Veränderungen bei Politik und Kirche: Was ist denn „auskömmlich“?
Hartz IV heißt bald Bürgergeld, die SPD stellt sich neu auf und die katholische Kirche will den Alten-weißen-Mann-Charme ablegen.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: CDU-Spitze wählt die Basis zur Trümmerfrau.
Und was wird besser in dieser?
Wie Laschet die eigene Insolvenz verwaltet, hat schon Größe.
Hartz IV heißt bald Bürgergeld. Im taz-Interview sagte SPD-Vorsitzende Saskia Esken, es soll „auskömmlich“ sein. Was genau dürfen wir uns darunter vorstellen?
„Auskömmlich“ sind weder die 446 Euro Ist-Zustand noch die 600 Euro, die Sozialverbände fordern. Bis zum Lohn ist da noch reichlich Abstand, zumal der Mindestlohn erhöht werden wird. Esken macht jedoch zwei interessante Angebote: Differenzierungen. Für die alleinerziehende Mutter kann nicht der gleiche Jobdruck gelten wie für Ungebundene. Ein neues Kindergeld könne endlich den Wohlstand der Eltern berücksichtigen. Im günstigen Fall gibt es auf die Frage „wie hoch wird das Bürgergeld?“ also keine Antwort, weil es viele, jeweils angemessenere Leistungen geben wird. Bisher ist dieses „Bürgergeld“ nur eine gute Nachricht für die Familie Hartz. So möchte man nicht heißen.
Genosse Norbert Walter-Borjans will nicht mehr für den SPD-Vorsitz kandidieren. Er habe die Partei auf Kurs gebracht und nun sollten Jüngere ans Steuer. Was glauben Sie, wer sein Nachfolger wird?
Die vielgeschmähte Links-links-Lösung Nowabo und Esken erlaubte es der SPD, zugleich einen recht rechten Kandidaten zum Erfolg zu führen. Zudem hielt sich das Geltungsbedürfnis der beiden elder statespeople wohltuend in Grenzen. Esken weiß, dass sie alles ist, was sie jemals hätte werden können. Scholz wird das gerade. Nun ließe sich neben Esken mit Lars Klingbeil ein eher rechter Sozi aufbauen, der Kampagne und Timing und klug Schnauze halten kann. Kevin Kühnert muss zur Bewährung erst mal in irgendein Amt, und „Karl Lauterbach vom Dienst“ bei Markus Lanz ist kein Amt. Natürlich spricht auch nichts gegen eine gendersymbolische Doppelfrauenspitze – außer Franziska Giffey, die es sofort machen würde. Eben.
Von wegen alter weißer Mann: die katholische Jugend diskutiert darüber, Gott* in Zukunft zu gendern und damit Pluralität in das Gottesbild zu bringen. Halleluja oder um Gottes willen?
Gute Idee, will man AltgermanInnen lachen hören: Das Wort „Gott“ war ursprünglich ein Neutrum und galt für Gottheiten beiderlei Geschlechts. Es stammt vielleicht vom „anrufen“ wie beim Gebet oder „ausgießen“ wie beim Opfer. „Erst unter christlichem Einfluss wird das Genus maskulin“, notieren etymologische Lexika. Ich rufe der katholischen Jugend zu: Ihr habt’s versaut, bringt es gottverdammt nochmal in Ordnung. Das Gott.
Facebook heißt jetzt Meta. Der neue Name kann jedoch nicht verschleiern, was die „Facebook Papers“ aufgedeckt haben: unter anderem soll über die Plattform Menschenhandel betrieben worden sein – Facebook gibt sich nichtsahnend. Haben Sie Ihren Account schon gelöscht?
Ich weiß, bei Facebook zu sein, um es „nur als Verbreitungsweg zu nutzen“ ist wie die Leute, die damals den Playboy nur wegen der guten Interviews lasen. Ich bin da mit meiner Tochter „befreundet“ und ein paar Leuten, die ich versehentlich angeklickt habe. Über die weiß ich jetzt schon mehr als damals ihr Führungsoffizier. Ja, müsste man löschen, bis globalen Plattformen auch globale Regulierungen gegenüberstünden.
Es ist wieder so weit: mit dem Beginn der Winterzeit wurden die Uhren eine Stunde zurückgestellt. Eine Forsa-Umfrage von 2020 ergab, dass viele Deutsche infolgedessen unter Schlafstörungen, Gereiztheit und depressiven Verstimmungen leiden. Was sind Ihre Tipps gegen den Mini-Jetlag?
Niemand will die Zeitumstellung, die ehedem wissenschaftlichen Argumente sind widerlegt, die militärischen hinfällig. Die EU-Kommission und das EU-Parlament wollen sie seit 2018 abschaffen. Also ist die Sommerzeit eines jener Unglücke, an denen wir festhalten, weil wir uns das Glück zwar wünschen, aber im Unglück eher zu Hause fühlen. Mit dieser tiefen Einsicht kann man die Bonusstunde im Herbst verbringen.
Ab 2022 soll in Spanien Süßigkeitenwerbung verboten werden, die sich gezielt an Kinder richtet. Brauchen wir das in Deutschland auch?
Ja. Doch wie heißt dann Kinder-Schokolade in Spanien? Altersinklusives Überraschungsei?
Und was machen die Borussen?
Wir haben einen gut aussehenden Trainer, aber die Kölner haben einen hochemotionalen, quasi rheinischen Klopp, mit einer Laufleistung knapp oberhalb aller Feldspieler, also – 2 zu 0 schön aber nicht ganz gerecht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen