnis war schon besser. Grund ist der bewaffnete Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien um die Region Bergkarabach, der auch die territoriale Integrität Armeniens bedroht. Und dessen selbst ernannte Schutzmacht Russland? Bleibt weitgehend passiv, da bekanntermaßen andernorts beschäftigt.

So fühlt sich Jerewan, auch ob der militärischen Überlegenheit Aserbaidschans, zu Recht im Stich gelassen. Anzeichen für die wachsende Unzufriedenheit sind auch Forderungen nach einem Austritt aus dem von Moskau geführten Militärbündnis „Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit“ (OVKS), die schon seit Monaten laut werden. Sollte das Parlament in Jerewan die Ratifizierung des Statuts auf den Weg bringen, wäre das ein weiteres Zeichen für Absetzbewegungen der Regierung Nikol Paschinjans von Moskau.

Die aktuelle Armenien-Causa zeigt jedoch erneut etwas anderes: Dass Russland auf internationale Rechtsinstitute pfeift und in seinem Hinterhof weiter frei agieren will – zu welchem Preis auch immer. Friedensverhandlungen mit der Ukraine? Die Hoffnung, der Kreml werde sich an Vereinbarungen halten? Von wegen! Wie viel Anschauungsmaterial braucht es noch?

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

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