Verfassungsreferendum in Irland: Klatsche für die Regierung

Die Bevölkerung lehnt die Reformvorschläge der Regierung zum Familienbegriff und zur Rolle der Frau klar ab – trotz Einigkeit der etablierten Parteien.

Auszählung der Stimmzettel in der Royal Dublin Society zu den beiden Volksentscheidungen am Samstag.

Auszählung der Stimmzettel in der Royal Dublin Society zu den beiden Volksentscheidungen am Samstag Foto: Damien Storan/dpa

DUBLIN taz | Die irische Koalitionsregierung hat eine überraschend deutliche Niederlage erlitten: Bei den beiden Referenden am Freitag wurden die Vorschläge der Regierung abgelehnt – der eine mit 67 Prozent, der andere sogar mit 74 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag mit gut 44 Prozent höher als erwartet.

Alle großen Parteien waren für ein Ja eingetreten, um die Verfassung, an der die katholische Kirche 1937 heftig mitgestrickt hatte, von „sexistischen Formulierungen“ aus einer vergangenen Ära zu säubern. Schließlich sind heutzutage zwei Fünftel der irischen Kinder unehelich geboren, und die meisten Frauen arbeiten außer Haus.

Beim ersten Referendum sollte der Familienbegriff erweitert und „andere dauerhafte Beziehungen“ einbezogen werden. Beim zweiten Referendum sollte die „Rolle der Frau in der Familie“ durch eine neutrale Formulierung ersetzt werden, wonach alle Mitglieder der Familie für Pflege und Fürsorge zuständig sind.

Mehr als bei jedem anderen Referendum in letzter Zeit herrschte Verwirrung darüber, worum es eigentlich ging. Das lag zum Großteil an der Regierung. Sie hatte erklärt, dass es Sache der Gerichte sei, „andere dauerhafte Beziehungen“ zu definieren. Das sei Absicht, hatte Justizministerin Helen McEntee argumentiert, um keine dauerhaften Beziehungen auszuschließen.

Dreiecksbeziehungen nein, mehr als eine Beziehung ja?

Um die Verwirrung noch zu steigern, erklärte sie, dass Dreiecksbeziehungen nicht anerkannt würden, aber dass eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt in mehr als einer dauerhaften Beziehung leben könne.

Weiteren Schaden für die Regierung richtete ein interner Hinweis der Generalstaatsanwältin Rossa Fanning kurz vor der Abstimmung an, in dem sie davor warnte, dass die Änderungsanträge fragwürdige Formulierungen enthielten, die vor Gericht zu unerwarteten Ergebnissen führen könnten.

Beim zweiten Referendum, bei dem es um die Pflege ging, hatte die Bürgerversammlung aus 99 ausgelosten Menschen einen Vorschlag gemacht, der vermutlich angenommen worden wäre. Darin stand, dass der Staat „verpflichtet ist, angemessene Maßnahmen zu ergreifen“, um die Pflege zu Hause und in der Gemeinde zu unterstützen. Die Regierung entschied sich hingegen für die Formulierung, dass der Staat diese Unterstützung lediglich anstreben solle. Das lehnten fast drei Viertel der Wähler ab.

Kaum war das für die etablierten Parteien verheerende Ergebnis bekannt, da begannen die Schuldzuweisungen. Die Labour-Chefin Ivana Bacik, deren Partei ebenfalls für ein Ja eingetreten war, sagte: „Diejenigen, mit denen ich darüber gesprochen habe, haben nicht deshalb mit Nein gestimmt, weil sie die sexistische und veraltete Sprache beibehalten wollten, sondern weil sie Bedenken gegen den Ersatztext hatten. Letztendlich ist das Scheitern die Schuld der Regierung.“

„Dreifacher Blödsinn“

Der Abgeordnete Paul Murphy von der linken Partei People Before Profit sagte es drastischer: „Blödsinnige Formulierung, blödsinnige Kampagne, blödsinnige Regierung. Das ist das Ergebnis. Die linken Parteien sollten sich verpflichten, ein Referendum vorzuschlagen, das die Pflege innerhalb und außerhalb des Hauses und die Rechte von Menschen mit Behinderungen anerkennt und unterstützt.“

Varadkar räumte ein, dass der Ansatz der Regierung falsch war. Man werde nun über das Geschehene nachdenken. Seine Regierung hatte die Texte im Dezember vorgelegt und sie einen Monat später im Eilverfahren ohne eingehende Prüfung des zuständigen Ausschusses durch das Parlament gejagt. Viele fanden es zynisch, dass man sich offenbar beeilte, damit die Referenden am Internationalen Frauentag stattfinden konnten.

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