Vergifteter Ex-Spion in Großbritannien: Anti-Terror-Polizei ermittelt
Die Vergiftung eines früheren russischen Agenten und seiner Tochter beschäftigt nun auch die britische Regierung. Der Außenminister warnt Russland.
Der Gesundheitszustand des früheren Doppelagenten Sergej Skripal (66) und seiner 33-jährigen Tochter Yulia, die beide am Wochenende in Salisbury mit einer bisher unbekannten Substanz vergiftet wurden, galt weiterhin als kritisch. In Salisbury wurde unterdessen die Sicherheitszone erweitert, in der Spezialisten verschiedener Behörden mit Schutzanzügen arbeiteten.
Inzwischen hat die britische Anti-Terror-Polizei die Ermittlungen übernommen. Das teilte Scotland Yard am Dienstag mit. Der Vorfall werde bislang aber nicht als Terrortat eingestuft, hieß es einer Mitteilung.
Außenminister Boris Johnson kündigte eine „angemessene und robuste Reaktion“ an, sollte sich der Verdacht auf eine Rolle Moskaus in dem Fall erhärten. Kein Versuch, auf britischem Boden unschuldiges Leben zu nehmen, werde ohne Sanktionen oder ungestraft bleiben, so Johnson.
Kreml will Ermittlungen unterstützen
Moskau fühlt sich zu Unrecht verdächtigt. „Wir haben keinerlei Informationen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow und deutete an, sein Land werde zum Opfer von Verschwörungstheorien. Die Verdächtigung habe „ja nicht lange auf sich warten lassen“. Russland sei aber bereit, die Ermittlungen zu unterstützen, sollte es eine offizielle Anfrage aus Großbritannien geben.
Der frühere Oberst des russischen Militärgeheimdienstes GRU, Sergej Skripal, war in Russland als britischer Spion verurteilt und bei einem Austausch 2010 freigelassen worden. Er lebte unter seinem Klarnamen in Salisbury, wie der Guardian berichtete.
Eine Pizzeria und ein Pub in Salisbury wurden vorübergehend geschlossen und dekontaminiert. Auch der Fundort der beiden Verletzten wurde dekontaminiert. Mehrere Mitglieder der Rettungskräfte wurden nach dem Einsatz untersucht, hieß es in einer Mitteilung der Polizei. Mit einer Ausnahme seien alle inzwischen wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden. Nach derzeitigem Kenntnisstand bestehe für die Öffentlichkeit keine Gefahr.
„Russische Exilanten sind nicht unsterblich“
Mit Hochdruck ermitteln die Beamten, was hinter der mysteriösen Erkrankung stecken könnte. „Wir sprechen mit Zeugen, wir nehmen kriminaltechnische Proben, wir machen toxikologische Untersuchungen“, sagte der Chef der Anti-Terror-Einheit, Mark Rowley, dem Radiosender BBC 4. „Das wird uns helfen, zu einer Antwort zu kommen“. Es handele sich um einen „sehr ungewöhnlichen Fall“. Noch könne er aber keine Details preisgeben.
Rowley bestätigte, dass es in der Vergangenheit verdächtige Todesfälle mit Russland-Bezug gegeben hat. Er warnte aber vor voreiligen Schlüssen. „Ich glaube, wir müssen uns daran erinnern, dass russische Exilanten nicht unsterblich sind, sie sterben alle und es kann eine Tendenz zu Verschwörungstheorien geben“, sagte Rowley. Der Fall des in London vergifteten russischen Ex-Geheimagenten und Kremlgegners Litwinenko zeige aber, dass Wachsamkeit geboten sei.
Litwinenko wurde 2006 vergiftet – in seinem Tee war hochgiftiges Polonium. Britische Behörden machen die ehemaligen Agenten Andrej Lugowoj und Dmitri Kowtun für den Anschlag verantwortlich, die jede Schuld von sich weisen. Sie entzogen sich einem Gerichtsverfahren in Großbritannien und leben unbehelligt in Russland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!