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Verdrängung in BerlinKeine Gnade für Mieter

Christliche Immobilienkonzerne sind in Sachen Verdrängung nicht besser als weltliche Unternehmen, so der Autor Ralf Hutter.

Christliche Wohnkonzerne arbeiten profitorientiert. Ralf Hutter beschreibt dies in seinem Buch Foto: dpa | Michael Reichel
Interview von Peter Nowak

taz: Herr Hutter, Sie haben ein Buch über Profitgier und Verdrängung im christlichen Immobiliengeschäft geschrieben. Warum der Fokus auf christliche Unternehmen?

Hutter: Die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft (ASW), das größte Wohnungsunternehmen der katholischen Kirche, kam 2018 zum vielleicht ersten mal auf negative Weise in die Presse, weil sie ein Haus in Kreuzberg jahrelang weitgehend leerstehen ließ. Ich berichtete darüber, dann noch zwei Mal ausführlicher auch über Konflikte mit der ASW in Köln und Düsseldorf, und stellte fest, dass noch nie jemand überregional zu kirchlichen Wohnungsunternehmen recherchiert hatte. Da zudem mehrere Rückmeldungen auf meine Veröffentlichungen kamen, habe ich mich weiteren Fällen von im weitesten Sinne kirchlichen Immobilienakteuren gewidmet, die ihrem ethischen Anspruch nicht gerecht werden.

Das erwähnte Haus der ASW war die Großbeerenstraße 17a. Sie wurde 2018 besetzt und nach einigen Monaten geräumt. Was ist daraus geworden?

Die ASW hat in einer Hälfte des Hauses ein soziales Projekt aufgenommen. Die andere Hälfte hat sie mit jahrelanger Verspätung saniert und vermietet. Ich habe zwei der neuen Mietverträge einsehen können. Weil es damals ein Gerichtsverfahren um den Berliner Mietendeckel gab, war es üblich, in neuen Mietverträgen zusätzlich zur gesetzlich vorgeschriebenen Miete eine viel höhere festzuhalten für den Fall, dass der Mietendeckel gerichtlich gekippt wird. So kam es dann auch, und die ASW verlangte dann rückwirkend statt der zunächst vorgeschriebenen 7,50 Euro nettokalt pro Quadratmeter 14 Euro oder mehr, je nach Wohnung. Mir schrieb sie damals aber, die Miethöhen „orientieren sich am Mietspiegel“ – eine Lüge. Ein Haushalt zog dann wegen der hohen Miete aus und zahlte die Nachzahlung von über 2.000 Euro in Raten ab.

Im Interview: Ralf Hutter

Ralf Hutter arbeitet in Berlin als freier Journalist für diverse Medien. Kürzlich ist sein Enthüllungsbuch erschienen, das auch in vier Berliner Ortsteilen spielt: Der Hausherr gibt es, der Hausherr nimmt es. Profitgier und Verdrängung im christlichen Immobiliengeschäft, Alibri, 220 Seiten, kartoniert, 18 €

Sie berichten, dass die ASW in der Kreuzberger Taborstraße 9 nach Widerstand von Hausgemeinschaft und Bezirksamt den Plan eines Neubaus im Innenhof aufgab. Ist sie druckempfindlicher als weltliche Immobilienfirmen?

Die anderen Firmen sind ja nicht einheitlich, aber prinzipiell ist ein kirchliches Unternehmen aufgrund des moralischen Anspruchs, den es immer vor sich herträgt, und aufgrund seiner Eigentümer druckempfindlicher als Briefkastenfirmen und Aktiengesellschaften. Die ASW hat ja in der Großbeerenstraße 17a auch nicht sofort räumen lassen. Sie macht aber immer wieder einen autoritären Eindruck, auch in der Taborstraße 9, wo sie die Hausgemeinschaft mit ihren Sorgen und Vorschlägen auflaufen ließ. Ich gehe davon aus, dass sie auf den Neubau, für den sie den von der Hausgemeinschaft selbst gepflegten Garten zerstören wollte, vor allem wegen des allgemeinen Kostenanstiegs verzichtete.

Ein Kapitel befasst sich mit einer christlichen Seniorensiedlung im Wedding. Welche Probleme beklagen die Be­woh­ne­r*in­nen dort?

