Verfassungsschutz und AfD: Rechte hält AfD für unwählbar
Die ehemalige AfD-Landeschefin Doris von Sayn-Wittgenstein warnt vor Spitzeln des schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzes in der Partei.

Mag die AfD nun gar nicht mehr: Doris von Sayn-Wittgenstein Foto: Marcus Brandt/dpa
HAMBURG taz | Die Antworten des Schleswig-Holsteinischen Innenministeriums auf eine kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Doris von Sayn-Wittgenstein laden zu Spekulationen ein: Die ehemalige Landesvorsitzende der AfD und gegenwärtige fraktionslose Abgeordnete wollte wissen, ob Spitzel für den Verfassungsschutz im AfD-Landesverband aktiv sind. Tatsächlich können die Antworten als Bestätigung gelesen werden.
Auf die Fragen Sayn-Wittgensteins antwortet das Innenministerium zwar weitgehend ausweichend. Nur eine von fünf Fragen Sayn-Wittgensteins beantwortet es eindeutig: Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) in Kiel habe „Kontakt zu Mitgliedern“ der AfD aufgenommen. Personen seien angesprochen worden, schreibt das Innenministerium, „mit dem Ziel die verfassungsfeindlichen Bestrebungen eines völkisch-nationalistischen Personenzusammenschlusses in der AfD aufzuklären“.
Sayn-Wittgenstein wollte allerdings auch wissen, ob AfD-Mandatsträger:innen im Landtag oder in den Schleswig-Holsteinischen Kommunen die Verfassungsschützer:innen mit Informationen versorgen. Gleiches wollte sie auch über AfD-Kandidat:innen für die anstehende Landtagswahl am 8. Mai in Erfahrung bringen.
Das Innenministerium aber betont, dass die Offenlegung solcher Informationen dem „Schutz der Interessen Einzelner“ zuwiderliefe und eine Beantwortung „nicht im öffentlichen Interesse“ liege. Eine Beantwortung der Frage würde Informationen preisgeben, die „im besonderen Maße das Staatswohl berühren“.
Geheimhaltung hat Priorität
Hinzu schreibt das Innenministerium aber auch, dass es nicht nur um den Schutz jener Personen gehe, die den Verfassungsschutz mit Informationen versorgen. Man wolle auch verhindern, dass „Arbeitsweise und Funktionsfähigkeit von Geheimhaltungszusagen“ bekannt werden.
Die Antworten können insofern als Bestätigung für geheimdienstliche Aktivitäten gelesen werden. Überraschend wäre das nicht: 2020 erwähnte das LfV erstmals die AfD in seinem Tätigkeitsbericht. Aufgrund dieser Tatsache gilt der Einsatz geheimdienstlicher Mittel, wozu das Anwerben von Vertrauenspersonen gehört, als wahrscheinlich.
Dass die Antworten der AfD schaden, betont Sayn-Wittgenstein nun öffentlich – stören dürfte sie das nicht: Die enge Nähe der Abgeordneten zu rechtsextremen Netzwerken und Vereinen kostete sie die AfD-Fraktionszugehörigkeit und später sogar die Parteimitgliedschaft. Der Konflikt schwelt seit 2018 im Landesverband. Trotz Ausschluss wurde sie als Kandidatin für die anstehende Landtagswahl am 8. Mai vorgeschlagen, was keine Mehrheit fand. Die anhaltenden Machtkämpfe offenbarte dieser Vorschlag dennoch.
In einer Mitteilung liefert Sayn-Wittgenstein nicht bloß die Interpretation, dass „Verfassungsspitzel“ im Landtag säßen. Sie warnt auch vor Kontakt mit der AfD: Bürger:innen, die sich vertraulich an AfD-Abgeordnete wenden, müssten nun damit rechnen, „weitergemeldet“ zu werden.
Attacke auf die ehemaligen Parteifreunde
Schuld dafür würden ihre Widersacher auf Bundesebene tragen. So raunt sie, dass der AfD-Ehrenvorsitzender Alexander Gauland „im Auftrag der Dienste“ einen erfolgreichen Aufbau der AfD in Schleswig-Holstein „mit teils erfundenen oder unanständigen Angriffen“ habe verhindern wollen.
In der Erklärung zieht sie als „Fazit“: eine „unabhängige, nur dem Wähler verpflichtete“ AfD gebe es nicht mehr, die im Landtag „politisch effiziente Arbeit“ leisten könnte. Ihre Konsequenz: Die AfD sei darum am 8. Mai „nicht wählbar“. Das dürfte nicht nur den AfD-Spitzenkandidaten Jörg Nobis verstimmen.
Leser*innenkommentare
Andreas_2020
"In der Erklärung zieht sie als „Fazit“: eine „unabhängige, nur dem Wähler verpflichtete“ AfD gebe es nicht mehr"
Wer sich die Entstehungsgeschichte der AfD anschaut, der wundert sich, wie lange die Frau brauchte, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Schon unter Bernd Lucke wurden zweifelhafte, wohl illegale Methoden benutzt, um die Partei erfolgreich an die Urnen zu bringen. Inhalte damals: Die DM zurück, Gewerkschaften klein machen, die Angebotsorientierung in der Wirtschaft durchpeitschen und den Neoliberalismus hart durchsetzen. Dazu noch eine Portion Ausländerfeindlichkeit bzw. Angst vor Überfremdung schürren. So ist die Partei gestartet, jetzt geht sie in den inneren Bereich des Rechtsextremismus und könnte dennoch mit 5,5 Prozent im Parlament bleiben.
Die von Bernd Lucke mal begonnene extreme Partei für die Extremreichen wird immer mehr zu einem Seismograph der Frustrierten, die ihren Frust durch Rechtswählen artikulieren. Das wird dann beobachtet und der Geheimdienst bezahlt auch einige seiner Quellen, manchmal sogar ganz gut. Solche Mittel fließen auch oft wieder in die Strömmungen und Parteien, die eigentlich bekämpft werden sollen. Das Ganze verheißt einfach nichts gutes. In der taz muss ich allerdings auch niemanden warnen, diese Partei zu wählen. Allerdings erzeugen Geheimdienste in Deutschland fast immer mehr Probleme, als sie überhaupt bekämpfen können. Das ist auch eine bittere Wahrheit.
cuba libre
Genau! Monarchie mit Leibeigenen ist das wahre Staatssystem.
Ruediger
Dass Gauland im Auftrag des Verfassungsschutzes Landesverbände der AfD kontrolliert und aufbaut, könnte ich mir bei der Nähe des ehemaligen Chefs des Verfassungsschutzes zu dieser Partei sogar vorstellen. Aber ihn als "Verfassungsspitzel" zu bezeichnen, geht zu weit, dafür hat er mit unserer Verfassung zu wenig am Hut.