piwik no script img

Debatte um Ukraine-KriegDie extreme Rechte ist gespalten

Auf welcher Seite soll man im Ukraine-Krieg stehen? Rechte im Norden sind sich nur in einem einig: Nicht alle Geflüchteten sind ihnen willkommen.

Welche Brosche soll man sich anstecken? Die extreme Rechte ist sich uneins Foto: Marek Studzinski/Unsplash

D ie extreme Rechte ist gespalten in der Einschätzung des Kriegs in der Ukraine: Aus nationalistischen Gründen ist man entweder auf der Seite Russlands oder der Ukraine. Auf beiden Seiten der Front stehen auch die Sym­pa­thi­san­t:in­nen von AfD bis NPD. Zwei Narrative haben sie im Norden aber gemein: Die Nato-Staaten sind verantwortlich und nicht alle Geflüchteten sind willkommen.

Der Vorsitzende der Hamburger AfD-Bürgerschaftsfraktion, Dirk Nockemann, sagte, dass „der Angriff Russlands auf die Ukraine – bei allem Verständnis für die russischen Sicherheitsinteressen – durch nichts gerechtfertigt“ sei und forderte: „Russland muss die Kampfhandlungen umgehend einstellen und seine Truppen zurückziehen.“ Die Leidtragenden seien die Menschen in der Ukraine, die das „Opfer einer globalen geopolitischen Auseinandersetzung zwischen der Nato im Westen und Russland im Osten“ seien. Mit dem Verweis auf die Nato wird dieser eine Mitschuld an dem Angriffskrieg unterstellt.

Das latente Verständnis für Russland geht in der extremen Rechten auf eine frühe Sehnsucht zum Osten hin zurück. Bereits in den Befreiungskriegen gegen die Vorherrschaft Frankreichs unter Napoleon Bonaparte von 1813 bis 1815 schlugen Akteure extrem nationalistische Töne an, sahen in der deutschen Mystik eine enge Nähe zur russischen Seele, tief verwurzelt in Wald und Boden.

Die Aufklärung, aus Frankreich kommend, wurde als des Deutschen und Russen fremd angefeindet. Insofern dürften die heutigen Bemühungen der extremen Rechten um Russlanddeutsche auch nicht zufällig sein.

NPD sieht die Existenz des deutschen Volkes bedroht, wie immer

In Hamburg erklärte der NPD-Landesverband allerdings auch, dass „die westlichen Alliierten der Ukraine“ das Land „auf Konfrontationskurs gegenüber Rußland gebracht“ hätten und so „die Konjunktur der Kriegsindustrie im Westen ein Allzeithoch“ bescheren würde. Den Preis für die „geopolitischen Zündeleien“ müssten „neben den betroffenen Ländern die europäischen Verbündeten der USA“ zahlen.

Der NPD-Landesvorsitzende Lennart Schwarzbach verkündet zudem, dass „Rußland und die USA auch heute noch offiziell Verbündete gegen unser Deutsches Reich und damit gegen alle Deutschen“ seien. Von der NPD heißt es auch, dass die Nato erst Kriege und dann „Flüchtlingsströme“ verursachen würde, welche „die Existenz des deutschen Volkes und anderer Nationen“ bedrohe.

Die Geflüchteten machen auch Alexander Wolf Sorgen. Der Hamburger Vize der AfD-Bürgerschaftsfraktion begrüßt „die Hilfs- und Aufnahmebereitschaft gegenüber den vor Krieg und Unrecht fliehenden Ukrainern“, beklagt aber, dass „Hamburg aufgrund einer völlig verkorksten rot-grünen Asylpolitik nur begrenzte Kapazitäten“ hätte. Seine

Empfehlung ist, „zwischen Wirtschafts- und Kriegsflüchtlingen“ zu unterscheiden und er fordert, „ausreisepflichtige Migranten schnellstmöglich abzuschieben und Platz für echte Flüchtlinge zu schaffen“. Die Selektionen an den Grenzen dürfte der Forderung entgegenkommen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
Mehr zum Thema

0 Kommentare