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Verbände fordern schnelleren BahnausbauStaat soll zügiger genehmigen

Highspeed statt Bummelzug: Verbände fordern von der künftigen Bundesregierung mehr Tempo beim Schienenausbau.

Schneller von A nach B: Die neue Bundesregierung soll mehr in den Schienenverkehr investieren Foto: Ralph Peters/imago

Berlin taz | Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und der Verband der Bahnindustrie (VDB) fordern von der kommenden Bundesregierung ein Beschleunigungsprogramm für den Ausbau der Schiene. Gehe der Ausbau im jetzigen Tempo weiter, drohe Deutschland die Klimaziele zu verfehlen, erklärten Vertreter der Verbände am Mittwoch in Berlin.

Deutschland will bis 2030 die CO2-Emission im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent senken. Eine Maßnahme, um das Ziel zu erreichen: Die Zahl der Fahrgäste im öffentlichen Verkehr soll sich bis 2030 verdoppeln.

„Wenn wir das nötige Wachstum bei Bus und Bahn erreichen wollen, dann müssen wir gemeinsam mit der Politik in allen Bereichen deutlich schneller werden“, sagte VDV-Präsident Ingo Wortmann, der auch Chef der Münchener Verkehrsbetriebe ist. Unter den 630 VDV-Mitgliedern sind viele öffentliche Verkehrsanbieter. Wortmann fordert einfachere Planungsverfahren für neue Strecken. Die Umweltverträglichkeitsprüfung könne zum Beispiel parallel zu den übrigen Genehmigungsverfahren erfolgen. „Wir müssen aufpassen, dass wir Bauvorhaben nicht unendlich verlangsamen“, sagte er. Der gesamte Prozess müsse beschleunigt werden. Dazu sei mehr Personal in den Behörden erforderlich.

Außerdem plädierte er für ein bundesweites Buchungssystem für den öffentlichen Verkehr. „Der Kunde muss buchen können von München-Bogenhausen bis Flensburg Alter Bahnhof“, sagte er. Doch dafür müssten alle Verkehrsbetriebe Daten bereitstellen. „Wir brauchen einen fairen Datenaustausch und nicht nur die Verpflichtung für öffentliche Unternehmen, Daten zu liefern“, sagte er.

Klimagerechte Vergabekultur

Auch der Bahnindustrie gehen Neuerungen nicht schnell genug. „Wir müssen vom Tempo eines Bummelzugs auf Highspeed umsteigen“, sagte VDB-Präsident Andre Rodenbeck. So seien die Mittel für die Digitalisierung der Schiene zwar beschlossen, aber bis auf Ausnahmen gebe es keine Finanzierungsvereinbarungen mit dem Bund. Mit der Einführung des digitalen Zugsicherungssystems European Train Control System zum Beispiel könnten die Kapazitäten auf der Schiene um 30 Prozent gesteigert werden. Durch den Einsatz können Züge in kürzeren Abständen nacheinander fahren.

Die deutsche Bahnindustrie beteilige sich in vielen anderen Ländern an der Digitalisierung des Schienennetzes, sagte Rodenbeck. „Nun ist es an der Zeit, dass dies auch in Deutschland gelingt“, sagte er. „Die Bahnindustrie steht bereit und möchte liefern.“ Rodenbeck mahnte eine „klimagerechte Vergabekultur“ an. Der Aspekt Nachhaltigkeit müsse bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand ein größeres Gewicht erhalten. Nur den geringsten Anschaffungspreis zu sehen, sei zu wenig.

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3 Kommentare

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  • Ich finde, dass die Bahn nur schneller und pünktlicher werden kann, wenn sie die Gleisstränge für Personen- und Güterverkehr trennt, also entweder nebeneinander und in jeweils nur einer Richtung verkehren lässt, oder für den Güterverkehr ein völlig eigenes Gleisnetz baut. Und dafür muss unsere künftiger Verkehrsminister richtig Geld in die Hand nehmen, das er eventuell an anderer Stelle (z.B. Automobil) zurückfahren könnte.

