Vergiftungen in Iran: Neue Proteste, erstmals Festnahmen

Nach mehreren Vergiftungsfällen an Mädchenschulen in Iran werden nun erstmals Festnahmen gemeldet. Die Wut treibt Lehrkräfte und Angehörige auf die Straßen.

2. März: Eine junge Frau im Krankenhaus nach mutmaßlicher Vergiftung Foto: reuters

TEHERAN dpa | In Iran sind Lehrerinnen und Lehrer in mehreren Städten angesichts der jüngsten Vergiftungswelle auf die Straßen gegangen. Videos in den sozialen Medien zeigten Proteste in mehreren iranischen Provinzen. Auf den Versammlungen warfen auch Angehörige den Behörden vor, nicht ausreichend gegen die Vergiftungen an den Mädchenschulen vorzugehen. Bilder und Videos zeigten Proteste unter anderem in den Millionenstädten Tabris und Maschhad, in Isfahan, Schiras, am Kaspischen Meer sowie in den Kurdenregionen.

Augenzeugen berichteten in der Kurdenprovinz von Protesten in Mariwan und Sanandasch. Eltern forderten friedlich mehr Sicherheit für die Schulkinder und warfen den Behörden Ignoranz vor. Berichten zufolge riefen Demonstranten lautstark „Kindermörder“. Die Polizei soll daraufhin mehrere Menschen festgenommen und mit Gewalt gedroht haben.

Die ersten Fälle der mysteriösen Vergiftungen wurden bereits im November gemeldet. Irans Regierung geht von gezielten Angriffen aus. Betroffen sind fast ausschließlich Mädchenschulen. Landesweit wurden Schülerinnen in Krankenhäusern behandelt. Eltern und Angehörige sind empört und wütend. Sie werfen den Behörden Versagen vor und geben ihnen eine Mitschuld. Ärzte sprechen von Gasvergiftungen.

Unterdessen meldeten die Behörden erstmals Festnahmen. Verdächtige in fünf Provinzen seien festgenommen worden, berichtete die Nachrichtenagentur Fars am Dienstag unter Berufung auf den für die Sicherheitskräfte zuständigen Vize-Innenminister, Madschid Mirahmadi. Genauere Angaben zur Zahl der Festnahmen und zu Hintergründen der Verdächtigen gab es zunächst nicht.

Keine Zahlen zum Gesamtausmaß

Am Montag hatte Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei harte Strafen für die Verantwortlichen der Vergiftungswelle gefordert. Chamenei, der in Iran in allen strategischen Belangen das letzte Wort hat, äußerte sich erstmals zu der landesweiten Vergiftungswelle. Er bezeichnete sie als „unverzeihliches Verbrechen“.

Iranische Medien haben inzwischen über mehr als 3.100 Vergiftungsfälle an Schulen berichtet. Dies ergab eine Auswertung von Berichten, die von November bis Anfang März in iranischen Medien erschienen. Offizielle Behördenzahlen zum Gesamtausmaß der Vergiftungswelle gibt es derzeit nicht. Laut der Zeitung Etemad gab es Fälle an mehr als 100 Schulen. Beobachter gehen zudem von einer Dunkelziffer aus.

Irans politische und geistliche Führung steht seit Ausbruch der Proteste im Herbst gegen die repressive Regierung und das islamische Herrschaftssystem massiv unter Druck. Ausgelöst vom Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini im Polizeigewahrsam stürzte Teheran in die schwerste politische Krise seit Jahrzehnten. Die 22-Jährige war vor fast einem halben Jahr wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden.

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