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Verfolgung wegen ErotikdrehFlucht ins Pornoparadies

Sie spielte in 60 Sexfilmen mit, ist Mutter dreier Kinder und wird nun in der Ukraine wegen ihrer Pornoauftritte verfolgt. Ein Besuch bei Anastasia Hagen.

„Nach einem Porno will man eigentlich ein Jahr keinen Sex“, sagt Anastasia Hagen Bild: CTK photo/imago

KOUNICE taz | Anastasia Hagen ist 27 Jahre alt, hat drei Kinder und über 60 Pornofilme gedreht. Um ihr Kind zu versorgen, hat sie einst als Pornodarstellerin gearbeitet. Damit wurde sie berühmt. Nun muss sie beweisen, dass auch ein Pornostar eine gute Mutter sein kann.

Journalisten empfängt sie in Pantoffeln in ihrer Küche. Für das Gespräch schickt sie die Kinder nach draußen, für die Fotos nimmt sie sie auf den Arm. Wenn Hagen vor der Kamera posiert und gezielt eine Haarsträhne in ihr Gesicht fallen lässt, dann bekommt man eine Ahnung von dem Pornoprofi namens „Wiska“, der sie war.

Das Internet ist voll von Fotos, Videos und anhimmelnden Kommentaren. Hagen versuchte möglichst viel zu löschen. Aber sie bekommt noch immer Angebote zum Drehen. Auf YouTube hat sie ein Video hochgeladen, wie sie tschechische Weihnachten mit den Kindern verbringt – mit Baum und Geschenken. „Die Leute sollen sehen, dass wir eine ganz normale Familie sind“, sagt sie.

Hagen lebt in Kounice, einem Dorf bei Prag. Auf der Fensterbank steht eine Kamera, die das Familienleben live nach Russland zu ihrem Ehemann überträgt. Der darf nur alle drei Monate als Tourist nach Tschechien einreisen. Ihre drei Söhne Sascha (10), Oskar (4) und Erik (1) betreut sie allein: Kochen, Kindergarten, Hausaufgaben. Hagen scheint bereit alles preiszugeben, egal, was man sie fragt. Trotzdem wirkt sie kühl, sogar schüchtern.

Vielleicht, weil sie immer auf der Hut ist.

Der Asylantrag abgelehnt

In der Ukraine droht Hagen ein Prozess wegen der „Verbreitung von Pornografie“. Als man sie ohne weitere Verdachtsmomente bezichtigte, auch ihre Kinder für das Pornobusiness zu missbrauchen, flüchtete sie 2011 mit ihrer Familie nach Tschechien – in das Land, das als „Pornoparadies“ gilt und wo auch Hagen die meisten Filme gedreht hatte. Hier gehe es liberaler und demokratischer zu als in der Ukraine, dachte sie. Sie bat um Asyl, aber ihr Antrag wurde abgelehnt. Es handele sich weder um politische Verfolgung noch um eine humanitäre Katastrophe, begründete das Innenministerium.

Hagen wehrte sich. Zusammen mit Aktivistinnen von „Femen“ protestierte sie oben ohne vor dem Parlament, den jüngsten Sohn auf dem Arm. Der Fall der „Pornomama“ ging durch die tschechischen Medien – auch die taz berichtete. Eine Prager Flüchtlingsorganisation hilft ihr, die Entscheidung des Innenministeriums anzufechten. Ohne Erfolg. Nun zieht Hagen vor das Oberste Verwaltungsgericht. Das Wohl der Kinder sei das Hauptargument, sagt ihre Anwältin, denn die würden den Eltern in der Ukraine weggenommen und in ein Heim gesteckt.

Mit 16 wurde Anastasia Hagen schwanger, von ihrem jetzigen Ehemann. Für ihn war das geplant, sie war verzweifelt. Ein paar Monate zuvor hatten sie sich kennengelernt, sie 15, er 32, Schmied mit eigener Firma, Haus und mehreren Autos. Er lud sie in ein Café ein, schenkte ihr Aufmerksamkeit, die sie bei den Eltern nicht bekam. Er überredete sie, das Kind zu bekommen. Sie ging mit ihm. Eigentlich wollte sie Textildesignerin werden.

Aleksander hat sie zu vielem in ihrem Leben „überredet“, sagt sie. Selbst zu der Pornokarriere soll er sie, halb im Scherz, angestiftet haben. Bis heute scheint diese Beziehung von blindem Vertrauen geprägt. „Mein Mann hat eine gute Intuition“, sagt sie. „Ich bereue nichts.“ Drei Wochen später ist er zu Besuch bei seiner Familie. Aleksander Hagen ist ein kleiner, drahtiger Mann mit einem Lausbubengesicht, der eine elegante, etwas zu große Schafsfelljacke trägt.

