Verfolgungsjagd in Washington: Erschossene Frau war depressiv
Die Amokfahrt einer Frau mit Kind am Bord durch die US-Hauptstadt hatte wohl kein terroristisches Motiv. Die 34-jährige hatte offenbar nicht mal eine Waffe bei sich.
WASHINGTON/NEW YORK dpa/ap | Die bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei in Washington getötete Frau litt nach Angaben ihrer Mutter an einer Wochenbettdepression. Die Krankheit habe bei ihrer Tochter eingesetzt, nachdem sie vergangenen August ein Mädchen zur Welt gebracht habe, erklärte Idella Carey dem US-Nachrichtensender ABC News am Donnerstagabend. „Sie war deprimiert.“ Ihre Tochter habe jedoch keine gewaltsame Vergangenheit gehabt und sie wisse nicht, weshalb ihre Tochter in der US-Hauptstadt war, sagte Carey weiter.
Im Auto der Frau befand sich ein etwa ein Jahr altes Mädchen, vermutlich ihre Tochter. Das Kind wurde bei dem Zwischenfall nicht ernsthaft verletzt, wie aus Ermittlerkreisen verlautete. Die Polizei geht nicht von einem terroristischen Hintergrund aus, die Frau war offenbar auch nicht bewaffnet.
Mitten im vom Haushalts-Shutdown in Atem gehaltenen Washington hatte sich die 34-jährige ein kurzes aber dramatisches Duell mit der Polizei geliefert. Mit einem schwarzen Pkw fuhr sie am Donnerstag erst in eine Sicherheitsbarrikade vor dem Weißen Haus, bevor sie quer durch die Innenstadt in Richtung Kapitol raste. Dutzende Polizeiwagen verfolgten die Autofahrerin.
Sechs bis zwölf Schüsse fielen
Ein Mitarbeiter des Secret Service, der die Gegend um das Weiße Haus bewacht, wurde von dem Wagen getroffen und verletzt. Menschen schrien auf der Straße, weil sie bei dem Crash erst einen Unfall vermuteten, berichtete ein Augenzeuge. 20 bis 30 Polizeiautos hätten sofort die Verfolgung aufgenommen. Sie führte bis zum Washingtoner Kapitol, wo sich Demokraten und Republikaner derzeit im Clinch um den Haushalt befinden.
Wegen des Streits sind seit Dienstag große Teile der öffentlichen Verwaltung lahmgelegt. Viele Behörden sind geschlossen, Touristen sind verärgert über geschlossene Museen und Nationalparks.
Die Straßen rund um das Kongressgebäude wurden abgesperrt, Politiker und Mitarbeiter wurden aufgefordert, das Gebäude nicht zu verlassen und Fenstern fernzubleiben. Auch am Weißen Haus gelten verschärfte Sicherheitsmaßnahmen. Das Kapitol befindet sich im Herzen Washingtons und ist gut zwei Kilometer vom Weißen Haus entfernt; das Kongressgebäude ist Sitz des Senats und des Repräsentantenhauses.
Vor den Türen des Kapitol wurde der schwarze Pkw schließlich von der Polizei in die Zange genommen, wie Bilder des TV-Senders Fox News zeigen. Vor und zurück manövrierte die Fahrerin und rammte dabei auch ein Polizeiauto, während Beamte mit gezogener Waffe um ihren Wagen standen. Sechs bis zwölf Schüsse fielen mit Handfeuerwaffen, so Augenzeuge Frank Schwing. Passanten wurden aufgefordert, in Deckung zu gehen und sich auf den Boden zu legen. Kurz darauf wurden sie evakuiert, berichtet Schwing.
Polizeichefin lobt Einsatz aller Beteiligten
Doch am Kapitol endete die wilde Jagd noch nicht. Die Frau trat aufs Gas und raste erneut durch die Innenstadt, ehe sie mit einem Polizeiauto zusammenstieß. Fotos auf Twitter zeigen den zerstörten Wagen. Ein zweiter Polizist wurde dort verletzt, berichtete Polizeichef Kim Dine bei einer spontanen Pressekonferenz vor Journalisten, während um ihn herum die Polizeisirenen heulten. Sanitäter brachten den Mann auf einer Trage in Sicherheit, mit einem Hubschrauber wurden er ins Krankenhaus geflogen.
Die Chefin der Washingtoner Polizei, Cathy Lanier, erklärte schließlich, die Frau sei durch Schüsse getötet worden. Sie lobte den Einsatz aller Beteiligten: Die Sicherheitsschleusen hätten gut funktioniert. Beteiligt waren Dutzende Beamte von FBI, Secret Service, die für das Kapitol zuständigen Capitol Police und die Washingtoner Polizei.
Erst vor zweieinhalb Wochen wurde die US-Hauptstadt Schauplatz einer blutigen Schießerei. Der 34 Jahre alte Aaron Alexis hatte in einem Kommandozentrum der Marine das Feuer eröffnet und 12 Menschen getötet. Er wurde dann selbst von Sicherheitskräften erschossen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!