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Verbot von GehsteigbelästigungAmpel will Frauen schützen

Der Bundestag diskutiert das geplante Verbot von Gehsteigbelästigung. Immer wieder blitzt dabei die Debatte um Legalisierung von Abtreibungen auf.

Gehsteigbelästigungen durch Ab­trei­bungs­geg­ne­r:in­nen seien „unzumutbar“, sagte Frauenministerin Lisa Paus Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Der Frauenanteil im Bundestag liegt bei gerade mal 31 Prozent. Und doch redeten in der Debatte über das geplante Verbot sogenannter Gehsteigbelästigungen am Mittwochnachmittag im Bundestag nur Frauen. Dass Ab­trei­bungs­geg­ne­r:in­nen ungewollt Schwangeren den Gang zu einer Beratung zum „Spießrutenlauf“ machten, sei „unzumutbar“, erklärte Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne). „Und deswegen müssen wir das unterbinden.“

Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland verboten, unter bestimmten Bedingungen aber straffrei. So ist etwa eine Beratung vor dem Abbruch verpflichtend. Radikale Ab­trei­bungs­ge­ge­ne­r:in­nen postieren sich aber vielerorts vor eben diesen Beratungsstellen oder vor Arztpraxen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Oft halten sie Plakate oder Kreuze, verteilen Plastik-Embryos und beten lautstark. Manchmal sprechen sie die Beratungssuchenden direkt an.

Paus Gesetzesentwurf soll solche Gehsteigbelästigungen mit einer Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes verbieten. Er sieht zum einen „Belästigungsverbote“ vor, die eine Beeinträchtigung der Schwangeren im Umkreis von 100 Metern um die Beratungsstelle oder Einrichtung, die Abbrüche vornimmt, untersagt. Zum anderen untertellt er diese Belästigungen als Ordnungswidrigkeiten einem Bußgeldtatbestand von bis zu 5.000 Euro.

Die Union sieht keine Notwendigkeit für dieses neue Gesetz. So erklärte Silvia Breher (CDU), es gäbe bereits rechtliche Mittel, um gegen solche Belästigungen und Behinderungen vorzugehen. Dabei verwies sie auf den Straftatbestand der Nötigung, unter den solche Gehsteigbelästigungen bereits fallen würden. Breher bezweifelte, dass das Gesetz Betroffenen einen weitergehenden Schutz biete. Vielmehr werde ein solches Gesetz ohnehin vor Gericht einkassiert: „Diese Meinungsäußerungen können Sie nicht verbieten.“

Keine Schwangere treffe die Entscheidung leichtfertig

Der Nötigungs-Straftatbestand reiche keineswegs aus, erklärte die SPD-Abgeordnete Sonja Eichwede: Die Belästigungen seien psychische Gewalt. Es gebe aber keinen psychischen Gewaltbegriff im Strafgesetzbuch. „Wir haben die Frauen zur Beratung verpflichtet, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass sie ungescholten dazu kommen“, so Eichwede. Die FDP-Abgeordnete Nicole Bauer stellte klar: „Die Beleidigung und Einschüchterung von Frauen geht weit über Meinungsäußerung hinaus.“

Keine Frau treffe die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch leichtfertig, sondern vielmehr wohlüberlegt, sagte die Grünen-Abgeordnete Denise Loop. Den sogenannten Le­bens­schüt­ze­r:in­nen hielt sie entgegen: „Sie schützen mit Ihren Aktionen kein einziges Leben, im Gegenteil, Sie erschweren das Leben von Frauen.“

Immer wieder ging es am Rande der Debatte um die am Montag bekannt gewordenen Ergebnisse der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung. Die Expertinnenkommission empfiehlt, Schwangerschaftsabbrüche mindestens in den ersten 12 Wochen zu legalisieren.

Susanne Hierl (CSU) erklärte, auch beim geplanten Verbot der Gehsteigbelästigung dränge sich „der Verdacht auf, dass die Weichen für legalen Schwangerschaftsabbruch weiter gestellt werden sollen“. Beatrice von Storch aus der AfD warf der FDP-Rednerin Bauer in einem Zwischenruf vor: „Sie haben eine Agenda, Sie wollen die Abtreibung in toto legalisieren. Ihr Ziel ist es, §218 in kleinen Schritten abzuschaffen.“

Über die geleakten Ergebnisse der Expertinnenkommission wollte sich in der Debatte jedoch keine der Rednerinnen explizit äußern. Alle Seiten wiesen auf die offizielle Vorstellung der Ergebnisse am Montag hin. Der Entwurf geht nun in die jeweiligen Ausschüsse und wird dort weiter beraten.

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13 Kommentare

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  • @NORMALO

    Nö.

    Die Gehsteigbelästigung zielt direkt auf emotional vulnerable Menschen.

    Während das Nötigungsgeschwurbel der Autofahrer bei den Klimaklebern lediglich "reifizierte Freiheit" ist -- sie können ja eine Ausweichstrecke nehmen. Und bei einem "natürlichen" (HAH) Verkehrsstau jammern die auch nicht.

