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Verdacht auf MassenmordKiew verhaftet zwölf Berkut-Polizisten

Die ukrainische Übergangsregierung hat einen Bericht über das Blutbad auf dem Maidan vorgelegt. Darin wird der Ex-Präsident als Verantwortlicher genannt.

Berkut-Einheit während der Unruhen in Kiew. Bild: dpa

KIEW afp/rtr | Ein von der ukrainischen Übergangsregierung in Auftrag gegebener Untersuchungsbericht macht die abgesetzte prorussische Staatsführung für das Blutvergießen auf dem Maidan in Kiew verantwortlich. Die tödlichen Schüsse vor sechs Wochen seien vom inzwischen entmachteten und prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch angeordnet worden, heißt es in einem am Donnerstag vorgelegten Zwischenbericht. Auch Agenten des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB seien in das Blutvergießen verwickelt gewesen, sagte der Chef der ukrainischen Sicherheitsdienste, Valentin Naliwaitschenko. Dies wurde von dem Dienst in Moskau umgehend dementiert.

Die monatelangen Proteste gegen Janukowitsch in Kiew waren vom 18. bis zum 20. Februar in offene Gewalt umgeschlagen, auf dem Unabhängigkeitsplatz im Zentrum der Hauptstadt wurden fast 90 Menschen getötet. Die Regierungsgegner machten den Staatschef für die Toten verantwortlich, nach dem Blutbad wurde er gestürzt. Unabhängige Erkenntnisse zu den Tätern und ihren Motiven liegen bislang aber nicht vor.

Naliwaitschenko präsentierte den ersten Zwischenbericht zu den laufenden Ermittlungen zusammen mit Interims-Innenminister Arsen Awakow und Generalstaatsanwalt Oleg Machnizki. Laut Machnizkis Stellvertreter Olexi Baganez hatten Verdächtige der „Schwarzen Einheit“ – einer Spezialeinheit der mittlerweile aufgelösten Bereitschaftspolizei Berkut – in Vernehmungen ausgesagt, sie hätten nur Waffen an Berkut-Mitglieder verteilt, damit sich diese gegen Angriffe von Demonstranten wehren könnten. „Aber wir glauben ihnen nicht“, sagte Baganez.

Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft sagte am Donnerstag: „Die Polizisten wurden für Sondereinsätze trainiert, zu denen auch die Tötung von Menschen gehört“. „Sie wurden direkt vom Präsidialamt überwacht“, ergänzte er. Zwölf Mitglieder der „Schwarzen Einheit“ wurden deshalb am Mittwoch festgenommen.

Nach dem Machtwechsel in Kiew waren Zweifel an der Darstellung aufgekommen, dass allein Janukowitschs Führung das Blutbad provozierte. So äußerte Estlands Außenminister Urmas Paet in einem publik gewordenen Telefonat mit EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton den Verdacht, radikale damalige Oppositionskräfte könnten in die Todesschüsse verwickelt sein, um die Proteste weiter anzuheizen. Auch der Europarat forderte eine neutrale Aufklärung.

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3 Kommentare

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  • Die TAZ hätte uns warnen müssen. Dies ist die lediglich die Darstellung des Generalstaatsanwaltes. Die äußerst fragwürdige Behauptung, besagte verdächtige Polizisten hätten vom Dach des Hotels »Ukraina« aus geschossen kann man nur den Kopf schütteln, wenn man weiß, dass dieses Hotel seit Beginn der Demonstrationen unter vollständiger Kontrolle der Opposition gewesen ist. "Gegner der jetzigen Kiewer Machthaber verdächtigen schon länger die militante Gruppe »Rechter Sektor«, hinter den Schüssen auf Demonstranten und Polizisten am 20. Februar zu stecken", berichtet die Junge Welt heute. Warum weigert sich die Regierung Jazenjuk diesen Verdacht untersuchen zu lassen? Es wird jetzt streng darauf geachtet werden müssen, ob gegen die Polizisten überhaupt je ein Anfangsverdacht bestand und wie er begründet wurde! Es muss auch sichergestellt werden, das Aussagen jetzt nicht durch Folter erpresst werden! Niemand kann Berichte von Oleg Machnizki (Mitglied der rechtsradikalen "Swoboda-Partei)" ernst nehmen. Die TAZ scheint wenig Lust zu haben, den Dingen auf den Grund zu gehen. Es bleibt also bei Halbwissen.

  • Da in der Meldung immer wieder darauf hingewiesen wird, dass es nach wie vor keine neutrale Untersuchung gibt, geht eigentlich nur hervor, dass die neue ukrainische Regierung eine Staatsanwaltschaft hat, bei der man nicht weiß, ob sie neutral und ohne politische Vorgaben ermittelt.

     

    Kurzum:

    Es ist alles so wie vorher.

  • PH
    Peter Haller

    Könnte die taz auch mal der Vollständigkeit halber berichten, dass der Generalstaatsanwalt Oleg Machnizki ein Mitglied der rechtsradikalen "Swoboda" ist ? Das erklärt nämlich einiges! Oder passt das nicht ins "rechte Bild" ?