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Verfassungsgericht stärkt VäterrechteDrei Elternteile sind möglich

Das Bundesverfassungsgericht stärkt die Rechte leiblicher Väter. Der Bundestag muss nun das Familienrecht anpassen – hat dabei aber Spielraum.

Das Bundesverfassungsgericht stärkt die Rechte leiblicher Väter Foto: imago

Karlsruhe taz | Künftig könnte es Familien mit drei rechtlichen Elternteilen geben. Hierfür hat jetzt das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit eröffnet. Der Bundestag kann frei entscheiden, ob er hiervon Gebrauch machen will. Solange der Bundestag am strikten Zwei-Eltern-Modell festhält, muss er aber einem leiblichen Vater, der nicht rechtlicher Vater ist, eine faire Chance geben, die Vaterschaft des rechtlichen Vaters anzufechten. Das aktuelle Familienrecht ist von dieser Vorgabe weit entfernt und daher verfassungswidrig. Der Bundestag muss es bis Ende Juni 2025 nachbessern.

Konkret ging es um einen Fall aus Sachsen-Anhalt. Eine Frau hat mit ihrem Freund ein geplantes Kind gezeugt. Im April 2020 kam der Junge zur Welt. Doch schon im Juni trennte sich die Mutter von dem Mann. Dieser wollte zwar die Vaterschaft anerkennen, doch die Mutter wies ihn zurück. Sie hatte schon einen neuen Freund, der alsbald bei ihr einzog und nun seinerseits die Vaterschaft des Säuglings anerkannte. Er ist jetzt der rechtliche Vater des Kindes.

Doch der leibliche Vater kämpfte um seinen Status und focht die Vaterschaft des neuen Partners an. Ein Abstammungsgutachten belegte zwar, dass er eindeutig biologischer Vater ist. Dennoch lehnte das Oberlandesgericht Naumburg die Anfechtung ab. Laut Gesetz kann ein leiblicher Vater die Vaterschaft des rechtlichen Vaters nicht anfechten, wenn jener eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind hat. Die soziale Familie soll so geschützt werden.

Leibliche Väter werden benachteiligt

Diese Rechtslage ist verfassungswidrig, so nun die Karlsruher Entscheidung, weil sie das Elternrecht des leiblichen Vaters unverhältnismäßig stark einschränke. Es sei nicht angemessen, wenn ein leiblicher Vater, der sich aktiv um die Vaterrolle bemüht und sich zeitweise bereits um das Kind gekümmert hat, gar keine Chance hat, rechtlicher Vater zu werden.

Der Gesetzgeber hat nun viele Möglichkeiten, auf das Karlsruher Urteil zu reagieren. Zunächst muss er sich entscheiden, ob er beim strikten Zwei-Eltern-Modell bleibt oder drei rechtliche Elternteile in Einzelfällen zulässt. Dies wären dann Mutter, leiblicher Vater und rechtlicher Vater.

Das Bundesverfassungsgericht hatte bisher vertreten, dass drei Elternteile mit dem Grundgesetz nicht vereinbar seien. Diese Vorgabe hat das Gericht nun jedoch ausdrücklich zurückgenommen. Psychologische Sachverständige hatten in der mündlichen Verhandlung im September auch keine Einwände dagegen erhoben. Der Bundestag muss aber nicht drei Elternteile zulassen. Es ist eine Möglichkeit, keine Pflicht. Justizminister Marco Buschmann (FDP) hat schon signalisiert, dass er die Idee nicht aufgreifen will.

Buschmann hat Eckpunkte vorgelegt

Wenn der Bundestag beim Zwei-Eltern-Modell bleibt, muss er aber zumindest das Anfechtungsrecht neu regeln. Minister Buschmann hat im Januar in seinen Eckpunkten zum Abstammungsrecht bereits einen passenden Vorschlag vorgelegt. Danach könnte der leibliche Vater die Vaterschaft des rechtlichen Vaters auch dann vor Gericht anfechten, wenn der rechtliche Vater mit der Mutter und dem Kind zusammenlebt. Das Familiengericht müsste nun entscheiden, welche rechtliche Vaterschaft für das Kindeswohl am besten ist. „Vorrang soll dabei im Zweifel das Interesse am Erhalt der gelebten Familie haben“, heißt es in den Eckpunkten.

Wenn der Bundestag Buschmanns Modell aufgreift, würde der Kläger aus Sachsen-Anhalt am Ende – trotz seines Erfolgs in Karlsruhe – wohl nicht rechtlicher Vater werden. Er müsste sich dann weiter mit seinem Umgangsrecht und regelmäßigen Besuchen begnügen.

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13 Kommentare

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  • Vorzugsweise sollte der biologische Vater auch der rechtliche Vater sein und zwar ungeachtet von Trauschein oder Beziehungsstatus aller Beteiligten.

    • @DiMa:

      Vorzugsweise sollten diejenigen rechtliche Väter sein, die dann tatsächlich die Sorgearbeit leisten. Es ist schön für Kinder, wenn da jemand ist, der ihnen emotional nahe ist und sie in den Zoo mitnimmt. Den Lebensmittelpunkt bilden aber de facto jene Erwachsenen, die jeden Morgen für sie da sind, um ihnen Frühstück zu machen und sie anschließend in die Kita zu bringen - und die ihnen am Nachmittag neue Schlüpper kaufen, wenn sie aus den alten rausgewachsen sind. Und ob ich das für mein Kind tue, kann vollständig unabhängig davon sein, ob ich der biologische Erzeuger bin oder nicht und ob ich mit der Mutter zusammen auf einem Trauschein stehe oder nicht.