Das ist eine evangelische Stiftung in finanzieller Schieflage, die Stiftung Hospitäler zum Heiligen Geist und St. Georg. Sie hat im Lauf der Jahre einen Großteil der sozialen Infrastruktur abgebaut und verweigert sogar einem zweiwöchentlichen Nachbarschaftstreffen einen Raum, der für genau solche Treffen da ist. Das ist ein absurder Streit, der seit 2018 anhält und auch die Stiftungsaufsicht des Senats beschäftigte. Die Stiftung hat als einzigen Zweck, alten Menschen mit wenig Geld einen angenehmen Lebensabend zu ermöglichen, das kümmert sie aber nicht allzu sehr. Zum Teil dürfte das an Geldmangel liegen, aber auch hier ist ein autoritäres Selbstverständnis deutlich zu spüren.

Die Hausverwaltung in dieser Stiftung besorgt die Hilfswerk-Siedlung, das Wohnungsunternehmen der evangelischen Landeskirche. Wegen seiner Größe wäre es von der per Volksentscheid beschlossenen Enteignung großer Immobilienkonzerne betroffen. Wie reagiert das Unternehmen darauf?

Mit krudem Antisozialismus auf dem Niveau von Franziska Giffey à la Enteignung ist doch DDR. Und mit einem Rechtsgutachten, demzufolge es gegen die verfassungsmäßige Religionsfreiheit verstößt, ein „Wohnungsunternehmen mit religiösem Selbstverständnis“ zu vergesellschaften. Vor der Senatskommission zur Prüfung der Umsetzung des Volksentscheids hielt der Geschäftsführer der Hilfswerk-Siedlung im Dezember 2022 einen Vortrag, in dem er wiederholt bestritt, dass es auf dem Berliner Wohnungsmarkt so große Probleme gibt, dass einschneidende Maßnahmen nötig wären. Das alles und das Geschäftsgebaren dieses Unternehmens zeigen, dass es eine normale GmbH ist, für die in Sachen Enteignung kein Ausnahmetatbestand gilt.

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3 Kommentare

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  • Ich verstehe das richtig, in Berlin herrscht eine nicht zu übersehende, nicht zu ignorierende Wohnungsnot, aber der, wie es romantisierend heißt, "von der Hausgemeinschaft selbst gepflegte(n) Garten" im Innenhof der Taborstraße 9 ist natürlich wichtiger als die Schaffung dringend benötigten Wohnraums!



    Genau solche Details zeigen die ganze Verlogenheit der Diskussion über Wohnraummangel und Wohnungsnot in Berlin - Lösungen gäbe es, entweder durch Nachverdichtung oder auch die Bebauung des Tempelhofer Feldes, aber immer wieder heißt es dann "Not in my backyard!". Manchmal eben auch wortwörtlich!

    • @KatholischerVerbindungsstudent:

      Die Verlogenheit der Diskussion liegt darin, dass in der Vergangenheit Berlins Regierungen immer um Zuzug warben oder die Aufnahme zumindest klar befürworteten und gleichzeitig erklärten, es würde für die vorhandenen Einwohner keine Nachteile oder Einbußen an Lebensqualität geben.

      Nachverdichtung geschah und geschieht in Berlin allenthalben.

      Man spürt sie überall.

      Inzwischen sind manchmal Punkte erreicht, wo man sagt, so geht es nicht weiter, das ist keine Lebensqualität mehr.

      Kreuzberg ist bereits ein Bezirk mit einer extremen Bevölkerungsdichte.

      Gerade auch die Ecke, in der die Taborstraße liegt.

      Ich selbst würde es befürworten, dass Tempelhofer Feld teilweise zu bebauen.

      Ich kann diejenigen aber verstehen, die das auf keinen Fall wollen, weil sie in einer sehr engen und trostlosen Ecke wohnen, wo ein Spaziergang zum Tempelhofer Feld einer der wenigen Lichtblicke ist.

      Wie man lebt, macht immer etwas mit Menschen.

  • Es wird ja auch genug dafür getan, den Immobilienmarkt so instransparent als möglich zu gestalten.

    Und Städte und Gemeinden können ein leidvolles Lied davon singen wie schwer die Verhandlungen in Immobiliensachen mit der Kirche sind.

    Und wenn ich jetzt an diverse Forderungen indigener Völker nach Wiedergutmachung der Folgen der Kolonialzeit denke frage ich mich natürlich schon, wieviel des Kirchenvermögens durch Kriminalität zusammengerafft wurde.



    Sei es z.B. durch Ablaßhandel oder durch die Erben der der Ketzerei Beschuldigten.