    • @tomás zerolo:

      Anders gesagt: Im einen Fall "Die armen Angesprochenen!", im anderen Fall "Die Genötigten sollen sich gefälligst nicht so haben!". Hinter die Stirn gucken können Sie denen allen nicht, aber Sie wissen trotzdem genau, wer hier wirklich und wer nur vorgeschoben Opfer sein MUSS.

      Q. E. D. zum Thema Doppelstandards

      Und: Die Rechtslage sieht es halt andersherum, weil sie die wie auch immer geartete verbale Einwirkung grundsätzlich weniger eingriffsintensiv beurteilt als die physische. Bloße moralische Einwirkung auf andere - auch gerade solche, die sich ihrer Sache nicht sicher sind - dürfte auch durch die Bank als probates Mittel der Überzeugung gelten. Als übergriffig wird man es wohl betrachten, wenn man das Ziel der Überzeugungstätigkeit für unethisch hält. Insofern hat Frau Hierl schon nicht ganz Unrecht, dass es vielen Befürwortern eines solchen Verbotes weniger darum geht, den betroffenen Frauen an sich als ihrer Entscheidung PRO Abtreibung eine besondere Schutzzone zu verschaffen. Und DAS ist mit der geltenden Verfassungsrechtsprechung schwer zu vereinbaren.

  • @NORMALO

    Sie verwechseln da was. Nicht darum geht es, dass Frau Hierl den Abtreibungsverbot aufrechterhalten will (schlimm genug, aber hey, das kennen wir schon).

    Die Perversion ist vielmehr dass sie sich für die Gehsteigbelästigung



    einsetzt.

    Bei "Klimaklebern" reagiert sie bestimmt giftig. Moment... ach ja, hier ist was:

    "Wir haben härtere Strafen für #Klimakleber gefordert! " [1]

    Wenn ich jetzt biblisch drauf wäre, dann würde ich was von Splitter und Auge und Balken und so sagen.

    Stattdessen denke ich mir was, was ich hier lieber nicht schreibe, weil unhöflich.

    [1] www.linkedin.com/p...7575942426625-zHH7

    • @tomás zerolo:

      Mit dem Auge und dem Balken wäre ich vorsichtig. Auch Sie sind nach meiner Erinnerung mal für, mal gegen "härtere" Protestformen - je nach Ziel. Da sollten Sie Anderen im Rahmen von deren Wertesystem auch die entsprechenden Doppelstandards zugestehen.

      Davon abgesehen haben wir es hier mit unterschiedlichen Rechtslage zu tun: Im einen Fall verstößt die gewählte Protestform gegen ganz allgemeine Grundregeln unserer Gesellschaft - niedergelegt im Nötigungsparagrafen des Strafgesetzbuchs. Und im anderen Fall tut die dort gewählte Form es nicht. Das stört Einige, die daraufhin die Regeln so ändern wollen, dass ganz speziell diese Protestform auch illegalisiert wird.

      In concreto haben wir also mal wieder so einen vermalledeiten "feinen Unterschied" am Start: Wenn die Abtreibungsgegnerinnen den Eingang zur jeweiligen Beratungsstelle oder Praxis effektiv absperren würden, wäre Frau Wierl vielleicht unter Jenen, die - analog der Sympathisanten der LG - so eindringlich wie vergeblich fordern, das doch bitte gefälligst nicht als Straftat zu sehen. Aber es wäre eine, und vielleicht würde Frau Wierl das umgekehrt sogar einsehen - man weiß es nicht. Ohne echte Behinderung aber ist es erstmal eine Demo. Und die findet naturgemäß da statt, wo sich ihre Teilnehmer die größte Wirkung erhoffen, weil sie schön nah an den Adressaten sind.

      Würden Sie doch auch nicht anders machen, oder? Sie würden vielleicht anderen Leuten ins Gewissen reden wollen, andere Dinge zu tun als ein Kind auszutragen, aber das ist Pluralismus: Jedem sein persönliches Steckenpferd, das er Anderen aufschwatzen kann. Der nächste hält mitten in München ein Pamphlet mit einer maritimen Navigationshilfe hoch und will mit Allen über Gott reden. Darf er. Genauso wie jeder Heide oder unerleuchtete Fehlgläubige dran vorbeigehen und das Geschwätz ignorieren darf.

  • Wo ist das Problem? Um jedes Parament/Stimmlokal gibt es schießlich schon jetzt eine/einen Bannmeile/Bannkreis. Ausserhalb der/des Bannmeile/Bannkreises kann jede+r , natürlich in den gesetzlich erlaubtzen Grenzen, freien Lauf lassen .



    Warum die Bannmeilenregelung nicht auf Praxen und Beratungsstellen anwenden ?



    Dem Mitteilungdrang religiöser Fanatiker wäre so genüge getan.

