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Utøya-Attentäter vor GerichtBreivik beantragt Entlassung

Ein Gericht klärt, ob der verurteilte Massenmörder Anders Breivik die Haft frühzeitig verlassen kann. Ein neues Gutachten spielt eine wichtige Rolle.

Anders Behring Breivik (2.v.r) beim Auftakt der Verhandlung zu seinem zweiten Antrag auf Freilassung auf Bewährung, am 19.11.24 Foto: Beate Oma Dahle/NTB/dpa

Härnösand taz | Er ermordete 77 Menschen, verletzte 90 weitere und stürzte Norwegen in Schock und Trauer. Gut 13 Jahre nach seinen Anschlägen von Oslo und Utøya lässt Anders Behring Breivik in Norwegen erneut von einem Gericht prüfen, ob er unter Auflagen vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen werden kann.

Sein erster Versuch Anfang 2022 war glatt abgeschmettert worden. Aber seit er die im Urteil festgelegte Mindestzeit von zehn Jahren abgesessen hat, ist es sein Recht, jährlich einmal überprüfen zu lassen, ob er sich weiterentwickelt hat.

„Eine große Belastung für die Betroffenen“ nannte eine Vertreterin der Hinterbliebenen den erneuten Breivik-Auftritt diese Woche. „Aber wir müssen das Rechtssystem respektieren“, sagte sie dem norwegischen Rundfunk NRK.

Am Mittwoch wurde ein neues psychiatrische Gutachten präsentiert – das erste seit dem Prozess von 2012. Ob Breivik bei seinen Taten psychotisch und damit vermindert schuldfähig war, ob er in die Psychiatrie oder ins Gefängnis geht – das wurde nach den unvorstellbar grausamen Taten zur zentralen Frage, und zwei Gutachten kamen damals zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Das Gericht entschied letztlich, Breivik als zurechnungsfähig einzuschätzen und zu 21 Jahren Verwahrung im Gefängnis zu verurteilen.

Gutachter bestätigen Zurechnungsfähigkeit

Und so sahen es nun auch die neuen Gutachter: „Wir finden keine Anzeichen von Schizophrenie oder anderen psychotischen Zuständen“, erklärten Kåre Nonstad und Pia Jorde Løvgren in einem provisorischen Gerichtssaal in der Turnhalle des Gefängnises Ringerike, wie der NRK berichtete.

Sie attestierten Breivik, wie eines der früheren Gutachten auch, eine narzisstische und dissoziale Persönlichkeitsstörung. Anders als damals unterstrichen die Gutachter aber nun vor allem die problematische Verbindung mit extremistischen Ideologien. Viele Menschen hätten solche Abweichungen in der Persönlichkeitsstruktur, begingen aber nicht solche Taten. „Deshalb halten wir das als Erklärungsmodell für weniger wichtig als die extremistischen Haltungen selbst“, sagte Løvgren.

Die Ideologie sei bei Breivik seit 2011 unverändert. „Das Rechtsextreme ist seine Identität geworden.“ Das Risiko für neue Gewalttaten bei einer Freilassung oder bei gelockerten Haftbedingungen sei deutlich vorhanden. Und es sei kaum vorstellbar, dass es irgendwann besonders eingegrenzt werden könnte.

Eine Einschätzung der Gutachter hörte Breiviks Anwalt Øystein Storrvik offenkundig gern: Sie meinten, dass eine Veränderung des Gefangenen ohne Kontakt zu anderen Menschen und anderen Haltungen noch unwahrscheinlicher sei.

Kritik zu Haftbedingungen

Erst im Januar dieses Jahres war Breivik wegen der Haftbedingungen vor Gericht gezogen – er hat außer zu Gefängnisangestellten, Anwälten und anderen Berufsvertretern keinen Kontakte.

Storrvik argumentierte nun gebenüber dem Gericht, Kontakte seien zur De-Radikalisierung seines Mandanten notwendig, das sagte er am Donnerstag der Nachrichtenagentur NTB.

Breiviks Auftritte vor Gericht werden nicht mehr live gestreamt, seit klar wurde, dass er sie für die Zurschaustellung rechtsextremer Gesten und Botschaften nutzt. Medien verbreiten auch nicht mehr jedes seiner Plakate, jedes Handzeichen und jede Geste auf Fotos – sondern beschreiben sie mit Worten.

Dieses Mal hatte Breivik sich den Bildern zufolge ein russlandfreundliches Z in die Frisur rasiert. Er bat eingangs die Hinterbliebenen um Verzeihung, erklärte aber dann, seine Taten notwendig gewesen, und schilderte seinen Anteil an der wachsenden Rechtsextremen weltweit.

Schwerstes Verbrechen Norwegens

Staatsanwältin Hulda Olsen Karlsdottir sagte, das Gutachten führt nicht dazu, dass die sie die Frage der Entlassung anders bewertet. Sie sehe keine Änderungen bei Breivik, die sie anders auf die Wiederholungsgefahr blicken lasse.

Niemand vor ihm habe in Norwegen je ein derartig schweres Verbrechen begangen. Das Urteil wird für Anfang Dezember erwartet.

