Vergabe des Medizin-Nobelpreises: Gegen Krebszellen wappnen

James P. Allison und Tasuku Honjo entwickelten einen spektakulären Ansatz, gegen Tumorzellen vorzugehen. Solche neuen Therapien sind unabdingbar.

Der US-Forscher James P. Allison

James P. Allison forschte zur Immun-Checkpoint-Inhibition Foto: reuters

Derzeit erkrankt in Industrienationen eine von drei Personen einmal in ihrem Leben an einem Tumorleiden. Und immer mehr Menschen sind von der teils tödlichen Krankheit betroffen. In zwei Jahrzehnten wird laut dem Nobelpreis-Komitee in Stockholm vermutlich jeder zweite Mensch an Krebs leiden. Zwar kann mithilfe von Chemotherapie, Operationen oder Bestrahlung schon vielen Menschen gut geholfen werden. Neue Therapien sind dennoch unabdingbar. Und das war auch einer der Gründe für das Gremium, in diesem Jahr zwei Krebsforschern den Medizin-Nobelpreis zuzusprechen.

Der US-Forscher James P. Allison und der Japaner Tasuku Honjo erhielten den Zuschlag für einen völlig neuen und spektakulären Ansatz, Tumorzellen zu bekämpfen, die sogenannte Immun-Checkpoint-Inhibition. Normalerweise gehen Abwehrzellen nicht ausreichend gegen Krebszellen vor, da einerseits Tumorzellen ihre Bösartigkeit auf verschieden Weise verschleiern und andererseits die Immunzellen (T-Zellen) mit bestimmten Molekülen bestückt sind, die wie Bremsblöcke wirken. Diese verhindern eine überbordende Immunreaktion, die sich auch gegen gesunde Organe wie Darm oder Lunge richten würde. Die Bremsen werden „Checkpoints“ genannt, da sie eine Art Kontrollinstanz bilden.

Allison und Honsu haben nun Checkpoint-Inhibitoren gefunden, die die Bremsen lockern. Die Folge: Die T-Zellen erkennen einen Teil der entarteten Zellen und vernichten sie. Allison führte bereits in den 1990er Jahren erfolgreich Versuche mit krebskranken Mäusen durch, denen er Antikörper verabreichte.

Antikörper und Rezeptoren

Etwa zeitgleich hat auch Honjo Antikörper entwickelt, die andere Rezeptoren auf den T-Zellen zum Ziel haben. Ein Meilenstein in der Immuntherapie war schließlich eine von Allison durchgeführte klinische Studie, die 2010 belegte, dass der Checkpoint-Inhibitor Ipilimumab gegen schwarzen Hautkrebs vorgeht. 2011 wurde der Wirkstoff zugelassen. Seit 2015 ist auch Nivolumab, der auf Honjos Forschung basiert, bei fortgeschrittenem Lungenkrebs als Medikament einsetzbar.

Gegen zahlreiche andere Tumor­arten stehen Immuntherapien in den Startlöchern. Teilweise werden auch beide Wirkstoffe als Kombinations­therapie eingesetzt. Besonders Patienten, die bis vor wenigen Jahren nur eine geringe Überlebenschance hatten, profitieren von den Immuntherapien.

Besonders Patienten, die bis vor wenigen Jahren nur eine geringe Überlebenschance hatten, profitieren von den Immuntherapien.

„Das ist ein völlig berechtigter Preis“, findet Hans-Reimer Rodewald vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). „Patienten können durch die zeitlich begrenzte Therapie sogar eine dauerhafte Immunität entwickeln.“ Der Preis zeige auch, wie wichtig die Grundlagenforschung und auch Tierversuche seien. „In diesem Fall waren sie extrem gut übertragbar“, so Rodewald.

Derzeit beißen sich die Forscher jedoch noch an einer Unklarheit die Zähne aus, die viele Krebstherapien betrifft. Denn nur etwa 20 Prozent der Patienten sprechen auf die „Immun-Checkpoint-Inhibition“ an.

Teuer mit Nebenwirkungen

Zudem sind die neuen Medikamente teuer, und auch die Nebenwirkungen können erheblich sein, wenn das Immunsystem durch die gelösten Bremsen entfesselt ist. „Das wird sich vermutlich auch kaum verhindern lassen, da es im Prinzip der Sache liegt“, meint Rodewald.

Beide Nobelpreis-Träger wurden durch den Krebstod einer vertrauten Person zu ihrer Forschung animiert. Honsu verlor einen Studienfreund an Magenkrebs und Allisons Mutter starb, als er 10 Jahre alt war. Später erlagen einer seiner Brüder sowie zwei Onkel einem Tumorleiden.

Und auch Allison selbst hatte schon eine OP wegen einer Krebsdiagnose, die offenbar frühzeitig genug kam. „Sollten die Geschwulste zurückkommen, würde ich aber sicherlich auf die Immuntherapie setzen“, sagte er in einem Interview.

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