Verdrängung in Berlin-Kreuzberg: Lause akut bedroht
Jetzt also doch: Taekker will das Projekt Lause bis Jahresende verkaufen. Doch die Hausgemeinschaft kann auf Unterstützung aus Dänemark zählen.
20 Millionen hätte Taekker gern für das Ensemble aus zwei nebeneinander liegenden Gebäuden, das er 2006 für 2,3 Millionen von der Stadt erwarb. Vor fast drei Jahren erfuhren die Lause-Nutzer:innen von seinen Verkaufsabsichten. Dagegen machten sie, gut vernetzt und politisch kreativ, mobil. Mit Erfolg: Eine Zeit lang sah es so aus, als rücke der Immobilienkonzern von seinen Plänen ab. Taekker, der sich in Dänemark als Kunstförderer hervortut, fürchtet nicht zuletzt den Imageschaden durch den Fall Lause.
Doch mit der Verschnaufpause ist es jetzt vorbei: „Wir haben jetzt erfahren, dass Taekker die Lause offenbar noch bis Ende des Jahres verkaufen will“, sagt Jan Ole Arps vom Verein Lause Lebt der taz. Der Grund für die plötzliche Eile des dänischen Investors, der auf taz-Anfrage nicht erreichbar war, liegt vermutlich in einer gesetzlichen Neuregelung: Ab 2020 sollen sogenannte Share Deals, Verkaufskonstruktionen zur Steuervermeidung im Immobilienhandel, höher besteuert werden. Die meisten seiner Berliner Immobilien hat Taekker bereits in den letzten beiden Jahren mit großen Gewinnen abgestoßen, fast alle davon per Share Deal.
Florian Schmidt, grüner Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, bestätigt diese Vermutung: Auch er weiß von den akuten Verkaufsplänen Taekkers. Schmidt will, dass die Lause erhalten bleibt, und hält die Konzepte, die die Lause-Nutzer:innen erarbeitet haben, um das Haus langfristig zu sichern, auch für tragfähig. Die Idee: Das Land soll die Liegenschaft erwerben, Grund und Boden bleiben im öffentlichen Besitz, die Häuser gehen per Erbpacht an eine Genossenschaft, um von dieser unter Beteiligung der Nutzer:innen verwaltet zu werden. Eine Mischung aus Eigenanteil, Darlehen und öffentlicher Förderung würde den Kauf des Gebäudes ermöglichen und so die Lause langfristig sichern.
Die Sache habe aber zwei Haken, sagt Schmidt: „Erstens muss Taekker von seinen Vorstellungen maximal möglicher Gewinne abrücken, und zweitens muss die Senatsverwaltung für Wirtschaft mitziehen.“ Denn ohne Förderung des Landes ist die Kaufsumme für die Lause nicht zu bewältigen. Doch die kreativen Lösungen für die Lause-Rettung passen offenbar nicht ganz zu den starren Regeln öffentlicher Wirtschaftsförderung: „Schon die Tatsache, dass es bei uns eine Mischform aus Wohnen und Gewerbe gibt, ist für die Förderrichtlinien der Senatsverwaltung ein Problem“, sagt Jan Ole Arps.
Schmidt wünscht sich hier ebenfalls mehr Flexibilität: „Es ist allerhöchste Eisenbahn, dass sich da etwas bewegt“, sagt er. Um die typische Berliner Mischung aus Wohnen und Arbeiten zu erhalten und gewachsene Gewerbestrukturen vor Verdrängung zu schützen, müsse Berlin Wege jenseits der klassischen Wirtschaftsförderung für Investoren einschlagen, dafür sei die Lause ein Paradebeispiel.
Auch mit der Förderung des Senats seien die 20 Millionen, die Taekker für die ehemalige Glasfabrik gern hätte, allerdings nicht zu machen, auch darin sind sich Schmidt und Arps einig. „10 Millionen sind die absolute Schmerzgrenze, ein darüber liegender Verkaufspreis wäre mit leistbaren Mieten nicht mehr zu refinanzieren“, sagt Arps.
Die Situation habe bei vielen Mieter:innen der Lause Existenzängste ausgelöst. Falls Taekker daran festhalte, das Gebäude an der Lause-Gemeinschaft vorbei zum Maximalpreis zu verkaufen, gebe es bereits Aktionspläne in der Schublade. „Es gibt im Haus viele Leute, die wegen der Verdrängungsgefahr sehr aufgebracht sind, ungeduldig werden und heftigere Protestaktionen fordern“, sagt Arps. Die Solidarität aus der Nachbarschaft sei außerdem ungebrochen groß.
Für Taekker könnte diese Situation erneut zu einem ernsthaften Problem werden: Das Interesse dänischer Medien und der dänischen Kunstszene am Fall Lause sei nach wie vor sehr hoch. „Wir bekommen gerade wieder viele Anfragen zur aktuellen Entwicklung“, sagt Arps. „Da würden wir natürlich auch lieber einen positiven Ausgang der Geschichte zurückmelden können statt etwas, das Taekker in einem schlechten Licht dastehen lässt.“
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