Modeln gegen Komplexe

Er habe sich ein so junges Mädchen ausgesucht, weil er auch im Alter noch eine attraktive Frau haben wollte. Und in Russland würden Frauen spätestens ab 40 dick und unansehnlich. Er spreche gern „offen“ – diesen Satz sagt er mehrmals. Mit 17 brachte er Anastasia in eine Modelagentur. „Damit ich meine Komplexe ablege“, sagt sie. „Damit sie lernte, sich wie eine Frau zu bewegen. Sie kam ja aus einer proletarischen Familie“, sagt er.

Das Modeln, auch für Erotikmagazine, gab ihr Selbstbewusstsein. Sie hatten Swingersex und er schaute gern Pornos. Er bekam Probleme mit der Mafia. Jemand hatte von ihm „Schutzgeld“ erpresst, nichts Ungewöhnliches in der Ukraine, und ihn in einen Versicherungsbetrug verwickelt. Ein Auto wurde in Brand gesteckt und Aleksander Hagen wurde es in die Schuhe geschoben.

Drei Jahre musste er ins Gefängnis. Anastasia Hagen blieb mit ihrem einjährigen Sohn ohne Geld zurück. Sie studierte in Kiew und suchte Arbeit. Mit Kind und ohne Ausbildung war das fast unmöglich. Ein Angebot als Sekretärin lehnte sie ab, als der Vorgesetzte ihr bedeutete, dass sie dann auch seine Geliebte wäre. Sie trug sich auf einer Website ein, um mehr Modelaufträge zu bekommen. Da erhielt sie einen Anruf.

Ob sie in einem Pornofilm spielen würde. Eine Woche in St. Petersburg, 500 Dollar winkten. Mit einem unguten Gefühl sagte sie zu. Ihr Sohn blieb bei einer Babysitterin. Gedreht wurde in einem Haus außerhalb der Stadt. Man sprach Englisch, Hagen nicht. Die erste Szene: anal, zwei Frauen, zwei Männer. Sie tranken Whisky. Hagen erhielt deswegen das Pornopseudonym „Wiska“, aber das erfuhr sie erst Jahre später.

Nie wieder, dachte sie sich

Die Crew war sehr zufrieden mit ihr. Nie wieder, dachte sie sich. Dann kam der nächste Anruf, die Miete stand wieder aus, sie fuhr. Die Bedingungen wurden besser. Sie lernte Englisch und sagte, was sie wollte und was nicht. Die Firma zahlte ihr Flüge zu den Drehs im Ausland. Eine Szene mit mehreren Männern brachte bis zu 1.000 Euro.

40 Minuten müssen am Stück gedreht werden, bis der Mann kommt. Es sei ein Spiel und man spiele eben seine Rolle, sagt sie. In den Videos mit „Wiska“, die man im Netz finden kann, recken sich ihr drei Penisse gleichzeitig entgegen. Einen bedient sie vaginal, einen oral, einen mit der Hand. Es sieht aus wie ein brutaler Sport. „Nach einem Porno will man eigentlich ein Jahr keinen Sex“, sagt Hagen.

Von dem Honorar hatte sie drei Monate ein Auskommen und Zeit für ihren Sohn. „Meine Eltern waren nie für mich da gewesen.“ Sie wollte es anders machen. Vier Jahre zog sie das durch, bis zur Geburt des zweiten Kindes. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere gab sie einige Interviews, zusammen mit Aleksander. Er hatte sie dazu überredet.

Zwei Jahre nachdem Hagen die letzte Szene gedreht hatte, trat in der Ukraine ein Gesetz in Kraft, das Pornografie und ihre Verbreitung unter Strafe stellt. Der Paragraf ist ungenau definiert. Hagen besitzt gar keine Rechte an ihren Filmen. Sie wäre wohl die erste Frau in Europa, die bestraft würde, weil sie in Pornos auftrat. „Man benutzt sie als schwarzes Schaf“, sagt ihre Anwältin. Bis zu fünf Jahre Gefängnis drohen ihr. Auch gegen ihren Mann wird ermittelt.

Die Männer waren erbost

Es ist kompliziert. Die Hagens glauben, hinter den Gängeleien der Polizei stecke ein Mafioso, der sich an Aleksander rächen will, weil der nach seiner Haft dessen Praktiken offengelegt hatte. Möglicherweise aber ist Anastasia auch das schwarze Schaf, weil sie geplaudert hat. Den eigenen Körper verkaufen, das ist für viele Frauen in Osteuropa eine der wenigen Optionen, um an Geld zu kommen.

