: Vereint gegen Amerika
GROSSKAPITAL-Kritik Die Argumente gegen das Freihandelsabkommen mit den USA klingen von Rechtspopulisten oft so, als kämen sie von linken Globalisierungsgegnern. Das Nein zu TTIP lässt also die ideologischen Grenzen zunehmend verschwimmen
Armin-Paul Hampel, AfD
von Andreas Speit
„TTIP go Home“ steht auf Plakaten, mit denen AfD-Mitglieder gegen das Freihandelsabkommen mit den USA protestieren. Diese Parole dürfte bewusst mit dem Slogan „Ami go Home“ spielen, den die Außerparlamentarische Opposition (APO) als Reaktion auf den Vietnamkrieg nutzte.
Verschwinden im Anti-Globalisierungsprotest also ideologische Grenzen? Entsteht gar eine politische Querfront? In der Kritik an der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft, kurz TTIP, klingen die Argumente von rechts jedenfalls nicht selten ganz so, als kämen sie von links.
In der vergangenen Woche etwa beklagte AfD-Bundesvorstandsmitglied und niedersächsischer Landesvorsitzender, Armin-Paul Hampel, nicht nur die „Intransparenz der noch immer andauernden TTIP-Verhandlungen“, sondern er warnte auch davor, dass „sich die multinationalen Großkonzerne durch das Freihandelsabkommen mit den USA eine Machtfülle aneignen wollen, die ihnen nicht zusteht“. Es könne „nicht legitim sein, dass die TTIP-Vorstellungen der internationalen Konzerne, von ihren Londoner Anwälten geschrieben, sich dann fast eins zu eins in den EU-Entwürfen wiederfinden“, sagte Hampel.
Diese Position war in der AfD unter Parteigründer Bernd Lucke noch umstritten. Im März 2015 wurde aber auf einem AfD-Parteitag ein Antrag gegen TTIP beschlossen – im Juli 2015 kehrte Lucke seiner Partei den Rücken. Treibende Kraft in dem Konflikt war seine damalige Parteikollegin im Europarlament, Beatrix von Storch. Sie betonte schon damals, was Hampel heute noch sagt: Nämlich, dass der „deutsche Mittelstand“, besonders die „kleineren Unternehmen“, durch ein Freihandelsabkommen mit den USA gefährdet sei.
„Die rechtspopulistische AfD spricht sich aber nicht grundsätzlich gegen Freihandel aus, sondern wendet sich aus nationalistischen Motiven gegen TTIP“, sagt Alexander Häusler vom Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf. „Hier folgt die Parteispitze aus offensichtlich opportunistischen Gründen der Mehrheit ihrer Mitglieder.“
Auch die NPD sagt Nein zu TTIP und findet da weltweit ganz neue Bündnispartner. „Schon früh erkannten die kleineren Staaten, besonders in Lateinamerika, welche Gefahr von solchen Vertragswerken für ihre nationale Souveränität ausgeht“, sagte etwa Mecklenburg-Vorpommerns NPD-Landtagsfraktionsvorsitzender, Udo Pastörs, erst im Januar. Globalisierung bedeute Gleichschaltung und zwar „kulturell wie ökonomisch“. Schon jetzt seien die Menschen durch eine Medien- und Finanzdiktatur dem Kapital rücksichtslos unterworfen.
Wie „TTIP als Globalisierungswaffe“ verhindert werden solle, lässt Pastörs offen. In der NDP-Broschüre „Argumente für Kandidaten & Funktionsträger“ wird umso klarer formuliert, wo der Feind sitzt: Das „große Geld“ hat, „obwohl seinem Wesen nach jüdisch-nomadisch und ortlos, seinen politisch-militärisch beschirmten Standort vor allem an der Ostküste der USA“.
Von inoffiziellen Machtkartellen und jüdischen Einflüssen spricht auch der Ökopionier Holger Strohm, der mit seinen Sachbüchern über die Gefahren von Atomkraftwerken bekannt wurde, wenn er vor der Globalisierung und TIPP warnt. Das Deutschland weiterhin unter Besatzung der Amerikaner stehe, erklärt indes Jürgen Elsässer, einst Mitglied des Kommunistischen Bundes und Autor der Zeitschrift Konkret, die sich selbst die „einzige linke Publikumszeitschrift Deutschlands“ nennt. 2009 gründete Elsässer dann die „Volksinitiative gegen das Finanzkapital“ und im selben Jahr erschien erstmals das von ihm verantwortete rechtspopulistische Monatsmagazin Compact – Magazin für Souveränität. In der März-Ausgabe 2015 prangte ein Bild von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auf dem Cover und der Titel der TTIP-Ausgabe lautete: „Der Große Verrat – TTIP-Agent Gabriel“.
„Nationalismus und Anti-Amerikanismus stellen das einigende Banner rechter TTIP-Kritik dar“, sagt Häusler. Hier liege der fundamentale Unterschied zur linken Kritik, die TTIP als Ausdruck globalisierter Deregulierung zur Durchsetzung neoliberaler Interessenspolitik sieht: „Wer lediglich mit Verweis auf nationale Interessen und für die Stärkung der deutschen Wirtschaft gegen TTIP eintritt, statt dieses Abkommen als Ausdruck neoliberaler Regulationsverhältnisse zu kritisieren, ist von der TTIP-Kritik von rechts nicht mehr weit entfernt.“
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