  • Ein spannender Diskurs.

    Dass eine an sich rechtmäßige Demonstration unzulässig wird, weil sie andere belästigt, wäre neu.

    Bisher haben Gerichte typischerweise andersherum priorisiert.

    • @rero:

      Es geht hier aber nicht um "eine an sich rechtmäßige Demonstration". Lesen Sie noch mal den Text. Da wird das erklärt.

      • @BrendanB:

        Der ganze Grund für die Verbots Initiative ist doch, dass es bislang KEINE rechtliche Handhabe dagegen gibt. Die Grenzen der Rechte, die die Abtreibungsgegnerinnen da ausüben, sind die Verbote, die für Alle gelten - Nötigung, Beleidigung etc.. Solange sie diese Grenzen nicht verletzen, braucht es eben so eine "Lex Gehsteigbelästigung", um sie rechtswidrig zu machen.

        Das KÖNNTE in Form einer klarstellenden Ausweitung des Gewaltbegriffs erfolgen (wobei es ein Irrtum ist, dass psychische Gewalt bislang generell unerfasst wäre - die Rechtsprechung zu Sexualdelikten hat da schon ordentlich vorgearbeitet). Aber man will wohl lieber gleich JEDE Demo verbieten, die konkret Abtreibungswillige adressiert. Das macht es leichter durchzusetzen, ist aber im Hinblick auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit zumindest bedenklich.

        • @Normalo:

          'Aber man will wohl lieber gleich JEDE Demo verbieten, die konkret Abtreibungswillige adressiert."

          Nö, das entspringt Ihrer Phantasie. Sie dürfen gerne eine Demo gegen Abtreibung anmelden. Nur nicht direkt vor einem Arzt, der solche anbietet zu seinen Öffnungszeiten und dabei direkt Frauen belästigen, die gerade auf dem Weg zu ihm sind.

          • @BrendanB:

            Dürfte ich - wenn ich wollte, was ich nicht will - nach derzeitiger Rechtslage eben sehr wohl, solange die "Belästigung" nicht die genannten Grenzen überschreitet. Und die Straßen vor Einrichtungen für Abtreibungswillige sind eben die Orte, wo man die besten Chancen hat, solche vorzufinden und mit der eigenen Heilsbotschaft zu konfrontieren.

            Ich muss auch ganz ehrlich sagen, dass ich diese "Gehsteigbelästigung" nicht in wirklich harter Form kenne. Als ich mal neben einer bayerischen Abtreibungsklinik wohnte, kamen die Abtreibungsgegnerinnen zwar alle Nase lang vorbei, aber das hatte eher was von Andacht oder Mahnwache (Marienstatue im Gepäck, Kinderbilder, Kerzen, Lieder, immer schön auf der gegenüberliegenden Straßenseite...) als von aggressiver Belästigung und fand auch meist außerhalb der normalen Arbeitszeit statt. Das Vereinsheim der Lebensschützer eine Ecke weiter bekam dagegen regelmäßig Pflastersteine ins Fenster. Muss wohl anderswo härtere Aktivisten geben...

            • @Normalo:

              Pflastersteine in Fenster werfen ist schon verboten. Jetzt wird es das Belästigen von Frauen auf dem Weg zur Abtreibung eben auch. Das hat nichts mit einem generellen Demonstrationsverbot für Abtreibungsgegner zu tun, wie Sie behaupten. Ihre persönlichen Erfahrungen mit den rücksichtsvollen, friedliebenden "Lebensschützer" haben danit nicht das Geringste zu tun.

  • "Susanne Hierl (CSU) erklärte, auch beim geplanten Verbot der Gehsteigbelästigung dränge sich 'der Verdacht auf, dass die Weichen für legalen Schwangerschaftsabbruch weiter gestellt werden sollen'."

    Hallelujah.

    Wie pervers manche Menschen doch sind. Bloss weil Frau Hierl nicht will, dass andere(!) abtreiben findet sie die Gehsteigbelästigungen schützenswert?

    Schützt die Kinder vor Armut! Sorgt dafür, dass Mütter mit Kindeern nicht ein höheres Armutsrisiko haben! Finanziert Frauenhäuser!

    So viel zu tun für Lebensschützer*innen...

    • @tomás zerolo:

      Frau Hierl hat als MdB einen Eid auf die Verfassung geleistet (in ihrem Fall wahrscheinlich MIT religiöser Beteuerung, aber das ist ein anderes Thema). Und die besagt - nach für alle derart Vereidigten verbindlich geltender Auslegung durch das BVerfG -, dass der Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verboten bleiben muss. Aktivitäten zur Aufhebung des Verbots sind entsprechend abzulehnen.

      Nicht alle ihrer Kollegen nehmen es mit DIESEM Aspekt ihres Eides so genau. Aber das dürfte kaum ein hinreichender Grund sein, Frau Hierl einen Strick daraus zu drehen, dass sie es tut, oder?