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Verdienstkreuz für Kardinal MarxKein unwürdiger Preisträger

Kommentar von Philipp Gessler

Kardinal Marx hat sich durchaus verdient gemacht, doch die Ehrung wäre ein falsches Signal gewesen. Den Orden abzulehnen ist die richtige Entscheidung.

Kardinal Reinhard Marx in der Frauenkirche Foto: Tobias Hase/dpa

N un hat Reinhard Marx also die Reißleine gezogen. Der Erzbischof von München verzichtet mit Blick auf die Opfer sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche darauf, von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an diesem Freitag das Bundesverdienstkreuz zu erhalten – es ist die richtige Entscheidung.

Die Opfer hatten gegen den Orden für den Kardinal protestiert, weil Marx sich nicht energisch genug als Bischof von München (und zuvor von Trier) für die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals engagiert habe. Was manchen zudem aufstieß, war die zeitliche Nähe der Ordensverleihung an den Betroffenen-Sprecher Matthias Katsch und Pater Klaus Mertes, zwei unbestrittene und hartnäckige Aufklärer der ersten Stunde. Das war vor wenigen Wochen in Bellevue, sie erhielten die Orden aus der Hand des Bundespräsidenten, wie auch für Marx ursprünglich geplant.

Nun konnte Marx nichts für die zeitliche Nähe, das war die Entscheidung des Präsidialamtes. Er sollte den Orden erhalten, so das Amt, weil er sich als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz von 2014 bis 2020 besonders für Gerechtigkeit und Solidarität in der Gesellschaft engagiert habe: für Geflüchtete, gegen Populismus und Hetze. Ein Engagement, das außergewöhnlich und löblich war. Auch in der Ökumene war Marx vorbildlich, gerade beim Reformationsjubiläum 2017, das nicht zuletzt dank ihm die Volkskirchen eher einte als trennte.

Marx war also kein unwürdiger Preisträger, aber es hing ein Schatten über dieser Ehrung. Vielleicht hätte er den Orden früher ablehnen sollen – mit dem Eingeständnis, beim Missbrauchsskandal nicht genug getan und auch gefehlt zu haben.

Der Kardinal hat einen großen Teil seines Privatvermögens, eine beträchtliche Summe, für eine eigens eingerichtete Stiftung gespendet, die Missbrauchsopfern helfen soll. Das konnte als eine Geste gelesen werden, sich der eigenen Schuld, und sei es der der Unterlassung, bewusst zu sein. Mit seiner neuen Geste der Nicht-Ehrung durch den Bundespräsidenten ist eine Botschaft dazu gekommen. Und nicht die schlechteste.

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15 Kommentare

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  • Hat er die Fälle aus der Zeit Kardinal Ratzingers offengelegt?



    Meines Wissens nicht, sollte zu denken geben!

  • Für gewöhnlich kritisiere ich die Kirche hart für ihre Verbrechen in Sachen Vergewaltigung von Kindern. Aber man sollte dieselbe trotzdem im Dorf lassen:

    Wenn Herr Marx sich für Flüchtlinge eingesetzt hat, so ist das löblich. Ihn dafür auszuzeichnen, da würde ich auch als Kirchenkritiker kein Problem sehen.

    Statt auf den Preis zu verzichten könnte sich Herr Marx also mit aller Kraft für das Verhindern weiterer Vergewaltigungen von Kindern einsetzen, sowie für die schonungslose Aufklärung der vorgefallenen Verbrechen.

    Denn das ist, was Kinder am dringensten brauchen, und es ist das, was die Opfer am dringensten brauchen: dass diese Verbrechen endlich ein Ende haben, und das sie lückenlos aufgeklärt werden.

    Damit wäre Herr Marx um Kategorien hilfreicher als durch seine Handlung, den Preis abzulehnen für etwas, wovon die Preisverleiher überzeugt sind, er hätte ihn dafür verdient.

    Mehr Sein als Schein ist dringend gefragt bei dem Thema.

  • Das Verdienstkreuz bitte nun dem Manne, der die Entgegennahme des Verdienstkreuzes abgelehnt hat.