      • @mats:

        Und wenn sich die Mutter dann einen neuen Freund sucht, der dann die Brötchen für das Kind schmiert wechselt die rechtliche Vaterschaft? Oder gibt es dann einen zusätzlichen rechtlichen Vater?

        • @DiMa:

          Wenn die Familie das will, kann der Neue ja adoptieren. Also ja.



          Was nützt biologische Vaterschaft, wenn dieser Vater sich nicht mit den Notwendigkeiten und Pflichten abgeben will, die ein behütetes und gesundes Heranwachsen der Kinder möglich machen? Fragen Sie mal die Jugendämter ...

          • @mats:

            Da müsste der "alte" rechtliche Vater schon mitspielen. Gegen dessen Willen ist die Adoption nur in Ausnahmefällen möglich.

            Wenn sich der biologische Vater nicht hinreichend mit den Kindern abgibt, dann kann das gerne ein Grund für eine Änderung sein, ungeachtet dessen sollte der biologische Vater, der sich um die Kinder kümmern möchte den Vorzug haben.

            • @DiMa:

              Es gibt hier mehrere konkurrierende Grundsätze, die einen Vorzug des Ehemanns / Partners der Mutter oder eben auch des biologischen Vaters begründen. Der Schutz familiärer sozialer Beziehungen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG (also Schutz der Bezugsfamilie des Kindes einschließlich der Partner der Mutter) steht dabei Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (grundsätzliche Möglichkeit zur Wahrnehmung und Ausübung von Elternverantwortung durch den rechtlichen Vater, aber eben auch, wie jetzt festgestellt wurde, durch den biologischen Vater) gegenüber. § 1592 Nr. 1, der die automatische (= automatisch solange unangefochten) rechtliche Vaterschaft dem Ehemann der Mutter zuweist, steht außerdem im Kontext von Art. 6 Abs. 5 GG, der eine Schlechterstellung von außerehelichen Kindern verbietet. Man sollte nicht vergessen, dass diese Regelung im BGB ursprünglich eingeführt worden ist, um das historische Elend der "Unehelichen" zu beenden.



              Die Begründung des BVerfG ist übrigens sehr lesenswert ... geradezu salomonisch: www.bundesverfassu...409_1bvr201721.pdf

              • @mats:

                Eine Schlechterstellung des Kindes kann es gar nicht geben, wenn - wie von mir gefordert - der biologische Vater stets den Vorzug hat, uns zwar - wie bereits beschrieben - ungeachtet des Trauscheins. Die Automatik des ehelichen Vaters halte ich angesichts der Möglichkeit des Vaterschaftstests für vollkommen überholt und auch nicht mehr zeitgemäß.

                Grundgesetz und BGB sind in einer anderen Zeit entstanden. Heute ist es ohne weiteres möglich, den biologischen Vater zu ermitteln.

                • @DiMa:

                  Sie sollten vielleicht mal die Perspektive des Kindes berücksichtigen. Das wächst neben Geschwistern auf in einer Familie, mit denen (den Geschwistern) es nicht die gleichen Rechte hat, z.B. im Erbrecht. Und einem Stiefvater, der rechtlich keinen Bezug zu ihm hat, obwohl er jeden Tag (hoffentlich) für die Familie da ist. Außerdem einem biologischen Vater, der u.U. gegen den Willen der Mutter rechtlicher Vater wäre. Das wäre heute so wie zur Urzeit des Grundgesetzes.



                  Kinder brauchen einen sicheren Lebensmittelpunkt. Wenn dieser ab Geburt bei der Muttet liegt, so wird die Familie der Mutter de facto eine wichtige Rolle spielen für das Kind, es wird eben *seine* Familie sein. Dem trägt der Gesetzgeber Rechnung.

  • Toll, da kann der Kleine sogar dreimal erben.

  • Beziehungen kommen und gehen. Ein biologischer Vater der sich für sein Kind interessiert und es liebt wird immer für das Kind da sein. Auch aus Sicht des Kindes die richtige Richtung.

    • @Nachtsonne:

      ...genau - und damit das Kind und der biologische Vater ihre Beziehung auch leben können, hatte der leibliche Vater ja auch geklagt.

  • Der biologische unverheiratete Vater bleibt also der Mops, wenn die Frau (und ein neuer Partner) das so möchte.

  • So richtig schlüssig und logisch ist das alles nicht. Vom Grundsatz der völligen Gleichberechtigung von Frau und Mann her denkend darf es eigentlich keinen Unterschied zwischen den leiblichen Eltern geben. Früher war vielleicht leibliche Vaterschaft nicht so eindeutig nachweisbar wie heute - aber heute ist sie genauso eindeutig wie die leibliche Mutterschaft. Daraus sollten für den leiblichen Vater genauso selbstverständlich Rechte (und Pflichten!) folgen wie bei der leiblichen Mutter.