    In den Schubladen vieler Firmen liegen teils Jahrzehnte alte Patente für umwelt- und ressourcenschonende Herstellungsweisen, die aus dem einfachen Grunde nie realisiert wurden, weil die Angst vorherrschte, dass zu viele Arbeitsplätze verloren gehen und die ganze Wirtschaft den Bach runter gehen könnte. Diese Ängste haben uns dahin gebracht wo wir heute stehen - am Abgrund. Wir müssen uns von ihnen trennen und aufhören uns von Leuten in Panik und Hysterie versetzen zu lassen, die nur eines antreibt: die Angst um ihre eigenen Privilegien und Gewinne. Arbeitsplatzverlust ist eines der Dinge, die uns nun wirklich nicht zu ängstigen brauchen, soweit wir uns nicht an unsere Plätze klammern, sondern uns zutrauen, auch auf anderen Stühlen Platz zu nehmen. Denn künftig wird es soviel zu tun geben, das auch gut bezahlt werden wird, dass uns hier niemand damit mehr ins Bockhorn jagen können wird.

    • @noevil:

      "In den Schubladen vieler Firmen liegen teils Jahrzehnte alte Patente für umwelt- und ressourcenschonende Herstellungsweisen"



      Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Welches Unternehmen würde denn auf diesen Kosten- und Vermarktungsvorteil verzichten? Besonders da nach Ablauf der Patentlaufzeit die Konkurrenz 'zuschlagen' könnte.



      Hast du vielleicht ein paar konkrete Beispiele zur Verdeutlichung?

      "[...] die Gleisstränge für Personen- und Güterverkehr trennt, also entweder nebeneinander und in jeweils nur einer Richtung verkehren lässt [...]"



      Eine einspurige Strecke würde zweispurig (ein Gleis für Personen, ein separates für Güter), entgegenkommender Verkehr muss weiterhin in Bahnhöfen oder über Ausweichen getaktet werden.



      Die zweispurige wird analog hierzu vierspurig. Das erscheint mir ein Overkill für Pünktlichkeit und Schnelligkeit. Wie wäre es erst mal mit moderner Stellwerk- und Signaltechnik, automatischer Abstandhaltung und Geschwindigkeitskoordination? Deutschland nutzt hier teils noch Reichstechnik.



      Das ist auch bedeutend umweltfreundlicher als den Flächenverbrauch zu verdoppeln.

  • Hier geht es doch wieder nur um Bauaufträge etc.

    Das Problem der Deutschen Bahn sind allerdings weniger die fehlenden Strecken als vielmehr die grundsätzliche Organisation und das Bedienen der vorhandenen Strecken.

    Journalist*innen, die auf Spesen zwischen Berlin, Hamburg, Frankfurt, München im ICE unterwegs sind, können vielleicht nicht abschätzen, dass das größte Optimierungspotential im Nahverkehr der Ballungsräume wie Ruhrgebiet/Rheinschiene und im täglichen Pendlerverkehr rund um die Großstädte besteht. Die täglichen Autostaus dort wegen des Umfangs die Klima- und Feinstaubbelastung schlechthin und nicht zu vergleichen mit dem Wegfallen von Inlandsflügen zugunsten schneller Zugverbindungen.

    Die Chancen für den Güterverkehr hat die Bahn politisch seit den 1990er-Jahren nachhaltig bis heute verspielt. Während z.B. die Niederlande in moderne Güterlogistik per Bahn investierten, setzte Deutschland auf LKWs und verkaufte die Grundstücke der ehemaligen Güterbahnhöfe. Dazu kommt ein kranker neoliberaler Wettbewerb, der Bundesländer mit Seehäfen gegeneinander ausspielt (Hamburg vs. Wilhelmshaven vs. Emden vs. Ruhrgebiet per Eisernem Rhein etc.). Der Drops ist gelutscht, da helfen auch keine neuen Baumaßnahmen mehr außer dass die noch mehr Flächenversiegelung und Beton in Stadt und Land bringen. Hier helfen nur gemeinsame europäische Lösungen nach Vernunftkriterien und nicht nach dem Schema "Alle gegen Alle".