Veranstaltung am Holocaustgedenktag: Neonazis torpedieren Online-Vortrag
Bei einer Zoom-Konferenz der Gedenkstätte Ahrensbök wählten sich Neonazis ein. Sie hielten Hakenkreuze in die Kamera und zeigten Enthauptungsvideos.

Öffentlich zugängliche Videokonferenz: schwer zu kontrollieren, wer sich da einwählt Foto: dpa / Sebastian Gollnow
Zum Holocaustgedenktag in der vergangenen Woche organisierte die Gedenkstätte Ahrensbök in Schleswig-Holstein eine Zoom-Veranstaltung. Der Historiker und Zeitzeuge Jörg Wollenberg sprach dort über den Todesmarsch von Auschwitz nach Holstein und die Bombardierung der „Cap Arcona“ mit Tausenden KZ-Häftlingen an Bord. Nach etwa 30 Minuten begannen sechs rechtsextreme Männer das Gedenken „zu torpedieren“, sagt Gedenkstättenleiter Sebastian Sakautzki.
Die virtuelle Veranstaltung war auf der Website der Gedenkstätte beworben worden. Einzelne Medien wiesen vorab auf den Vortrag hin. Nach einer namentlichen Anmeldung war eine Teilnahme möglich.
Die Täter hätten aber offensichtlich keine Klarnamen benutzt, sagt Sakautzki. So gelang es ihnen, sich bei der Zoom-Veranstaltung einzuwählen. Beim Vortrag begannen sie, Hakenkreuze und weitere Schmierereien in ihre Kameras zu halten. Sie skandierten „Heil Hitler“ und zeigten Aufnahmen von rechtsextremen Aufmärschen. Sakautzki unterbrach die Veranstaltung.
Einem Teil der Störer gelang es, sich bei einem Neustart wieder einzuwählen, um Enthauptungsvideos zu zeigen. Erneut wurde unterbrochen. Erst beim zweiten Neustart gelang es den Tätern nicht mehr, sich wieder einzuschalten.
Seit Beginn der Pandemie finden verschiedene Online-Veranstaltungen zum historischen Nationalsozialismus und aktuellen rechten Entwicklungen statt. Störaktionen und Provokationen kamen seither immer wieder vor.
Am Montag hat die Gedenkstätte Anzeige wegen der Störaktion erstattet
Am Montag hat die Gedenkstätte Anzeige wegen der Störaktion erstattet. „Diese Störaktion bleibt von uns nicht unwidersprochen“, hatte Daniel Hettwich, Vorsitzender des Trägervereins, zuvor angekündigt. „Dass die vermutlich Rechtsradikalen dieses historische Datum und den Vortrag eines Zeitzeugen als Plattform nutzten, macht deutlich, wie wichtig die Arbeit in der Gedenkstätte ist“, sagt er.
Gedenkstättenleiter Sakautzki geht davon aus, „dass die Aktion geplant und arbeitsteilig organisiert war“. Er sei dankbar, dass Wollenberg sein Referat unbeirrt fortsetzen wollte. „Auch seitens der Zuhörer, von denen einige so geistesgegenwärtig gewesen waren, Fotos von den Störer-Szenen zu machen, ist der Zuspruch, sich nicht einschüchtern zu lassen, groß gewesen.“
Tobias von Pein, SPD-Landtagsabgeordneter, zeigt sich entsetzt von der Störaktion: „Das ist nicht nur ekelerregend, es ist auch ein Zeichen für die Aggressivität von Rechtsextremisten, die in der gesamten Gesellschaft Boden erobern und zugleich Demokraten und Antifaschisten zurückdrängen wollen.“
Der schleswig-holsteinische Verfassungsschutz geht aktuell von 120 NPD-Mitgliedern und 10 Anhänger:innen der Partei „Die Rechte“ aus. Das „Personenpotenzial“ im rechten Spektrum liege insgesamt aber bei 920 Personen. 56 Straf- und drei Gewalttaten verübten rechte Täter:innen in der Region Ostholstein im Jahr 2020.
Leser*innenkommentare
HippieJonny
Wie wäre es mit ein paar Worten, wie die Polizei diese Volksverhetzer nun dranzukieegen versuchen will. Das sollte möglich sein...
LeSti
@HippieJonny Haben Sie die umfangreiche Darstellung überlesen? Ich konnte dem Artikel alle Planungen entnehmen, die aktuell vorliegen.