Hagen sprach aber offen über ihr „Business“. Das erboste die Männer im Staat. Hagen ist die Trägerin der Amoralität, gab der kommunistische Abgeordnete Leonid Gratsch bekannt, als er die Ermittlungen gegen sie einleiten ließ. „Hagen verleitet die Jugend zu nichttraditionellem Sex, indem sie ohne Scham in den Massenmedien über pornografische Handlungen und über ihre Honorare spricht, als wäre es etwas Normales und sogar ein lohnendes Geschäft“ – das ist auf ukrainischen Newsseiten wie der „Russian Region Press Ukraine“ nachzulesen. Dieser Frau war es eingefallen, zuzugeben, dass ihr Körper ihr Kapital ist – und sich nicht dafür zu schämen.

In Kounice weiß inzwischen jeder, dass sie die „Pornomama“ ist. Ein Freund von Sascha, ihrem Ältesten, käme seitdem nicht mehr zum Spielen. Aber es überwiegt Solidarität. Die Bürgermeisterin hält zu ihnen. Eine NGO sammelt seit der Medienaufmerksamkeit Spenden, die Familie Hagen derzeit ernähren. Sogar Pfarrer sprachen sich öffentlich für sie aus. Wenn Hagen abgeschoben und ihren Kindern entrissen werden sollte, wollen sie ihr Kirchenasyl gewähren.

Das hat es in Tschechien noch nicht gegeben. Die Flüchtlingsorganisation, die Hagen unterstützt, hatte der Kirche den Vorschlag gemacht. Hagen hat ein neues Video von sich hochgeladen. Darin tanzt sie, mit Handtuch bekleidet, zu Bob Marley durch ihr Haus. Als wollte sie einen Moment der Leichtigkeit festhalten.

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9 Kommentare

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  • T
    Tereza
  • E
    eloiya

    Nach einem Porno will man eigentlich ein Jahr keinen Sex“, sagt Hagen... und drehte dann 66 Filme in 4 Jahren.

     

    Die schizoide Beschreibung des Business von vielen Ex-Performern irritiert mich.

  • T
    Tereza

    I very much please about sign this petition. We want to help Mrs.Hagen and her family Please help us and share in your country. Thank you very much !!!!!! https://www.change.org/en-GB/petitions/government-of-czech-republic-president-of-czech-republic-give-the-right-of-asylum-to-anastasia-hagen-and-her-family-to-live-free

  • W
    Whiskas

    Sie war immer eine meiner lieblings Darstellerinnen, schön mal wieder was von ihr zu sehen/lesen.

  • W
    WernerHerbertMichael

    "Mit ihrer zarten Gestalt scheint sie bereit, alles preiszugeben, egal was man sie fragt."

     

    Wenn das ein Pornoblatt wäre, könnte ich verstehen, wie so ein Satz durchgeht. Aber bei der Taz? Nancy Waldmann war das, also. Wird mensch wohl nicht mehr viel zu lesen bekommen von ihr...

  • K
    Kritik

    Die Ueberschrift haette ja ein bisschen weniger "Bild"-like gewaehlt werden koennen. Wenigstens ist die "Pornomama" dann im Text in Anfuehungszeichen gesetzt........

  • D
    D.J.

    "In der Ukraine droht Hagen ein Prozess wegen der „Verbreitung von Pornografie“."

     

    Wusste gar nicht, dass es in Europa noch ein solches idiotisches Heuchler-Gesetz gibt (obwohl, einem Teil - bei weitem nicht allen - Feministinnen dürfte es Recht sein, ich erinnere mich da an eine seltsame Kampagne in Deutschland).

    Sollte der Asylantrag abgelehnt werden, empfehle ich einen Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Solange (oder meinetwegen für immer) Asyl in Deutschland.

    Geben wir übergriffigen Einmischern in Lebensentwürfe, gleich ob von rechts oder links oder religiotischer Natur, keine Chance!

  • A
    ama.dablam

    Danke für den heißen Tipp, hätte ich hier nicht erwartet - die Clips sind wirklich nicht schlecht.

     

    So peppen andere Publikationsorgane die drögen Elaborate ihrer schluffigen Redaktionen auch gerne auf.

     

    Femen, übernehmen sie...

  • C
    Celsus

    Interessant dürfte sein, dass zwar die meisten Männer in der Ukraine Poronos sehen dürften - aber wehe es ist mal eine Mutter von Kindern! Was soll aus den Kleinen dann werden? Am Ende schauen die sich später noch Pornos an! Ich wittere da viel Heuchelei und Doppelmoral, die ja ersichtlich nur aus den Reihen der Pornozuschauer seinen Ausgangspunkt finden konnte.

     

    Und jetzt mal ohne Ironie: Das Leben war für diese Frau wohl besonders hart und sie hat das alles nur für ihre Kinder getan. Soll die Frau doch in Ruhe gelassen werden.