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Verdrängung in Berlin-WeddingPharmariese will Mieter rausschmeißen

Zwei Wohnhäuser in Wedding sollen für einen Erweiterungsbau der Bayer AG rasch abgerissen werden. Die Kündigungen an die Mieter sind schon raus.

Die Häuser Tegeler Straße 6 und 7 könnten demnächst der Abrissbirne zum Opfer fallen Foto: IMAGO / Jürgen Ritter

Berlin taz | Der Pharmakonzern Bayer will Tabula rasa machen und mehrere Mietshäuser an der Tegeler Straße in Wedding abreißen lassen. Das Areal hatte Bayer-Vorgänger Schering in den 90er Jahren erworben, nun soll hier ein „Life Science Campus“ errichtet werden. 23 Mietparteien und 14 Gewerbemieter sollen für die Erweiterung des angrenzenden Bayer-Standorts Müllerstraße raus.

In der vergangenen Woche wurden die Mieter der Tegeler Straße 6 und 7 bei einer Informationsveranstaltung darüber informiert, dass sie sich schon mal nach neuen Wohnungen umsehen sollen, weil ihre Häuser in naher Zukunft platt gemacht werden sollen. Nur einen Tag später fanden sie ihre Kündigungen im Briefkasten.

Die Mieter sind schockiert. Viele wohnen seit über 20 Jahren in den Altbauwohnungen aus dem 19. Jahrhundert. Kurz vor Weihnachten erhielten sie sogar noch eine Mieterhöhung, die ab Februar gelten soll. Umso unvorbereiteter traf sie jetzt die Ankündigung des baldigen Rauswurfs.

An der Ernsthaftigkeit der Bayer-Pläne dürfte kein Zweifel bestehen. Schon 2016 ließ der Konzern direkt nebenan ein Gebäude mit 20 Wohnungen abreißen. Der Plan war, dort ein Verwaltungsgebäude zu errichten. Bis heute wurde es nicht gebaut.

Bezirksamt: Kann man nichts machen

Wie die B.Z. berichtet, sei der Abriss der Häuser aus Sicht des Bezirksamts Mitte nicht zu ändern. Da die Häuser im Baunutzungsplan von 1960 der benachbarten Industriefläche zugeschlagen worden seien, würden sie planungsrechtlich nicht als Wohngebäude gelten. Die Wohnungen seien somit nicht schützenswert.

Kritik kommt von der SPD. „Die abrupte Kündigung der Mie­te­r:in­nen durch Bayer löst bei uns Unverständnis aus“, sagt die SPD-Abgeordnete Maja Lasić, die in Wedding ihren Wahlkreis hat, zur taz. „Angesichts der noch nicht fortgeschrittenen Verwaltungsprozesse ist absehbar, dass es noch eine ganze Weile dauert, bis Bayer tatsächlich Bedarf hat.“

Deutlicher noch wird Martha Kleedörfer, die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte – und nimmt dabei nicht zuletzt das Bezirksamt ins Visier. Das Bezirksamt müsse die Mieter in Mitte schützen. „Stattdessen stellt es sich an die Seite eines Multimilliardenkonzerns, dem die Zukunft der Mie­te­r*in­nen völlig egal ist. Das ist unterlassene Hilfeleistung“, sagt Kleedörfer.

Ob die Abrisspläne an der Tegeler Straße noch zu stoppen sind, ist freilich offen. Mittes SPD-Stadtentwicklungsstadtrat Ephraim Gothe und seine Parteifreundin Maja Lasić haben für Freitagnachmittag zu einem Vor-Ort-Gespräch mit den Mietern eingeladen, um die weitere Lage zu besprechen.

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