Urteil zum Solidaritätszuschlag: Steuern hoch für Reiche, aber runter für Unternehmen
Irgendwann wird der „Soli“ auslaufen. Höchste Zeit, die Weichen zu stellen für die Zeit danach: Die Steuerlast für Unternehmen muss gesenkt werden.
D as deutsche Steuersystem ist ungerecht. Die Abgaben auf große Vermögen, Millionen-Erbschaften, auf die Weitergabe von Unternehmen an die Nachkommen, Immobilienbesitz und sehr hohe Arbeitseinkommen liegen zu niedrig. Deshalb ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Soli zu begrüßen: Die Richterinnen und Richter verkündeten, dass der Solidaritätszuschlag nicht gegen das Grundgesetz verstößt.
In der Praxis wirkt der Soli teilweise als zusätzliche Reichensteuer. Denn der Zuschlag von 5,5 Prozent wird erhoben auf hohe Verdienste, Kapitalerträge und Firmengewinne. In voller Höhe entrichten ihn beispielsweise Singles, die im vergangenen Jahr über 106.000 Euro zu versteuerndes Arbeitseinkommen erzielten. Wobei die verteilungspolitische Wirkung nicht der eigentliche Gegenstand der Gerichtsentscheidung war. In dem Verfahren ging es um die Frage, ob der Solidaritätszuschlag noch rechtmäßig ist, da die Begründung – die Finanzierung der deutschen Einheit – schon lange zurückzuliegen scheint.
Allerdings muss der Soli auch von Unternehmen und nicht nur von den Eigentümern dieser Unternehmen gezahlt werden. Er wird unter anderem auf die Körperschaftssteuer erhoben, die die Profite vieler Firmen betrifft, die im internationalen Wettbewerb stehen. Dabei ist es so: Vergleichbare Steuern wurden beispielsweise in den USA, Großbritannien und Frankreich in den vergangenen Jahren gesenkt, in Deutschland aber nicht. Das kann einen Nachteil für hiesige Firmen bedeuten, weil sie höhere Kosten zu verkraften haben als ihre ausländischen Konkurrenten. Das Ziel, aus der gegenwärtigen wirtschaftlichen Stagnation herauszukommen, spricht ebenfalls dafür, den Unternehmen bei der Gewinnsteuer entgegenzukommen.
So könnten die neue Bundestagsmehrheit und die Regierungskoalition die Gerichtsentscheidung als Ausgangspunkt und Ansporn für eine Steuerreform verstehen. Dabei ginge es darum, den Solidaritätszuschlag so umzubauen und in den Einkommensteuertarif zu integrieren, dass der höhere Beitrag reicher Privatleute beibehalten, die Belastung der Unternehmen jedoch reduziert würde. Zum zweiten Punkt hat das politisch linksliberal positionierte Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vorgeschlagen, den Zuschlag nicht mehr auf die Körperschaftssteuer zu erheben und auch Gewinne von Personengesellschaften davon freizustellen, wenn sie in den Firmen bleiben und nicht an die Besitzenden ausgeschüttet werden.
Die Frage ist nun, ob Union und SPD die Kraft dazu haben. Die Vorversion des Koalitionsvertrages, das Sondierungspapier, enthält solche Vorschläge. CDU und CSU wollen die Firmensteuer senken, die Sozialdemokraten plädieren für höhere Abgaben für Wohlhabende. Allerdings haben sich die Parteien darüber noch nicht geeinigt. Sie sollten es tun – auch um die Einnahmen für die Zukunft zu sichern, die der Soli jetzt bringt. Denn ewig wird das Bundesverfassungsgericht den Zuschlag nicht verteidigen.
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