Verfassungsschutz beschäftigt sich: Fotojournalistin ausspioniert
Die Fotografin Marily Stroux wird seit über 25 Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet – als „bedeutende Person innerhalb der linksextremistischen Szene“.
Vor drei Jahren hatte die Hamburgerin griechischer Herkunft mit dem Gedanken einer Einbürgerung gespielt, nachdem SPD-Bürgermeister Olaf Scholz alle lange in Hamburg lebenden Migranten anschreiben ließ. „Das war für mich vorher nie ein Thema, aber wegen der Euro-Krise war mir der Gedanke gekommen, dass man mich abschieben könnte, wenn Griechenland nicht mehr zur EU gehört.“
Über ihre Anwälte Ünal Zeran und Carsten Gericke beantragte Stroux beim Hamburger Verfassungsschutz, der bei Einbürgerungen von den zuständigen Behörden regelhaft eingeschaltet wird, Auskunft darüber, ob personenbezogene Daten über sie gespeichert sind.
Antwort nach drei Jahren
Jetzt, drei Jahre später, hat Stroux Antwort bekommen. Über sie seien Daten im nachrichtendienstlichen Informationssystem Nadis der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern erfasst. Dem Inlandsgeheimdienst lägen „Erkenntnisse vor, die tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht begründen“, dass Stroux sich „zumindest seit 1988 an Aktivitäten linksextremistischer Bestrebungen beteiligt“ habe. Als Indiz nennt der Inlandsgeheimdienst ihr Engagement im „Initiativkreis für den Erhalt der Hafenstraße“, dem Mitte der 1980er-Jahre auch Richter, Anwälte, Promis, Politiker, Polizisten, Pastoren, Künstler und Hochschulprofessoren angehörten, der sich damals für den Erhalt der besetzten Häuser am Hafenrand einsetzte.
In der Tat war Stroux in den Jahren als taz-Fotografin bei Polizeieinsätzen zugegen gewesen und gehörte während der notstandsmäßigen „Barrikadentage“ von 1987 zu einer Handvoll Journalisten, die Zugang zur verbarrikadierten Häuserzeile und den Bewohnern hatten.
Dass nach dem Befriedungsvertrag und dem Rücktritt von Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) der Konflikt nicht zu Ende sein werde, war für die Dokumentarin klar, sodass sie die Entwicklungen fotografisch weiter hautnah verfolgte. Später sollte sie für ihre Fotodokumentation „Das Leben in der Hafenstraße“ Auszeichnungen der Hochschule für bildende Künste und der Patriotischen Gesellschaft in Hamburg bekommen.
Engagement für Geflüchtete
Dass sich Stroux sowohl journalistisch als auch persönlich für die Situation von Geflüchteten engagierte, die in Hamburg bis Anfang 1993 auf Wohnschiffen am Fischmarkt untergebracht waren, ist ebenfalls für den Geheimdienst linksextrem verdächtig. Für ihre Ausstellung über das „Wohnen auf den Flüchtlingsschiffen“ erhielt sei einen Preis der Wohlfahrtsverbände. Und auch dass Stroux die Arbeit der Initiative „Kein Mensch ist illegal“ begleitete und unterstützte, wird vom Verfassungsschutz als ein Indiz für ihre Verfassungsfeindlichkeit genannt. So gibt es detaillierte Berichte in Strouxs Geheimdienstdossier über Aktionen gegen die Innenministerkonferenz in Hamburg 2010, der Gründung der „Antira-Kneipe“ in der Hafenstraße oder über inhaltliche Differenzen bei dem internationale No Border Camp 2009 auf der griechischen Insel Lesbos. „Diese Informationen kann der Verfassungsschutz nur von Maria (die Spionin Maria Block, Anm. d. Red.) haben, die auf Lesbos dabei gewesen ist“, so Stroux.
Es ist davon auszugehen, dass die 31 aufgezählten Ereignisse, die die Verfassungsschützer zu der Bewertung veranlassen, dass Stroux als „bedeutende Person innerhalb der linksextremistischen Szene gewertet“ werden müsse, nicht die einzigen Daten sind, die noch von ihr gespeichert sind – zumal die offizielle Sammlung völlig fehlerhaft ist. „Da sind Sachen aufgelistet, wo ich zum Zeitpunkt nachweislich in Griechenland war,“ sagt Stroux. So behandelt der Inlandsgeheimdienst Datensätze als Verschlusssache, da sonst „Nachrichtenzugänge des Verfassungsschutzes gefährdet sein können“.
Stroux hält die Überwachung einerseits für lächerlich: „Vor was haben die eigentlich Angst?“, fragt sie. „Während die Nazis ungestört Flüchtlingsunterkünfte angreifen und Menschen ermorden, werden Menschen, die antirassistische Arbeit leisten, verfolgt, observiert und kriminalisiert.“ Die Praktiken des Inlandsgeheimdienstes hält sie aber für gefährlich: „Wenn ich eine junge Krankenschwester auf Jobsuche wäre, dann wäre so ein Papier tödlich.“
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