Verbot von Verschlüsselung: Die Rückkehr der Krypto-Krieger
Verschlüsselte Kommunikation? Wenn der Staat im Notfall mitlesen darf. Wie nach den Anschlägen von Paris eine alte Debatte ein Revival feiert.
Das Blut der Opfer von Paris war noch nicht kalt, da machte der Ruf nach einer Verschärfung der Sicherheitsgesetze besonders mit Blick auf elektronische Kommunikation schon die Runde. Neben der unvermeidlichen Vorratsdatenspeicherung macht inzwischen auch die Forderung nach einem Verbot oder zumindest der Beschränkung von Verschlüsselungen die Runde. Barack Obama, David Cameron, Thomas de Maizière: Sie alle wollen mitlesen können, was Terrorverdächtige sich zu sagen haben.
Dass sie damit die sichere Kommunikation aller Menschen aufs Spiel setzen, scheint sie nicht zu stören. Im Falle von de Maizière bedeutet die Forderung dazu noch eine 180-Grad-Wende, ist doch grade mal ein halbes Jahr vergangen, seit die Bundesregierung unter dem Eindruck des NSA-Skandals Deutschland zum „Verschlüsselungsstandort Nummer eins“ machen wollte.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ein wesentlicher Schritt zur sicheren Kommunikation im Internet die Wahl George Bushs zum US-Präsidenten im Jahr 2000 war. Denn auch wenn unter Bushs Ägide der „Krieg gegen den Terror“ eskaliert und unmittelbar damit verbunden das Überwachungssystem der NSA massiv ausgebaut worden ist – eine Front hat der Republikaner ruhen lassen: die sogenannten Crypto Wars.
Unter diesem Titel werden die Versuche zusammengefasst, Verschlüsselung von digitaler Kommunikation erstens als Waffe zu definieren und die dazu erforderliche Technologie damit unter anderem Exportbeschränkungen zu unterwerfen und zweitens die Mechanismen mit Hintertüren zu versehen, die staatlichen Diensten im Bedarfsfall Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation ermöglichen sollten.
Bürgerrechte und Wirtschaftsinteressen
Ausgefochten wurde der Kampf gegen diese Vorhaben von unwahrscheinlichen Verbündeten. Einerseits waren da Bürgerrechtler und Open-Source-Advokaten, die das Recht auf Privatheit verteidigten. Andererseits zeigten sich Banken und überhaupt der gesamte E-Commerce-Sektor an einer starken Verschlüsselung interessiert.
Wenn Firmen mit Geldverkehr im Netz eines nicht haben wollen, dann sind das bereits von vornherein einprogrammierte Sicherheitslücken im System. Nichts anderes aber wären Beschränkungen in der Leistungsfähigkeit der Verschlüsselung oder zu „treuen Händen“ hinterlegte Generalschlüssel bei Behörden, eines der Lieblingsprojekte des 2000 gegen Bush unterlegenen Al Gore.
Um die Jahrtausendwende also glaubten die Advokaten der Verschlüsselung ihren Krieg gewonnen zu haben. Snowdens Enthüllungen dämpften die Siegesgewissheit aber – zeigten sie doch, welche Mittel die NSA zum Beispiel in die Sabotage von Kryptografie zu stecken bereit ist. Die gute Nachricht aber ist bis heute: Eine frei verfügbare Verschlüsselungssoftware, Pretty Good Privacy (PGP) wird von Experten weiterhin als nicht zu knacken angesehen.
Nicht umsonst wurde eine entscheidende Schlacht der ursprünglichen Crypto Wars um PGP geschlagen. Gegen den Erfinder Phil Zimmermann, der den Code auch außerhalb der USA verbreiten ließ, wurde lange wegen des Bruchs des Exportverbots für Waffen ermittelt. 1996 musste die US-Regierung den Fall schließlich aufgeben.
Kollateralschäden der Cyber-War-Fantasien
Nun sind sie aber wieder voll dabei, die Krypto-Krieger, und sie beginnen denselben absurden Kampf aufs Neue. Unter ihrer Prämisse, dass das Internet ein (potenzieller) Kriegsschauplatz sei, geben sie vor, mit einer Beschränkung der Sicherheit seiner Nutzer am Ende ein höheres Maß an allgemeiner Sicherheit garantieren zu können. Plausible Belege für diese Behauptung bleiben sie dabei schuldig.
Schlimmer noch: Kollateralschäden wie der mögliche Bruch der Privatsphäre und des Schutzes sensibler Daten durch Dritte sind in den Cyberwar-Fantasien auch des deutschen Innenministers eingepreist – denn sie sind unvermeidlich. Die gegen diesen Irrsinn gesetzte Forderung des Chaos Computer Clubs nach einem Verbot jeglicher unverschlüsselter Kommunikation ist unter diesen Umständen nicht nur eine politisch-rhetorische Retourkutsche, sondern die einzig vernünftige Antwort auf die neu eröffneten Crypto Wars.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“