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Venezuelas Grenzstreit mit GuyanaDroht die Invasion?

Jürgen Vogt
Kommentar von Jürgen Vogt

Auf der Karte hat sich Venezuelas Staatschef Maduro die guyanische Region Essequibo schon einverleibt. Es geht um Öl – und einen Streit mit ExxonMobil.

Nicolas Madura zeigt schon mal die neue Landkarte mit der Einverleibung von Guyana Foto: Zurimar Campos/Prensa Miraflores/dpa

M it einem nicht bindenden Referendum über eine Teilannexion Guyanas und dessen Umwandlung in einen venezolanischen Bundesstaat sieht sich das Regime in Caracas legitimiert, sich den Nachbarstaat einverleiben zu können.

Am Dienstag zeigte Staatschef Nicolás Maduro mit großem Tamtam die neue Landkarte, die nun im Schulunterricht verwendet werden soll, und kündigte die Vergabe von Lizenzen für die Ausbeutung von Erdölvorkommen im künftigen neuen Staat an, als wäre Essequibo bereits der 24. Bundesstaat.

Cherchez la femme, heißt es im Krimi. Such nach dem Öl, heißt es für Venezuela. In dem Karibikstaat hängt sprichwörtlich alles am Öl. Die Begehrlichkeiten in Bezug auf den kleinen Nachbarn Guyana sind gewachsen, seit dort 2015 große Ölvorkommen festgestellt wurden und die Lizenz zu deren Ausbeutung an das US-Unternehmen ExxonMobil vergeben wurde.

Mehr Ölreserven in Guyana als in Kuwait

Da kommt ein jahrzehntealter Grenzstreit gerade recht, zumal im Oktober noch ein weiterer bedeutender Ölfund gemacht wurde, der die Reserven Guyanas auf mindestens 10 Milliarden Fass Öl erhöht. Damit übertrifft das südamerikanische Land sogar Kuwait oder die Vereinigten Arabischen Emirate.

Zwischen Venezuela und ExxonMobil tobt ein alter Streit, seit die Regierung in Caracas 2007 die Einrichtungen des Ölkonzerns in Venezuela verstaatlichte und später von einem internationalen Schiedsgericht zur Zahlung von Entschädigung in dreistelliger Millionenhöhe verurteilt wurde. Dass ExxonMobil im August nur 76 Millionen US-Dollar im Rahmen einer weiteren 1,4 Milliarden US-Dollar schweren Klage des Konzerns gegen Venezuela zugesprochen wurden, feierte Venezuelas Regierung als Erfolg.

Dass die Regierung Guyanas vor Kurzem Konzessionen für die neu entdeckten Vorkommen an sechs Ölgesellschaften, darunter ExxonMobil, vergeben hat, hat den Streit nun weiter angeheizt. Maduro hat den Unternehmen ein Ultimatum von drei Monaten gestellt, um ihre Aktivitäten einzustellen. Mindestens so lange wird er keine Invasionstruppen in Marsch setzen.

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Jürgen Vogt
Korrespondent Südamerika
Kommt aus Karlsruhe. Studierte Politische Wissenschaft in Hamburg und Berlin und arbeitete zwölf Jahre als Redakteur und Geschäftsführer der Lateinamerika Nachrichten in Berlin. Seit 2005 lebt er in Buenos Aires. Er ist Autor des Reisehandbuchs “Argentinien”, 2024, Reise Know-How Verlag.
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12 Kommentare

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  • Offenkundig recht es Venezuelas Busfahrer Nummer 1 nicht mehr nur das eigene Land vor die Wand zu fahren. Seit Beginn seiner Amtszeit hat Madura immerhin eine Inflation von 500.000 % zuwege gebracht.

  • @ Suryo "Wie sehen die das eigentlich, dass hier ein Staat vollkommen dreist zwei Drittel eines Nachbarstaates haben will..." Ganz locker sehn die das natürlich, genau wie bei Russland und der Ukraine. Die zu "fragen" haben Sie nicht wirklich ernstgemeint, oder ?

    • @lesnmachtdumm:

      Doch. Denn in diesem Fall können nicht mal die behaupten, dass da irgendwie der Westen oder die NATO schuld seien.

  • Die bisherigen Grenzen basieren auf einem Schiedsspruch von 1899, und seitdem war Ruhe, aber jetzt gibt es Öl im Dschungel, da rentiert es sich, eine alte Landkarte von vor 1899 rauszuholen, auf der die alten Gebietsansprüche noch drauf sind. Ich frage meine eigenen Bürger und Bürgerinnen, ob zwei Drittel des Nachbarlandes zum eigenen Land gehören, bekomme eine 95%ige Zustimmung und hole es mir dann.

    Klasse Idee: könnten wir doch auch machen: alte Landkarten rausholen - wir müssten gar nicht solange wie Maduro zurückgehen, Elsaß/Lothringen im Westen, Schlesien, West- und Ostpreussen im Osten, und finanziell würden sich Luxemburg und die Schweiz (gut, bei der Schweiz wären die Landkarten dann aus dem Mittelalter) rentieren. Und Liechtenstein hat doch bis zuletzt (1866) auch zum Deutschen Bund gehört.



    PS: Der letzte Abschnitt war Satire und dient nur als Vergleich.

  • Mich würde wirklich interessieren, was die deutschen Politiker_innen, die seit Jahren Solidarität mit Venezuela bekunden, dazu sagen.

    Könnte die Taz mal bitte bei Sevim Dagdelen, Andrej Hunko und Zaklin Nastic nachfragen? Wie sehen die das eigentlich, dass hier ein Staat vollkommen dreist zwei Drittel eines Nachbarstaates haben will, noch dazu eines Staates, der durchaus auch ziemlich links ist?

    • @Suryo:

      Ist die Frage ernst gemeint? Die hatten doch schon wenig bis nix gegen den russischen Überfall auf die Ukraine...

  • Ein weiterer Beweis, dass Maduro NICHT sozialistisch regiert: Er will den Regenwald abholzen für Rohstoffe, sowie Grenzen verschieben anstatt Grenzen einreißen.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Seit wann hat Sozialismus etwas mit Umweltschutz zu tun?

      Das beste, was der Elbe passieren konnte, war der Kollaps des Ostblocks. Und um Bitterfeld ist immer noch alles verseucht.

      • @Suryo:

        Weil Sozialismus nunmal nicht bedeutet, kapitalistisch zu regieren. Und besonders nicht gegen Menschenrechte. Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer.

        Ist bei Maduro der Fall. Er will Öl, um Reichtum zu sichern. Auf Kosten des Regenwalds. Ist also nichts anderes als die USA.

        • @Troll Eulenspiegel:

          In der DDR wurde nicht kapitalistisch regiert.

          Trotzdem war die Umweltverschmutzung immens und Bürger, die sich für die Umwelt engagierten, wurden von der Stasi beobachtet. Denn wer die Umweltverschmutzung kritisierte, kritisierte damit auch die sozialistische Wirtschaftspolitik, also auch den Sozialismus an sich, so die Denke.

        • @Troll Eulenspiegel:

          Also, wenn's einem nicht gefällt, kann's kein Sozialismus sein?

          Mit der Logik erspart man sich ja jede Diskussion....

      • @Suryo:

        Da können Sie einfach mal nach Rojava schauen. Oder nach Chiapas.