Verfassungsschutz vs AfD: Noch mehr Ungemach für AfD?
Gerade erst stellte der Verfassungsschutz den „Flügel“ der AfD unter Beobachtung. Nun könnten weitere Schritte in Sachsen und Brandenburg folgen.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz wirft dem „Flügel“ um Björn Höcke eine Herabwürdigung von Minderheiten, völkisches Gedankengut und eine Relativierung des Nationalsozialismus vor. Das AfD-Sammelbecken ist seit vergangenem Donnerstag als vollwertiges Beobachtungsobjekt eingestuft – auf einer Stufe mit der NPD. Parallel stufte das Thüringer Landesamt Höckes AfD-Verband als extremistischen „Verdachtsfall“ hoch.
Gleiches könnte nun auch in Brandenburg und Sachsen geschehen – denn auch dort dominiert der „Flügel“ die AfD-Verbände. Das Bundesamt benennt bereits den Brandenburger AfD-Chef Andreas Kalbitz klar als „Rechtsextremisten“: Er sei „unangefochten der zentrale Netzwerker des ‚Flügels‘“, agitiere „zentral“ gegen Migranten und zeige eine „Verachtung der derzeitigen demokratischen Ordnung“. Und: Kalbitz weise eine „über Jahrzehnte andauernde Verwurzelung im organisierten Rechtsextremismus“ auf.
Brandenburgs AfD-Chef bei verbotenem Neonazi-Verein
Schon in einem früheren Verfassungsschutzgutachten wurde auf eine Teilnahme von Kalbitz an einem Lager der 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) verwiesen, in der Rechtsextreme ihre Kinder drillten. Laut Spiegel stieß das Bundesamt nun auch auf eine Mitgliederliste der HDJ von 2007, auf der eine „Familie Andreas Kalbitz“ unter der Nummer 01330 geführt wird.
In Brandenburg – wie überall mit Ausnahme Thüringens – wird der von Kalbitz geführte AfD-Landesverband bisher dennoch nur als „Prüffall“ geführt. Das dürfte sich nach der deutlichen Positionierung des Bundesamts ändern.
Das jüngste Vorgehen des Bundesamts für Verfassungsschutz begrüße man ausdrücklich, sagte ein Sprecher im Brandenburger Innenministerium der taz. Man habe darauf „seit geraumer Zeit“ gedrängt. Weitere Einstufungen müssten nun „regional abgestuft erfolgen“. „Daran wird gearbeitet“, so der Sprecher. Und er fügt hinzu: „In Bezug auf Herrn Kalbitz ist das Vorgehen des BfV in sich hoch konsistent und konsequent und fügt sich in das hiesige Bild völlig ein.“
Ähnlich äußert sich auch der Brandenburger Verfassungsschutz. Auch dort wird die Einstufung des „Flügels“ begrüßt – und zwar mit Verweis auch auf das „massive Agitieren und Agieren brandenburgischer ‚Flügel‘-Vertreter“. Also das von AfD-Landeschef Kalbitz und seinen Gefolgsleuten.
Auch in Sachsen könnte eine Hochstufung des AfD-Verbands bevorstehen: Die dortige Parteiführung ist ebenso eng mit dem „Flügel“ verbandelt. Der Verfassungsschutz wirft AfD-Landeschef Jörg Urban Äußerungen vor, in denen er Muslime ausgrenzte, ein „homogenes“ deutsches Volk forderte oder vor Gewalt von Zuwanderer warnte, die „unsere Mädchen zur Schlachtbank“ führten. Zudem gehört auch der Sachse und frühere Richter Jens Maier zu den Führungspersonen des „Flügels“ – der wiederum über „Mischvölker“ ätzte und den deutschen „Schuldkult“ für „beendet“ erklärte.
Sollte der Verfassungsschutz in Sachsen indes die AfD zum „Verdachtsfall“ hochstufen, dürfte die Partei davon nichts erfahren: Anders als in Thüringen darf dies in Sachsen auf dieser Ebene nicht kommuniziert werden.
Die AfD kündigte bereits rechtliche Schritte gegen die Einstufung des „Flügels“ an. „Flügel“-Anführer Höcke beschuldigte den Verfassungsschutz, eine Oppositionspartei zu diffamieren. Auch Kalbitz warf dem Amt „Verleumdung“ vor, die Meldung zur HDJ-Mitgliedschaft sei „schlicht falsch“. Der Verfassungsschutz werde „instrumentalisiert“.
Auch Pegida im Visier
Der Geheimdienst nimmt derweil bereits den nächsten Kandidaten in den Blick: Pegida in Sachsen. Auch deren Anführer Lutz Bachmann bezeichnete Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang als Rechtsextremisten. Im aktuellen „Flügel“-Gutachten wird Pegida nach taz-Informationen bereits als extremistischer „Verdachtsfall“ des sächsischen Verfassungsschutz bezeichnet – eine Beobachtung findet also bereits statt.
Naheliegend ist auch hier nun eine höhere Einstufung. Denn das 2014 in Dresden gegründete Pegida fällt auf seinen Kundgebungen immer wieder mit extremistischen Ausfällen auf. Haldenwang verwies auf eine Rede Bachmanns vom Oktober 2019, in der dieser politische Gegner als „Schädlinge“ und „Volksfeinde“ verunglimpfte. Diese müsse man „in den Graben“ werfen und „zuschütten“. Haldenwang dazu deutlich: „Wir arbeiten hart und entschlossen, damit sich Zeiten, in denen sogenannte Volksfeinde in Gräben zugeschüttet werden, niemals wiederholen.“ Beim sächsischen Verfassungsschutz dürfte dieser Hinweis angekommen sein.
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