  • RS
    Ria Sauter

    Jetzt wird dieser Mensch auch noch gelobt. Ich kann es nicht fassen!



    . Das ist ein zusätzlicher Schlag in das Gesicht aller Missbrauchsopfer!



    Er spendet was von seinem Privatvermögen? Das wird ihm als noble Geste angerechnet.



    Ich kann es nicht fassen.



    Noch immer zahlt der Staat, also wir ALLE an diesen Verein (ich muss ja höflich bleiben bei der Betitelung) hohe Beträge.



    Genau dieses Hinwegsehen, macht solche Strukturen möglich.

    • @Ria Sauter:

      Das Hinwegsehen macht die Strukturen erst möglich. Man wundert sich zudem, dass Prostitution und Sexualisierung - also Erzeugung von "Geilheit" gesellschaftlich so hoch gehalten werden, so dass Übergriffigkeiten auf Wehrlose bzw. "abartiges" Sexualverhalten immer mehr gesell. akzeptiert wird. Und die Geilheit wird dann auch noch als "Liebe" bezeichnet bzw. die Perversion wird als "kriminell" eingestuft, als hätte die Gesellschaft und damit "die Struktur des Wegschauens" keinen Zusammenhang.

    • 1G
      14390 (Profil gelöscht)
      @Ria Sauter:

      Sie sollten sich vielleicht einmal mit dem Ursprung und der rechtlichen Grundlage der sog. Staatsleistungen befassen: als da wären der Westfälische Friede von 1648, die Organische Akte von 1802 und der Reichsdeputationshauptschluß von 1803.

    • @Ria Sauter:

      es gibt einen weg die katholische kirche zu zwingen sich so zu reformieren dass strukturen die sexualisierten machtmissbrauch und dessen vertuschung schon seit jahrhunderten ermöglichen tatsächlich überwunden werden.



      Sie haben ihn angedeutet:



      man realisiere endlich die trennung von politik und religion stelle alle staatlichen zahlungen an religionsgemeinschaften ein zwinge die katholische kirche dazu genau wie jede andere sekte aus dem klingelbeutel dass heisst von freiwilligen spenden ihrer mitglieder zu leben



      man mache aus einer reichen korrupten und staatsnahen kirche eine arme- aber dafür unabhängige und staatsferne .







      man kündige das bis heute fortgeltende konkordat dass der vatikan mit dem damals faschistischen deutschland schloss

      www.bpb.de/politik...en-reichskonkordat

      statt andere religionsgemeinschaften-im namen einer falsch verstandenen der gleichberechtigung und intereligiösen ökumene in es hineinzukorrumpieren

      das wäre das wirksamste mittel

      • RS
        Ria Sauter
        @satgurupseudologos:

        Alles richtig, was Sie schreiben. Würde es nur endlich umgesetzt!



        Was wir aber jetzt erleben, ist ein Erstarken der Duldung dieses Aberglaubens in jeglicher Form.Niemand wagt daran zu rütteln, wegen der rechten Ecke.

  • 1G
    14390 (Profil gelöscht)

    Seine Eminenz Kardinal Marx, Erzbischof von München und Freising, hätte den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland auf Grund vielfältiger Verdienste um die katholische Kirche in Deutschland, für seinen Einsatz für Gerechtigkeit und Solidarität während seiner Zeit als Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, nicht zuletzt auch für seinen persönlichen Beitrag in der Stiftung SALUS ET SPES verdient. Durch diese Stiftung, in die Kardinal Marx den Großteil seiner Privatvermögens eingebracht hat, sollen Menschen unterstützt werden, die von sexuellem Missbrauch im Bereich der römisch-katholischen Kirche betroffen sind, um so das Engagement der Kirche in der Prävention gegen sexuellen Missbrauch und bei der Aufarbeitung und Anerkennung des Leids Betroffener zu ergänzen.



    Kardinal Marx wäre ein würdiger Ordensträger gewesen, und es bleibt zu hoffen, daß ihm der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland zu einem späteren Zeitpunkt verliehen wird.