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15 Kommentare

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  • Wenn wir ihm keine Chance geben, können wir ihn auch gleich umbringen. Durch Haft entsteht nur weiteres Leid. Der Mann braucht eine Therapie in einem sicheren Rahmen. Und ganz nebenbei tragen wir auch der Menschenwürde Rechnung, wenn wir dadurch seine sozialen Bedürfnisse anerkennen. Dass ich das überhaupt so erwähnen muss, als wäre der Mann unwiderruflich ein Monster, das man quälen und in Ketten halten muss, ist schon beschämend. Wir sind doch hier nicht beim Herrn der Ringe, wo die Orks das indiskutable Böse darstellen. In Wirklichkeit müssen wir Anderen Individuen erst die Würde nehmen, um sie dann unsererseits würdelos behandeln zu können. Entmenschlichung wird das meistens genannt. So funktioniert Gewalt. Herzlich willkommen in seiner Welt.

  • Daß so etwas wie Entlassung bei der Schwere dieser Straftat überhaupt zur Sprache kommt, ist schon beschämend, sowohl für Norwegen, aber auch anderswo, wo "lebenslänglich" meist "mind.. 15 Jahre" bedeutet.

    es gibt Fälle, wo man dies durchaus in Betracht ziehen kann, aber bei derart menschenverachtendem Tun sollte "lebenslänglich" auch wörtlich genommen werden.

  • Bei solchen Tätern sieht man, wohin ein liberales Strafrecht führen kann.



    In Norwegen ist meines Wissen die Höchststrafe, egal wie viele Morde jemand begannen hat, 21 Jahre. Die Strafe kann verlängert werden bei Wiederholungsgefahr, vergleichbar mit der Sicherheitsverwahrung bei uns.

    Wenn alle Gutachten Breivik Zurechnungsfähigkeit zusprechen, wie will man dann eine Wiederholungsgefahr begründen ?

    Er könnte ja dann ganz rational argumentieren, daß er seine Überzeugungen, die ihn zu seinen Morden veranlaßt haben, jetzt besser verbreiten kann, wenn er in Freiheit Vorträge hält statt weitere Morde zu begehen.

  • 21 Jahre für 77 Menschen und 90 Verletzte mit der Möglichkeit nach 10 Jahren.....in was für eine Welt wurden wir hineingeboren. Er war schließlich kein Muslim und nur ein bisschen ausser sich.

  • Sollte er wirklich freigelassen werden, ist das nicht nur eine brutale Ohrfeige für die Opfer und deren Angehörige, es wäre auch ein verheerendes Signal an alle Rechtsextremen, die dann wissen, dass sie für ihre Gewalttaten kaum noch echte Konsequenzen zu befürchten haben.

  • Es ist doch keinem Menschen zu vermitteln, warum so jemand auf einem anderen Weg, als in einem Sarg aus der Haftanstalt entlassen werden sollte. Das gleiche gilt für sämtliche Terroristen und Mehrfachmörder egal ob links, rechts oder religiös motiviert.



    Ich verlange mich (so sicher wie möglich) in der Öffentlichkeit bewegen zu können. Menschen die einmal bewiesen haben wozu sie fähig sind, werden das immer wieder tun. Nur weil sie dem Seelenklempner das erzählen, was die hören wollen, ist er noch lange nicht gebessert.



    Wäre er wieder "normal", dann würde er sich seiner Tat schämen und sich selber richten oder freiwillig im Knast bleiben!

  • Ich hoffe, dass Breivik nie wieder auf frei kommt.



    Seine Tat ist vorasätzlich, sie ist bis ins Detail über einen langen Zeitraum geplant gewesen und von einer Mischung aus Neo-Nazi/Rechtsextremismus/Ausländerfeindlichkeit durchdrungen. Das Ganze ist ein Provokation.



    Und in einem normalen Gefängnis bestehen zwei Gefahren: Die Migranten dort töten Breivik und / oder er führt da einen Haufen Nazis/Rechtsextremisten an, fängt dann an, dort die 'Migranten' an zu attakieren, deswegen muss er weiterhin isoliert überwacht werden.



    Breivik muss am Leben bleiben, er darf nicht durch Gewalt sterben. Das ist das A und O. Deswegen kann sein Anwalt schreiben, was er will, dieser Häftling kann nicht einfach in ein normales Gefängnis gebracht werden. Außerdem provoziert er, sobald er in ein anderes Gefängnis kommt, besteht die Gefahr, dass er von dort aus seine Ideologie verbreiten will.

  • Breivik sollte in Haft bleiben.

    • @aujau:

      sehe ich auch so.



      kniffliger ist die frage, ob er weiter isoliert bleiben sollte

      • @Emmo:

        Das ist tatsächlich kompliziert. Allerdings finden wir da wohl wieder mal die Frage nach Ressourcen für Resozialisierungsmassnahmen.

  • Wer 77 Menschen ermordet und 90 teilweise schwerst verletzt hat, sollt meines Erachten nie wieder in Freiheit kommen. Alles andere wäre ein Schlag ins Gesicht der Eltern und Verwanden der Opfer.

    • @Hans Dampf:

      So iss es!

    • @Hans Dampf:

      Dem kann man nur zustimmen....

    • @Hans Dampf:

      Die. Erleichterung, das er drin bleibt, teile ich, wohl aber nicht die Begründung.

      Grundsätzlich rechtfertigt die Übergriffigkeit des Täters nicht eine spätere Übergriffigkeit seitens der Opfer.