    • RS
      Ria Sauter
      @14390 (Profil gelöscht):

      Dann möchte ich auch das Bundesverdienstkreuz! Habe mir über 10 Jahre lang die Füße platt gelaufen gegen Atomkraft, gegen Gentechnik. Habe mir an Infoständen den Mund fusselig geredet gegen Regenwaldabholzung, Feinstaub etc.rtc.



      Gespendet habe ich auch, allerdings nicht aus meinem Vermögen. Das besitze ich nämlich nicht.



      Wenn jeder, der für das Allgemeinwohl unterwegs ist, ein Kreuz bekommt, wird es wohl eng mit dem Material.

      • 1G
        14390 (Profil gelöscht)
        @Ria Sauter:

        Zehn Jahre...das ist wirklich eine beeindruckende Zeit - Kardinal Marx ist alleine seit 25 Jahren Bischof. Da müssen Sie also noch ein bißchen warten. Und möglicherweise auch an Ihrer Reichweite arbeiten. Wenn Sie damit erfolgreich waren, brauchen Sie nur noch jemanden, der Sie für den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland vorschlägt.



        Allerdings wäre es vielleicht eine gute Idee, ersteinmal mit dem Landesverdienstorden zu beginnen.

    • @14390 (Profil gelöscht):

      Warum soll jemand, der sich um eine nichtstaatliche Organisation verdient gemacht hat,eine staatliche Auszeichnung bekommen? So wie es beschreiben,wäre ausschließlich Sache der katholischen Kirche Herrn Marx mit was auch immer auszuzeichnen.



      Wer sich um seinen Kaninchenzüchterverein verdient gemacht hat ,kann ja auch kein Bundesverdienstkreuz erwarten.



      Es verhält sich tatsächlich so:"Er sollte den Orden erhalten, so das Amt, weil er sich als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz von 2014 bis 2020 besonders für Gerechtigkeit und Solidarität in der Gesellschaft engagiert habe: für Geflüchtete, gegen Populismus und Hetze."



      Das ist schon ganz was anderes.



      Und wo hat der Herr als Sohn eines Schlossermeisters und beruflich immer Kleriker gewesen ,soviel Privatvermögen her ,das er "eine beträchtliche Summe" spenden kann?

      • 1G
        14390 (Profil gelöscht)
        @Mustardmaster:

        Haben Sie sich einmal mit der Vita und dem beruflichen Werdegang Seiner Eminenz Kardinal Marx beschäftigt:



        - 1979 Priesterweihe



        - 1988 Dr. theol.



        - 1989 Direktor des Sozialinstituts Kommende Dortmund



        - 1996 Bischofsweihe (Weihbischof)



        - 1999 - 2009 Vorsitzender der Deutschen Kommission Iustitia et Pax



        - 2001 Bischof von Trier



        - 2004 Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der DBK



        - 2007 Erzbischof von München und Freising



        - 2009 Großkanzler der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt



        - 2010 Kardinal



        - 2010 Mitglied in der Päpstlichen Kongregation für das Katholische Bildungswesen



        - 2010 Mitglied im Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden



        - 2012 - 2018 Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft



        - 2013 Berufung in den Kardinalrat



        - 2014 - 2020 Vorsitzender der DBK



        - 2014 Mitglied im Päpstlichen Rat für die Laien



        - 2014 Mitglied der Kongregation für die orientalischen Kirchen



        - 2014 Kardinal-Koordinator im Päpstlichen Wirtschaftssekretariat

        Kardinal Marx steht seit über 40 Jahren im Berufsleben, ist seit über 25 Jahren Bischof und seit über zehn Jahren Kardinal der römisch-katholischen Kirche. Das ist weit entfernt von einem einfachen "immer Kleriker gewesen".

  • Fehler einzugestehen und ernst zu nehmen ist eine Fähigkeit, die nicht jeder hat. Das Eingeständnis von Marx, dass in der katholischen Kirche eben nicht alles im grünen Bereich ist, dürfte der Glaubwürdigkeit langfristig eher zugute kommen. Aber vor allen Dingen hilft es, das Schweigen und weg gucken zu beenden.

  • ich stimme herrn gessler in keinster weise zu. zig-tausende arbeiten glaubhafter an den genannten bemühungen und hätten alle eher den preis verdient. herr steinmeier sollte das eigentlich wissen.